Bildschirmfoto 2022 01 28 um 22.22.43Kundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, Serie: 26. 1

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Das Corona-politische Ende dieser Woche lässt sich wohl am besten mit „geht nicht" beschreiben: „Geht nicht" zum Einen, weil das Ziel der Bundesregierung, bis Ende Januar etwa 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal gegen Corona impfen zu lassen, nicht eingehalten werden kann.

„Geht nicht" zum Zweiten, weil immer mehr Gesundheitsämter die hohen Infektionszahlen nicht mehr korrekt nachvollziehen und melden können. Das wirkt sich vor allem auf die Aussagekraft der Corona-Inzidenz aus. Unsere WELT-Redakteurin Kaja Klapsa berichtet hier über die Details.

Und „geht nicht" zum Dritten, weil laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) derzeit keine bundesweiten Lockerungen infrage kommen. Der Sozialdemokrat will lieber den „konservativen Kurs“ verfolgen, sagte er in Berlin. Auch wenn unsere Nachbarn wie Dänemark anders vorgehen und lockern, sei das zwar dort so: „Aber das sind nicht wir.“

Lauterbach verteidigte zudem die umstrittene Verkürzung des Genesenenstatus – von sechs auf drei Monate – und bezeichnete den Schritt als „sinnvoll“. „Bei Omikron haben wir das Problem, dass derjenige, der sich mit der Delta-Variante infiziert hatte, sich schon nach drei Monaten mit Omikron infizieren kann“, argumentierte der Minister. Der Genesenenstatus für sechs Monate sei daher „nicht sicher“.

Eine schwierige Argumentation, weil: In der EU gelten in den meisten Mitgliedstaaten sechs Monate. Heißt konkret: Sie können in Deutschland nicht mehr als genesen gelten, in Österreich oder den Niederlanden aber schon. Lauterbach möchte sich daher auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass auch andere Länder folgen.
Bildschirmfoto 2022 01 28 um 22.25.21 

Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz lag am Freitag bei 1073,0. Vielleicht erinnern Sie sich: Vor einer Woche stand der Wert noch bei 706,3. Von Donnerstag auf Freitag wurden 190.148 Corona-Neuinfektionen registriert.


DER GERSEMANN DER WOCHE

Bildschirmfoto 2022 01 28 um 22.28.57
Die Zahl der aktiven Corona-Fälle in Deutschland ist auf 1,82 Millionen gestiegen. Das Plus im Vorwochenvergleich lag wie an den drei Tagen zuvor in der Größenordnung von 55 Prozent. Das heißt: Die Dynamik stabilisiert sich im Moment – auf sehr hohem Niveau. Das lässt sich auch an der Verdopplungszeit ablesen, die den vierten Tag in Folge bei nur elf Tagen verharrt.



Bildschirmfoto 2022 01 28 um 22.29.08Die Zahl der aktiven Corona-Fälle in Deutschland ist auf 1,82 Millionen gestiegen. Das Plus im Vorwochenvergleich lag wie an den drei Tagen zuvor in der Größenordnung von 55 Prozent. Das heißt: Die Dynamik stabilisiert sich im Moment – auf sehr hohem Niveau. Das lässt sich auch an der Verdopplungszeit ablesen, die den vierten Tag in Folge bei nur elf Tagen verharrt.


DAS GESPRÄCH DER WOCHE

aytacQuelle: Jo Kirchherr


Dr. Sara Aytac (im Fotolinks ) ist Unfallchirurgin und hat schon in mehreren Kliniken gearbeitet. In ihrem Buch beschreibt sie ihre Eindrücke – und die sind zum Teil vernichtend: unhaltbare Hygienezustände, unqualifiziertes Personal, unnötige Eingriffe. Die Corona-Pandemie habe vieles verstärkt, erzählt sie WELT-Redakteur Lennart Pfahler – und sie berichtet, warum Diskussionen über Impfungen sie nur aufregen.


WELT: Die Bundesregierung schreibt auf ihrer Webseite, das deutsche Gesundheitssystem sei „eines der besten der Welt“. Sie schreiben, es sei „durch und durch kaputt“. Wie passt das zusammen?

