martin sturmerKundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, 24. 1

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Die jüngste Corona-Prognose von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist eine düstere: „Wenn nichts passiert, werden sich die Inzidenzen weiter alle zwei Wochen verdoppeln. Wir haben zu hohe Infektionszahlen bei gleichzeitig noch zu niedriger Impfquote.“

Ab morgen haben alle daher wieder ein Anrecht auf einen kostenlosen Bürgertest einmal pro Woche – überall dort, wo diese auf die Schnelle wieder angeboten werden. Heißt aber vor allem: Auch Ungeimpfte und alle ohne Corona-Anzeichen können sich testen lassen.

Spahn schlug zudem Folgendes vor: eine Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher in Pflegeeinrichtungen, außerdem eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz.

Bei öffentlichen Veranstaltungen solle künftig „2G Plus“ gelten – das heißt, der Zutritt ist nur für Geimpfte und Genesene möglich, die zusätzlich auch einen aktuellen, negativen Corona-Test vorweisen müssen. „Das ist ein Schritt, den wir gehen müssen, sonst wird es für alle ein bitterer Dezember“, so Spahn. Alle Details zu seinen Plänen finden Sie hier.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article235007104/Corona-Regeln-Spahn-will-Zugang-zu-Veranstaltungen-nur-noch-mit-2G-Plus.html?sc_src=email_1322561&sc_lid=126321332&sc_uid=raKDXZXdCb&sc_llid=13208&sc_cid=1322561&cid=email.crm.redaktion.newsletter.corona&sc_eh=eaa34f92ee875df71

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Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz erreichte am Freitag den fünften Tag infolge einen neuen Höchstwert und kam auf 263,7 – mit mehreren Landkreisen bei einem Wert über 1.000. Um es mit den Worten von RKI-Chef Lothar Wieler zu sagen: „Es ist 5 nach 12!"

In Brüssel hat die EU-Kommission zudem die 27 Mitgliedstaaten aufgerufen, sich ausreichend auf eine weitere Verschärfung der Corona-Pandemie vorzubereiten: „Wir müssen unsere Gesundheitssysteme auf eine steigende Zahl kranker Menschen vorbereiten“, sagte die zuständige EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides WELT. Die saisonale Grippe könnte die Belastung weiter verschärfen. Alle Details finden Sie hier.



DAS GESPRÄCH DER WOCHE

Der Frankfurter Virologe Dr. Martin Stürmer (im Titelfoto) sagt, es sei noch nicht zu spät, die steigenden Corona-Infektionen in den Griff zu bekommen – wenn wir jetzt die Corona-Maßnahmen anpassen. Im Gespräch mit WELT erklärt er, warum 1G eine Option wäre und zugleich die 2G-Maßnahmen neu definiert werden müssten.

WELT: Herr Stürmer, die Corona-Neuinfektionen brechen täglich neue Rekorde, die 7-Tage-Inzidenz steigt bundesweit rasant an. Was hilft aus virologischer Sicht nun noch, um das Virustreiben einzudämmen?

Stürmer: Die politische Situation und auch die Akzeptanz in der Bevölkerung erlauben uns wohl eher nicht, den harten Lockdown wieder in Betracht zu ziehen. Das wäre aus virologischer Sicht wohl das hilfreichste. Es fehlen also zukünftig die klassischen und bewährten Methoden wie die angeordnete Kontaktreduktion. Daher müssen wir jetzt erstmal alle Kontakte so sicher wie möglich machen. Veranstaltungen und Versammlungen sollten mit einem guten Hygiene- und Testkonzept abgesichert sein. Beim aktuellen Virusgeschehen müssten wir 2G anders definieren: Auch bei 2G-Treffen sollten konsequent Masken getragen werden. Wenn man sich jedoch entscheidet, die Masken wegzulassen, sollten spätestens dann alle Teilnehmer zwingend getestet werden. Je nach Örtlichkeit ist zudem eine volle Auslastung, etwa im Innenbereich eines Restaurants oder bei Konzerten, nicht das sinnvollste. Da kämen dann Teilnehmerbeschränkungen ins Spiel.


WELT: Kommen wir also um Coronatests nicht herum?

Stürmer: Nein. Bei Veranstaltungen im Innenraum sollte es im optimalen Fall sogar auf 1G hinauslaufen, sodass man über frische Testungen eine Infektion so gut wie ausschließen kann.


WELT: In der kommenden Woche gibt es wieder Bürgertests. Mit Blick auf die Viruslage – war es ein Fehler, die kostenlosen Coronatests abzuschaffen?

Stürmer: Da war und bin ich sehr hin- und hergerissen, weil ich die Argumente für die Abschaffung nachvollziehen kann. Das niedrigschwellige Testangebot hat uns geholfen, Infektionen zu identifizieren und die Weiterverbreitung zu unterbinden. Diese Möglichkeit haben wir für eine Weile aus der Hand gegeben. Die freiwillige und kostenpflichtige Testung wurde kaum angenommen. Im Nachhinein ist es also eine Fehleinschätzung gewesen. Mehr Testen ist wichtig und sollte auch auf Geimpfte und Genesene ausgeweitet werden.


WELT: Nun soll das Impftempo erhöht werden. In Ihrem Bundesland Hessen werden nun die über 70-Jährigen schriftlich zur Booster-Impfung aufgefordert. Reicht das?

Stürmer: Das ist die relevante Gruppe, die wir zuerst impfen müssen, vor allem in den Pflegeeinrichtungen. Wir sollten ähnliche Anstrengungen unternehmen, wie bei der ersten Impfung – das ist natürlich mit ein bisschen Briefschreiben nicht getan. Die Ständige Impfkommission berät derzeit noch, wie sie sich zu den Auffrischimpfungen für Jüngere positioniert. Meine Einschätzung ist, dass wir alle eine brauchen werden. Der optimale Zeitpunkt dafür ist aber noch nicht klar. Wir wissen von der Grippe-Impfung, dass eine Auffrischung für viele jedes Jahr notwendig ist. Ich vermute, dass wir ein ähnliches Szenario mit Sars-Cov2 erleben werden. Es wird sich erst in der Zukunft zeigen, in welchen Abständen wir die Impfung bekommen müssen, wie es sich mit den Impfdurchbrüchen verhält und ob sich ein Impfstoff sicher an alle Corona-Varianten anpassen lässt.


WELT: Käme es aus virologischer Sicht infrage, ab einem gewissen Zeitpunkt Menschen ihren Impfschutz oder Impfstatus abzusprechen?

Stürmer: Wenn wir von einer Impfquote reden, suggerieren wir, dass diese Menschen vollständig immun sind. Möglicherweise ist das bei einigen aber gar nicht mehr der Fall, weil der Immunschutz nicht mehr vollumfänglich vorhanden ist. Derzeit ist es noch zu früh, um hier genaue Zeitpunkte zu definieren. Wir müssen noch mehr lernen. Denn wir wissen altersgestaffelt noch gar nicht, wann der Impfschutz wirklich ausläuft.

Das gesamte Gespräch mit dem Virologen Stürmer finden Sie auf welt.de.

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Quelle: Stürmer/privat/über dpa