kurtsgartenOder: Gartenschau numéro 2

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Schwer vom Regen hängen die Dolden des Sommerflieders am Strauch. Kein Schmetterling zu sehen weit und breit. Ein Tagpfauenauge hatte sich in den vergangenen Tagen zweimal durch die offene Tür in mein Wohnzimmer verirrt. Seither wurde der schöne Falter nicht mehr gesehen.

An Tagen wie diesen, wenn die Sonne sich hinter dicken Regenwolken versteckt, fällt das zarte Blau des Sommerflieders besonders ins Auge. Umrahmt vom Grün der Sträucher ringsum und überragt von der  Krone des Apfelbaumes am Zaun zum Nachbar sind die Dolden des Sommerflieders der  einzige Farbtupfer am Rande des  vor sich hin dämmernden Gartens.   Vor wenigen Wochen hätte ich kaum für möglich gehalten, dass der Baum so viele Früchte tragen wird, wie sich jetzt, da sie eine gelbe Färbung bekommnen, allmählich herausstellt. Hat der Wind die Bestäubung vorgenommen, oder waren doch mehr Bienen unterwegs, als das feucht-kalte Wetter zuzulassen schien?

Den Knollenbegonien im Hochbeet auf der Terrasse macht der Regen nicht viel aus. Die Geranien hingegen tragen ihren Missmut deutlich zur Schau. Schwarz welken vergammelte Blüten vor sich hin, während andere Pflanzen die Feuchtigkeit offensichtlich richtig genießen.  Die große Hortensie scheint förmlich nach Wasser zu lechzen. Beleidigt rollte sie tagsüber die Blätter zusammen, wenn ihnen die Sonnenwärme zu nahe tritt, während die großen Blüten tapfer durchhalten, bis am Abend aus dem Gartenschlauch das sehnlich erwartete Fußbad zu plätschern beginnt.

Der Holzrabe mit dem mächtigen Schnabel, ein Geschenk aus dem Harz, der sein  buntes Kleid aus Ölfarbe längst eingebüsst hat, versteckt sich schamhaft hinter einem Schwall von blauen Ballonblumen. Nur eines der beiden Glasaugen blinzelt noch gelegentlich ins helle Tageslicht.  So ähnlich halten es auch die großen Margeriten, die im Schatten eines Fliederbaumes ihr Dasein fristen. Niemand hat sie dort angepflanzt. Sie kommen jedes Jahr von allein wieder, so wie das Moos zwischen dem Gras, dem die scharfen Messer des Rasenmähers augenscheinlich nichts anhaben können.

Auch die Gänseblümchen lassen es sich nicht verdrießen, den Rasen immer wieder  mit weißen Tupfern zu übersäen. Irgendwann  im Laufe des Jahres taucht ein Grünspecht auf, der den Rasen mit seinem starken Schnabel auf der Suche nach Futter für den Nachwuchs regelrecht umpflügt. Auch das konnte dem Moos nicht den Garaus machen. Ein wenig neiidisch beobachten die Amseln das Treiben des Fremdlings, tun sie sich doch selber recht schwer, ab und zu einen Regenwurm aus der Erde zu ziehen und ihn für die Nachkömmlinge im Nest an Ort und Stelle in kleine  Stücke zu zerlegen.

Wenn der Sommerflieder in voller Blüte steht und die Sonne wieder gen Süden wandert, verstummt der Amselgesang und es dauert bis Ende  Februar, ehe im frühen Morgengrauen von irgendwo her der Gesang eines Amselmännchens beim Leeren des Briefkastens an mein Ohr dringt und mir den nahenden Frühling verheißt. Vorerst künden die schwer vom Regen  am Strauch hängenden Dolden des Sommerflieders vom nahenden Herbst. Der schreibt dann seine eigene Geschichte vom Werden und Vergehen.

Foto:
Sommer 2020
©KN