Yves Kugelmann
Wien (Weltexpresso) - tachles: Sie haben sich mit Blick auf Ihren 60. Geburtstag von vielen Ämtern zurückgezogen. Mit dem Rücktritt von Mosche Kantor als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC) präsidieren Sie nun zehn Jahre später seit April Europas jüdische Gemeinschaft. Wieso?
Ariel Muzicant: Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass das Judentum – wie viele andere Organisationen – zu stark von alten Männern regiert wird. Ich habe mir immer vorgenommen, an meinem 60. Geburtstag nicht nur zu übergeben, sondern vorher auch meine Nachfolge aufzubauen. Und das habe ich auch mit allem Beruflichen und Ehrenamtlichen getan.
Aber Sie sind noch EJC-Präsident.
Ich war Vizepräsident. Ich hatte mich bewusst in die zweite Reihe gestellt, um in Ruhe arbeiten zu können, und ich habe dem erst zugestimmt, als mir Moshe Kantor zugesichert hatte, dass ich das Sicherheitsdepartement vollkommen autonom aufbauen darf. Das war meine Bedingung, als er mich anfragte, ob ich nicht wieder in den Vorstand kommen wolle.
Nun hat Sie indessen die Realität eingeholt ...
Man hat Moshe Kantor aus meiner Sicht fälschlicherweise auf die Sanktionsliste gesetzt. Und deshalb wurde ich gefragt, ob ich interimsmässig übernehmen würde. Nachdem niemand anderes zur Verfügung stand, habe ich eingewilligt – bis zur nächsten Generalversammlung im Februar oder März 2023. Bis dann müssen wir zunächst einmal schauen, dass der EJC finanziell weiter funktioniert und die Arbeit fortführen kann, sprich das Geld vorhanden ist, das jetzt fehlt, weil eben Moshe Kantor nicht mehr da ist. Er hatte ja enorme Geldmengen zur Verfügung gestellt, um diese Strukturen aufzubauen, die es ohne ihn gar nicht gäbe. Nun hoffe ich, dass er bald von der Sanktionsliste genommen wird.
Sie kritisierten bereits vor 15 Jahren, dass jüdische Verbände von «Oligarchen» finanziert und geführt werden ...
... von reichen weissen Männern geführt werden, die aber auch ihr Geld zur Verfügung stellen. Das sollte zumindest teilweise anders sein, aber da man das Geld nicht selbst drucken kann, wird man nicht ganz davon loskommen. Man sollte jedoch versuchen, die Abhängigkeit durch Erschließung anderer Geldquellen zu reduzieren.
Was für Quellen wären das für den EJC?
Ich arbeite daran, Gelder aus verschiedenen Bereichen zu erschließen, die dann laufend mithelfen, das EJC-Budget zu sichern.
Wo sehen Sie die Hauptaufgaben des EJC in diesen politisch herausfordernden Zeiten?
Ich sehe eine Zuspitzung der politischen Situation in Europa durch den wieder massiv aufwärts tendierenden Rechtsextremismus. Ich halte das langfristig für eine echte Bedrohung der jüdischen Bevölkerung in Europa.
Können Sie das konkretisieren?
Ich habe im März und April dieses Jahres mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen diskutiert, was geschehen könnte, wenn der Ukraine-Krieg lange dauert und Putin nicht gewinnt. Daraus ist ein Papier entstanden, wonach Putin dann den Gashahn zudreht und Länder wie Deutschland, Ungarn, Tschechien oder Österreich wegen Problemen in der Schwerindustrie mit massiver Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben dürften, verbunden mit massiven Preissteigerungen bei den Energiekosten. Das führt sehr rasch zu einem Zunehmen der rechten und ultrarechten Positionen, die teils auch von Putin finanziert werden, um Europa zu destabilisieren und die EU zu zerstören. Das wiederum führt unweigerlich zu massivem Antisemitismus. Ich denke, dass man sich darauf vorbereiten muss, und habe das Papier in diesem Sinne an die Präsidenten der Mitgliedländer verschickt.
Kann denn die jüdische Gemeinschaft die Rechten verhindern?
Verhindern nicht, aber Verbündete können wir suchen. Wir müssen versuchen, mit den anderen demokratischen Kräften der Zivilgesellschaft aufzustehen und die Bevölkerung aufzurufen, sich nicht von diesen falschen Propheten überzeugen zu lassen. Wir müssen versuchen, mit demokratischen Mitteln dagegen anzukämpfen; jeder von uns ist aufgerufen, etwas gegen diese Entwicklung zu tun.