Aytac: Es gibt eine Differenz zwischen den reinen Zahlen und der Realität. Nur weil man oben viel Geld reinsteckt, heißt es nicht, dass unten Qualität rauskommt. Wir stecken auch viel Geld in unser Straßennetz und trotzdem habe ich auf meinem Weg zum Krankenhaus keine einzige Straße, die keine Schlaglöcher hat. Der Personalmangel in den Kliniken ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der Webseite der Bundesregierung steht sicherlich auch nicht, dass in Deutschland auf einen Intensivpfleger acht bis zehn Patienten kommen. In Norwegen sind es nur drei.


WELT: In der Corona-Pandemie ist dieser Missstand wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Was ist seither passiert – außer dass es Applaus für Krankenhausangestellte gab?

Aytac: Einen Corona-Bonus hat aus meinem Bekanntenkreis nur ein Bruchteil von denen bekommen, denen er prinzipiell zugestanden hätte. Auch gesellschaftlich fällt die Unterstützung, die wir erfahren, unterschiedlich aus. Wenn ich in der Ambulanz sitze und wegen der OP-Planung freundlich nachfrage, ob die Leute geimpft sind, sagen immer wieder welche: „Nein, ich lasse mich nicht impfen.“ Dafür fehlt mir das Verständnis. Ich bin in unserem Krankenhaus für die Alterstraumatologie zuständig, alle meine Patienten sind da über 85. Natürlich bin ich geimpft und geboostert und teste mich alle zwei Tage. Soll ich denen sagen „Ich habe nicht nur Ihre Hüfte mit einem Titannagel aufgefädelt, sondern – Glückwunsch – Sie jetzt auch noch mit Corona infiziert“? Es ist eben nicht nur meine eigene Entscheidung, ob ich mich impfen lasse.


WELT: Schon vor der Pandemie haben sie Zustände erlebt, die einen als Leser wirklich schockieren. Sie schildern in Ihrem Buch etwa Fälle, in denen Leihfirmen das Operationswerkzeug nicht richtig sterilisieren, ein hygienischer Albtraum.

Aytac: Ich habe eine Zeit lang als Honorarkraft gearbeitet und gut zwei Dutzend verschiedene Krankenhäuser von innen erlebt. Je kleiner die Häuser von der Bettenzahl her wurden, desto größer wurden die Missstände. Wenn man dann in den Ecken des OP-Saals Insektenfallen sieht, fragt man sich schon, mit welchem Recht wir in Deutschland auf unsere hohen Standards verweisen. Natürlich können wir es auch machen wie in Nepal oder Südafrika. Aber dann müssen wir uns eben von unserem Anspruch trennen, das „weltbeste“ Gesundheitssystem zu haben.


WELT: Sie halten die vielen kleinen Krankenhäuser für ein Teil des Problems.

Aytac: Viele der kleinen Krankenhäuser werden künstlich am Leben gehalten und das auf Kosten von uns allen. Wir könnten auf manche Krankenhäuser absolut verzichten und hätten gleichzeitig mehr Geld für die anderen. Aktuell reicht die Kohle hinten und vorne nicht. Alle sitzen mit dem Arsch vor der Fräse. Dann werden Stellen nicht nachbesetzt, das Personal, das noch da ist, arbeitet sich zu Tode oder zieht sich frustriert komplett aus dem Bereich zurück. Die sind für den Beruf dann unwiederbringlich verloren.


WELT: Das Ressourcenproblem, das wir haben, hängt also auch damit zusammen, dass das Personal auf viele Krankenhäuser aufgeteilt ist und nicht dort konzentriert, wo es dringend gebraucht würde?

Aytac: Die Dänen haben es vorgemacht. Die sind von 90 Krankenhäusern auf 30 heruntergegangen. Was dadurch eingespart wird, steckt man in das Rettungsmittelsystem. Dann kauft man eben noch drei Hubschrauber, damit Patienten auch in der Nacht in die großen Häuser gebracht werden können. Dann ist jemand mit einem Herzinfarkt trotzdem zur richtigen Zeit im richtigen Krankenhaus. Es bringt Ihnen nichts, wenn sie mit einem Herzinfarkt in 15 Minuten Fahrtstrecke zum nächsten Kreiskrankenhaus haben. Da ist keiner, der mit Ihnen Deutsch spricht, da ist keiner, der eine Koronarangiografie durchführen kann. Was bringt es also, dass in dem Krankenhaus das Licht brennt?


Das gesamte Gespräch mit Dr. Aytac finden Sie auf welt.de.