werner Kundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, Serie: 35. 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - An den Krankenhäusern verschärft sich die Corona-Lage. Steigende Covid-Zahlen, Krankenstände und streikende Mitarbeiter bereiten auch Jochen A. Werner (im Foto), dem Chef der Uniklinik Essen, große Sorgen. Im Interview mit WELT-Redakteur Andreas Macho spricht Werner über die ernste Situation.

WELT: Die Corona-Fallzahlen in Deutschland steigen wieder. Zuletzt warnte die Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin wegen der Krankenstände vieler Mitarbeiter vor einer Überlastung der Intensivstation. Wie ist die Situation am Universitätsklinikum Essen?

Werner: Auch die Universitätsmedizin Essen hat in den letzten Wochen eine steigende Anzahl von positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Patienten verzeichnet. Allerdings ist die Anzahl der Covid-Patienten in den letzten Tagen innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite stabil. Aktuell versorgen wir insgesamt 61 positiv auf SARS-CoV-2 getestete Patienten, davon 53 auf Normalstationen sowie acht auf Intensivstationen.


WELT: Verzeichnet die Uniklinik Essen derzeit hohe Ausfälle beim Personal?

Werner: Ja, die Personalsituation an der Universitätsmedizin Essen ist derzeit angespannt. Das liegt einerseits an dem coronabedingten Personalausfall. Derzeit sind rund Hundert unserer Mitarbeiter in häuslicher Quarantäne. Von diesen coronabedingten Personalausfällen sind sämtliche Standorte und auch sämtliche Funktionsbereiche betroffen. Besonders belastet sind die Notaufnahme sowie die Klinik für Infektiologie und die Intensivstationen – dies liegt aber auch an den zusätzlichen Personalausfällen durch den Streik an den Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen, der mittlerweile in die elfte Woche geht. Zwischen 100 und 150 Beschäftigte befinden sich am Universitätsklinikum Essen derzeit im Streik.


WELT: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die den Streik in NRW organisiert, fordert eine Entlastung der Krankenhausmitarbeiter per Tarifvertrag. Ist ein Kompromiss und damit ein Ende des Streiks absehbar?

Werner: Wir unterstützen prinzipiell die Forderung der Gewerkschaft nach einer Entlastung der Beschäftigten, insbesondere in der Pflege. In einer Reihe von Punkten gibt es Annäherungen. Wir hoffen, dass der Streik in absehbarer Zeit beendet wird.


WELT: Rechnen Sie mit einer weiteren Zunahme der Corona-Fälle?

Werner: Wir rechnen mit einer weiteren Zunahme von Corona-Patienten, wahrscheinlich schon in den nächsten Wochen, im Herbst mit hoher Sicherheit. Nach zweieinhalb Jahren Erfahrung im Management der Pandemie sind wir als eines der größten Covid-19-Zentren in Deutschland auf diese Situation trotz der vorhersehbaren Belastungen gut vorbereitet. Wir haben dazu ein flexibles System mit Personalausfallkonzepten und Eskalationsstufen entwickelt, das bei Bedarf nachjustiert werden kann.
 

DER BLICK AUF DIE ANDEREN

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Quelle: Lee Jin-Man/AP/dpa

Weil die Corona-Infektionen so stark steigen, weitet Südkorea das Angebot von Auffrischungsimpfungen aus: Nun haben alle Erwachsenen mit Vorerkrankungen und alle über 50 Jahren Zugang zu den Booster-Impfungen, vor allem aber zu einem zweiten Booster. Bislang waren nur Personen ab 60 Jahren anspruchsberechtigt.

Am Mittwoch dieser Woche meldeten die Behörden in Südkorea 40.226 Neuinfektionen – den höchsten Tagesanstieg innerhalb von zwei Monaten. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle blieb dagegen stabil. „Die Zahl der täglichen Infektionen könnte zwischen Mitte August und Ende September auf bis zu 200.000 Fälle ansteigen", erklärte Premierminister Han Duck-soo auf einer Corona-Sitzung der Regierung.

Die Leiterin der Behörde für Krankheitskontrolle und -prävention, Baek Gyeongran, fand eine Erklärung für die steigenden Coronafälle: Sie schrieb sie der nachlassenden Immunität nach länger zurückliegenden Impfungen und Infektionen zu. Und den weitreichenden Corona-Lockerungen seit Apri. Baek rief dazu auf, unnötige Reisen und Treffen zu vermeiden.

Die steigenden Corona-Zahlen in Südkorea hatten zuletzt auch zu neuen Verstimmungen mit Nordkorea geführt: Denn Anfang Juli hatte Nordkorea seinem südlichen Nachbarn vorgeworfen, die Infektionen ins Land geschleppt zu haben. So lautete der Vorwurf aus Nordkorea, „fremde Gegenstände“ wie Luftballons hätten das Virus vom Süden her in den Norden getragen. Mit den Luftballons sollen Südkoreaner immer wieder versuchen, Nachrichten oder Flugblätter ins abgeschottete Nordkorea zu senden. Südkorea stritt die Corona-Vorwürfe ab und erklärte, das Virus übertrage sich in erster Linie über Aerosole und weniger über Oberflächen.



lichtb2DER LICHTBLICK

Quelle: Getty Images/Westend61

Die Lockdown-Monate haben in Deutschland offenbar für steigende Geburtenzahlen und mehr Babies gesorgt. Laut einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln wurden 2021 in Deutschland rund 796.000 Kinder geboren. Das waren so viele Geburten wie seit 1997 (damals 812.000 Neugeborene) nicht mehr. Besonders im vierten Quartal 2021 wurden den Angaben zufolge viele Kinder geboren, im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 sieben Prozent mehr. Es gibt starke regionale Unterschiede: So lagen in den neuen Bundesländern – außer Berlin – die Geburtenzahlen im Jahr 2021 um fünf Prozent niedriger als 2019. Das gleicht sich mit der allgemeinen Entwicklung, da in Ostdeutschland die Zahl der Neugeborenen seit 2016 rückläufig ist. Vor allem in den süddeutschen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern war zwischen den Jahren 2020 und 2021 dagegen ein deutlicher Sprung der Geburtenzahlen zu beobachten (um 4,7 Prozent).

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Titel:Quelle: Jonas Güttler/dpa