In Italien haben nun die Faschisten gewonnen. In anderen Ländern regieren die Rechten bereits. Wie geht’s weiter?
Man wird es, fürchte ich, schon diesen Winter und bei jeder Wahl sehen, die jetzt kommt, und man sieht es bereits in Schweden und Italien. Und ich warne davor, die Werte, für die wir in Europa in den letzten 80 Jahren so sehr gekämpft haben, zu zerstören.
In Deutschland zeigt sich aber, dass die AfD wieder schwächer wird.
Eben, man kann ja auch versuchen, etwas dagegen zu tun. Letztlich sind wir als Juden ja hier zu Hause, und wir sollten alles tun, dass wir weiter hier leben können und die europäische Friedensarchitektur erhalten bleibt.
Was sind Ihre anderen Prioritäten?
Mein weniger akutes Dauerthema sind die Assimilation und der Mangel an Unterstützung, um jüdisches Leben zu erhalten. So war etwa 2018 der EJC ganz entscheidend an der Formulierung und Durchsetzung der Resolution des Europäischen Rates gegen den Antisemitismus und für die Stärkung der Sicherheit beteiligt. Der zweite Schritt war, die 27 Länder dazu zu bringen, die Sicherheit der jüdischen Gemeinden zu verbessern. Das ist zu 90 Prozent gelungen. Nun ist der nächste Schritt, anhand der Resolution vom Oktober 2021 das jüdische Leben in Europa zu ermöglichen und zu stärken, indem wir Programme dafür entwickeln.
Ist jüdisches Leben in europäischen Ländern weitgehend problemlos möglich?
Nicht, wenn Schechita und Brit Mila verboten sind. Der Europäische Jüdische Kongress hat nun im Rahmen einer Plattform mit dem Jüdischen Weltkongress und der orthodoxen Rabbinerkonferenz eine Resolution verfasst und der EU übermittelt, welche die Schaffung der Voraussetzungen verlangt, dass in allen Mitgliedstaaten Schechita und Brit Mila gesetzlich zulässig sein müssen.
Gibt es noch weitere Projekte?
Der nächste Schritt ist, dass sich jedes Land überlegen muss, wie es das jüdische Leben fördern kann.
Ist die Umsetzung all dieser Massnahmen ein Mittel gegen die von Ihnen angeführte Problemstellung «Assimilation»?
Es ist ein wesentlicher Schritt. Der grösste Feind des Judentums ist leider die Assimilation, nicht der Antisemitismus. Wir verlieren Jahr für Jahr jüdische Menschen; in Amerika ist der Verlust noch dramatischer, aber in Europa ist er schlimm genug. Man kann dagegen ankämpfen, indem wir als jüdische Gemeinden selbst etwas tun: in Schulen investieren, in Religionsunterricht investieren, in kulturelle Programme investieren. Dann muss es den Staaten, in denen wir leben, wichtig sein, dass die jüdische Kultur bei ihnen erhalten bleibt. Und drittens muss es beim Staat Israel, dessen Aufbau wir 125 Jahre lang unterstützt haben, einen Paradigmenwechsel geben.
Assimilation ist ein hausgemachtes Problem. Könnte man sie nicht durch eine Anpassung der Regeln für jüdisches Leben abbremsen?
Ich bemühe mich ja sehr darum, innerjüdische Ausgrenzungen abzubauen. Aber es gibt eine rote Linie, die ich nicht überschreite – man kann das Judentum nicht wie einen Kegelverein führen. Wir haben Regeln, die Halacha, auch wenn diese seit dem letzten Sanhedrin nicht an das moderne Leben angepasst wurde. Aber es gibt mittlerweile sogar in Israel Bewegungen, gemäß denen sie unter Beibehaltung der orthodoxen Grundregeln teilweise anzupassen versucht werden soll.
In Ungarn und Russland paktiert Chabad mit den Regierungen. Wie problematisch ist das?
Sehr. Die Chabad-Bewegung ist sehr problematisch in dem Moment, wo sie sich in die Politik einmischt. Damit wird sie zur Gefährdung des EJC, aber auch aller anderen demokratischen Strukturen, weil sie über sehr viel Geld verfügen, sich überall hineindrängen und auch jüdische Gemeinden in Europa zerstören. Chabad ist grossartig, solange es eine Beschränkung auf die Erziehung und die sozialen Arbeiten gibt.
