Ein Interview mit dem Star-Juristen zum Schuldspruch gegen Ghislaine Maxwell habe nicht den «journalistischen Standards» des Senders entsprochen
Andreas Mink
London (Weltexpresso) - Mittwochabend präsentierte das BBC-Fernsehen mit Alan Dershowitz einen prominenten Gesprächspartner zum Schuldspruch gegen Ghislaine Maxwell in Manhattan. Die langjährige Freundin des Investors und Sexual-Verbrechers Jeffrey Epstein war als dessen Komplizin schuldig gesprochen worden und hat nun eine jahrzehntelange Haftstrafe zu erwarten.
Der emeritierte Harvard-Professor nutzte die Gelegenheit allerdings zu einer heftigen Attacke auf eine wichtige Belastungs-Zeugin gegen Epstein, die in dem Maxwell-Prozess gar nicht aufgetreten war: Virginia Giuffre sei nicht glaubwürdig und so hätte die Anklage auf ihre Einvernahme verzichtet. Obendrein seien die von Giuffre gegen ihn und den britischen Prinzen Andrew in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe nicht haltbar. Giuffre hat Dershowitz 2019 wegen Verleumdung verklagt. Das Verfahren ist weiter hängig.
Das Interview hat umgehend einen Proteststurm ausgelöst. Denn die BBC hatte dem Publikum verschwiegen, dass Dershowitz persönlich tief in den Fall verstrickt ist, also keineswegs als unabhängiger Experte gelten kann. Giuffre wirft ihm vor, an den Verbrechen Epsteins mitgewirkt und sie als Teenager missbraucht zu haben.
Am Donnerstag zog der Sender die Konsequenzen und gab eine Erklärung ab: Das Interview habe die journalistischen Standards der BBC verletzt. Dershowitz sei wegen seiner Rolle in dem Fall kein geeigneter Interview-Partner gewesen und die Redaktion habe es versäumt seinen Hintergrund zu erklären (Link). Während die BBC nun ergründen will, wie es zu dem Interview kam, bleibt Dershowitz unbeeindruckt: Auf seinem Substack-Newsletter attackierte er Giuffre am Donnerstag einmal mehr als Lügnerin.
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Alan Dershowitz 2016
©tachles
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 31. Dezember 2021