tagesschau.deisraelDAS JÜDISCHE LOGBUCH  Mitte September 

Yves Kugelmann

Tel Aviv (Weltexpresso) - Diesmal beginnt der Fahrer das Gespräch über Israels Politik und die bevorstehenden Wahlen. «Ich habe immer Bibi gewählt. Doch jetzt nicht mehr». Vor drei Jahren hätte er erkannt, dass Benjamin Netanyahu keine ehrliche Politik macht. Ardon ist in Tel Aviv geboren, um die 55 Jahre alt. Er ist einer dieser Typen die immer nahe am großen Erfolg waren und dann wieder scheiterten.

Jetzt fährt er wieder Taxi, erzählt von den Schweizern, die er tags zuvor gefahren hat, und ärgert sich über Waze. Die israelische Navigationsapp genießt weltweit den besten Ruf. Doch in Israel selbst navigiert sie den Taxichauffeur nicht um, sondern mitten in den Stau. Die Hayarkon ist wieder einmal maßlos überfüllt, die Durchschnittsgeschwindigkeit der Autos langsamer als in London. «Was ist denn geschehen vor drei Jahren?»

Darüber möchte Ardon nicht reden. Lapid wird er sicher nicht wählen, sagt er. Gantz sei wenigstens ein ehemaliger General. Denen könne man vertrauen. Ardon nähert sich über Schleichwege langsam dem Rothschild Boulvard. Im Radio kommen die Nachrichten von Galei Zahal. Israels Armee führt in Jenin und Nablus Sicherheitsoperationen durch. Ardon allerdings ärgert sich pausenlos über Waze und dass er nun die Konsequenzen solcher einer schlechten App tragen müsse. Langsam wird es dunkel. Die Straßen bleiben blockiert und endlich ist die Endadresse an der Lilienblum erreicht in Tel Avivs unwirklich wirklicher Bubble. Im Triangel zwischen Außensicht, Blick von innen und Realität spiegelt sich Israels Wirklichkeit in den verschiedenen Perspektiven – und bleibt, was es wird, im ständigen Wandel.

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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. September 2022
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.