Berliner Fashions Week 2014, Teil 2

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) -Tragen statt Rauchen“, fordert das Modelabel Studio Jux - und in dem kleinen Wortspiel wird die Problematik von Kleidung aus Hanf (Cannabis) bereits deutlich: Gerade in Deutschland umweht die Pflanze, aus der man auch Haschisch und Marihuana gewinnen kann, noch der Ruch des Illegalen und Alternativen. Man denkt an späte Hippies, die Cannabis kiffen und schlabberige Hanfklamotten tragen.

 

Hanf ist eine steinalte Kulturpflanze, die gegenüber anderen Faserpflanzen wie Baumwolle, Leinen oder Flachs unglaubliche Vorteile hat. Der schnell wachsende Hanf kann in 100 Tagen gut vier Meter groß werden, auch in gemäßigten europäischen Gegenden. Die Pflanze braucht wenig Bewässerung aufgrund ihrer tiefen Wurzeln, die gleichzeitig den Boden auflockern. Sie gedeiht prächtig ohne Dünger oder Pflanzenschutzmittel und ist gleichsam von Natur aus nachhaltig.

 

Die ersten Blue Jeans waren noch aus reinem Hanf gefertigt, weil der viel robuster und reißfester war, als Textilien aus anderen Faserpflanzen. Mittlerweile ist Hanf jedoch von der weltweit den Textilmarkt beherrschenden Baumwollindustrie ins Abseits gedrängt worden - und zudem auch noch in die Illegalität: In der Europäischen Union dürfen nur noch Pflanzen mit einem - willkürlich festgesetzten - Gehalt an THC, dem berauschenden Wirkstoff, von 0,2 % angebaut werden. Der für Textilien viel geeignetere Hanf, der in Nepal, China und anderen asiatischen Ländern wie Unkraut wächst, liegt geringfügig darüber.

 

In China wurde schon vor 3000 Jahren Hanf für Textilien genutzt und immer noch bevorzugen die Chinesen feine Hanfkleidung, obwohl Baumwolle auch dort sehr viel preiswerter ist. Erstaunlicherweise produzieren H & M und andere westliche Modeketten ihre Angebote für den chinesischen Markt aus Cannabis. Asiatischer Hanf ist aufgrund seiner Faserstruktur auch viel weicher als der europäische, kein Wunder, dass Yves Saint Laurent daraus kuschelige Bettwäsche für die Chinesen herstellen lässt.

 

Es ist also eine Legende, dass Hanfstoffe wie grober Sackleinen aussehen oder sich so anfühlen müssen. Die Beschaffenheit des Stoffes hängt davon ab, welcher Hanf verarbeitet und wie die Faser versponnen und verwebt wird.

 

Langsam erwacht der Hanf bei uns aus seinem Dornröschenschlaf“, sagt Robert Hertel von der deutschen Firma HempAge, eine der wenigen Firmen in Europa, die ausschließlich Kleidung aus Cannabis produziert. Ende der 90er-Jahre wurden die ökologischen Eigenschaften nicht nur hinsichtlich der Herstellung (wieder) entdeckt, sondern auch der Tragekomfort. Cannabiskleidung ist sehr hautfreundlich, weil zum Wachstum der Pflanze und zur Weiterverarbeitung der Fasern keine Gifte nötig sind, die bei Menschen Allergien auslösen können. Die Textilien laden sich nicht elektrostatisch auf, auch das schont empfindliche Haut. Der Stoff nimmt mehr Nässe als Synthetikfasern und Baumwolle auf und gibt sie schnell wieder ab, ohne sich feucht anzufühlen. Hanffäden können mehr als 30 Prozent ihres Gewichts an Feuchtigkeit absorbieren, ohne dabei an Qualität zu verlieren.

 

HempAge hat ein großes Angebot von Street oder Casual Wear: Hosen, Kapuzenpullover, T-Shirts, einfache Kleider und Socken. „Wir möchten kurzlebige Mode eigentlich ausschließen“, sagt Hertel, „darum ist der HempAge-Stil eher zeitlos, jedoch auch farbig, modisch und dem Zeitgeist entsprechend.“ Den Autor bat er, den „Geruchstest“ mit Hanfsocken zu machen, denn über 90% der Bakterien, die für Gerüche verantwortlich sind, werden in Hanfkleidung und Hanf-Mischgeweben abgetötet. Nach zwei Tagen bei größter Hitze gab der Autor den Test auf, weil die Socken die Füße immer kühl hielten und einfach nicht schlecht riechen wollten.

 

Leider produzieren die bäuerlichen Kleinbetriebe in Fernost noch wesentlich teurer als die hoch technisierte Baumwollindustrie. Einerseits arbeiten Forscher an Möglichkeiten, diese Technologie auch für Hanftextilien zu nutzen. Andererseits bleiben die Hanfeigenschaften auch in Mischgeweben erhalten. Deshalb werden viele Kleidungsstücke, besonders Jeans, mit Mischungen aus 45% Baumwolle und 55% Hanf hergestellt, die dadurch preiswerter werden.

 

Hanfkleidung ist außerhalb der Großstädte nur im Internet zu bekommen. Ein Sprecher von Hessnatur, dem größten Ökoversandhaus im deutschsprachigen Raum (siehe Foto), meint, dass seine Kunden die Cannabiskleidung von der Unterwäsche bis zu flippigen Kleidern immer stärker annehmen. Es liegt also auch an den Verbrauchern, ob sie die etwas teurere Cannabiskleidung kaufen, um sich selbst und der Umwelt etwas Gutes zu tun!

 

www.hessnatur.com

www.hempage.de