Erster Deutscher Mobilitätskongress in Frankfurt
Notker Blechner
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Stuttgart 21, neue Landebahn in Frankfurt, Berliner Flughafen – nichts ist derzeit in Deutschland so umstritten wie Verkehrsprojekte. Nun schlagen Wirtschaft und Politik Alarm: Die deutsche Verkehrsinfrastruktur sei unterfinanziert, warnten Experten auf dem ersten nationalen Mobilitätskongress in Frankfurt.
In einem "Frankfurter Appell" fordern sie mehr Geld für den Ausbau von Schiene und Straße sowie kürzere Planungszeiten. Die radikalste Ansicht vertrat Ex-Minister und -Stuttgart21-Schlichter Heiner Geißler.
Der CDU-Politiker plädierte für ein neues Bau- und Planungsrecht. In den Verfahren nach bisherigem Baurecht würden die Leute angelogen und in die Irre geführt. Als Beispiel nannte Geißler den Ausbau des Frankfurter Flughafens, bei dem falsche Zusagen gemacht wurden.
Geißler forderte eine umfassende Bürgerbeteiligung. Großprojekte seien nur mit den Menschen und nicht gegen sie möglich. Die Bürger müssten bei großen Bauvorhaben von Beginn an am Verhandlungstisch sitzen - auf Augenhöhe mit den Politikern. Die Verfahren müssten transparent sein, es dürfte keine Geheimniskrämerei geben. "Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei", meinte Geißler. Man könne inzwischen dem Volk vertrauen.
Geißler: Mit guter Bürgerbeteiligung würde schneller gebaut
Binde man die Bürger richtig ein, würden die Planungsprozesse nicht länger dauern, glaubt der CDU-Veteran. Im Gegenteil: "Wir könnten sogar schneller bauen."
Erfahrungen hat Geißler beim Schlichterverfahren zum umstrittenen Bahn-Projekt Stuttgart 21 gesammelt. "Da habe ich fast meine Liebe zur Bahn entdeckt", witzelte der Schwabe. Geißler erinnerte das Publikum daran, dass die Bahn den Bahnhof ursprünglich gar nicht wollte. "Das war eine politische Entscheidung."
Ulrich Homburg, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, hätte viel zu Stuttgart 21 sagen können, äußerte sich aber lieber zu anderen Themen. So betonte er, dass die Bahn in den nächsten Jahren Milliarden in Infrastruktur, Fahrzeugflotte und auch Kundenservice investieren würde. Derzeit sei die Bahn-Infrastruktur an der Belastungsgrenze, monierte er. Allerdings könne die Bahn nicht aus eigener Kraft die Investitionen stemmen. Es seien zusätzliche Mittel des Bundes notwendig, erklärte Bahn-Manager Homburg.
Bilfinger-Chef Roland Koch plädiert für Autobahn-Maut
Rückendeckung bekam er von Ex-Ministerpräsident Roland Koch, jetzt Chef des Baukonzerns Bilfinger. Der Zustand der Verkehrsinfrastruktur habe eine gefährliche Dimension erreicht, gestand Koch. Um den Verfall zu stoppen, müsste über alternative Finanzierungsmodelle wie Public-Private-Partnership nachgedacht werden. So sympathisiert Koch mit einer Autobahn-Maut.
Einig waren sich die gut 250 Verkehrsexperten beim Mobilitätskongress über eines: die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland muss dringend modernisiert werden. Im "Frankfurter Appell" forderten die Kongress-Teilnehmer, den Substanzverlust und die Unterfinanzierung der Infrastruktur zu stoppen. Die Projekte sollten sich nicht nach politischen Wünschen, sondern nach tatsächlichen Bedürfnissen im Verkehrsnetz richten.
"Frankfurter Appell" beschlossen
Zudem sollten die Infrastruktur-Vorhaben schneller realisiert werden, heißt es im "Frankfurter Appell". Darüber hinaus plädieren die Experten für eine Stärkung des internationalen Luftverkehrs und der Binnenschifffahrt sowie für eine integrierte Verkehrspolitik. Schließlich müsse auch noch eine Strategie zur Lärmvermeidung erarbeitet werden.
Regionale Prioritäten seien falsch gesetzt, kritisierte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat. Es sei ein Unding, dass zwei Drittel des Verkehrs durch Hessen gingen, aber nur 1,2 Prozent der Mittel des Bundesverkehrswegeplans für Hessen vorgesehen seien.
In diesem Jahr wurde der Mobilitätskongress im Gesellschaftshaus im Palmengarten abgehalten. 2014 soll er im neuen Kongresszentrum der Frankfurter Messe, dem Kap Europa, stattfinden - mit hoffentlich noch prominenteren Gästen als Geißler, Koch, Homburg & Co.
Deutscher Mobilitätskongress
http://www.deutscher-mobilitaetskongress.de/