Sollte sich Chabad von dort fernhalten, wo es eine jüdische Gemeinde gibt?
Ja, dort, wo es eine funktionierende jüdische Gemeinde gibt, sollte Chabad nicht hingehen, weil er dort ein Konkurrenz-unternehmen aufbaut, das die lokale jüdische Gemeinde zerstört.
Unternehmen Sie als EJC-Präsident etwas dagegen?
Ja. Ich versuche, die bestehenden traditionellen Gemeinden zu stärken und zu fördern. Aber letztlich muss jeder seinen eigenen Kampf führen.
Zeigt Chabad allenfalls auf, dass die jüdische Gemeinde ein Auslaufmodell ist?
Nein, das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Österreich etwa ist es uns gelungen, Chabad einzugrenzen.
Ein innerjüdischer Kampf ...
Der ist so alt wie das Judentum, und Chabad ist ja nicht das einzige Problem. Die Extremisten kommen von allen Seiten, ihre zentrifugalen Kräfte zerstören letztlich die Gemeinden und erzeugen Spaltungen. Die einzige Gemeinde, die dem widerstehen kann, ist die Einheitsgemeinde, die alle diese Kräfte – mit sehr viel Mühe und Verhandlungen – im Schtetl hält.
Funktioniert das über Geld?
Das funktioniert auch über Respekt. Geld ist ein grosses Thema, aber ganz wesentlich ist der Respekt. Doch es gibt in dem Ganzen auch eine dritte Säule, an der der EJC derzeit ganz massiv arbeitet. Das ist, die Israeli dazu zu bringen, in die Galut zu investieren. Es gibt wohl Dinge, die diesbezüglich schon laufen, aber es muss viel mehr ausgebaut werden.
Was ist Ihre Vision als EJC-Präsident für die Juden in Europa?
Dass es gelingt, dass Israels anvisiertes Wachstum nicht auf Kosten des europäischen Judentums passiert. Ich möchte gerne, dass wir die zwei Millionen Juden in Europa halten – was immer wir jetzt haben. Und das ist schon ein sehr ehrgeiziger Plan, wobei die grosse Sorge eigentlich nicht die Alija ist, sondern die Assimilation.
Was treibt Sie persönlich in Ihrem Engagement an?
Zwei Dinge haben mich geformt. Zum einen natürlich irgendwie das schlechte Gewissen, dass die Familie überlebt hat, wo so viele andere nicht mehr da sind, und dass man versuchen muss, sie zu ersetzen. Das zweite grosse Thema war für mich der Sechstagekrieg. Das war für mich ein Schock, weil es in den ersten Tagen so aussah, als ob der Staat Israel vernichtet würde. Bis dann die gegenteiligen Nachrichten kamen, glaubten wir doch alle, es sei wieder so weit. Damals habe ich mir geschworen, dass, wenn ich das Glück habe, dass es mir gut geht und ich es mir leisten kann, ich versuchen werde, etwas zurückzugeben.
Sie wurden aber nicht Soldat, sondern Politiker.
Ja, es braucht aber beides. Man kann nicht nur mit der Waffe in der Hand kämpfen. Und ich habe im Übrigen dreimal versucht, Alija zu machen. Es waren dann hauptsächlich familiäre Gründe, die mich zurückgehalten haben, und natürlich auch ein wenig das sehr, sehr schöne Leben hier. Ich lebe gerne in der österreichischen Kultur, ich liebe dieses Ambiente hier. Aber ich bin ein Zerrissener: Ich fühle mich hier zu Hause, aber gleichzeitig auch in Israel, das meine spirituelle Heimat ist. Sie wissen ja, was ein Zionist ist? Ein Zionist ist einer, der die anderen nach Israel schickt. (Lacht.)
Und somit sind wir beim Dilemma. Wollen Sie, dass Ihre Enkelkinder sicher in Europa leben oder dass sie nach Israel auswandern?
Ich habe mit meinen Freunden die Voraussetzungen dazu mitgeschaffen, dass es möglich ist, dass sie als Juden in Wien leben können. Und ich weiß, dass ein Teil meiner Enkelkinder das auch tun werden, weil sie eben entschieden haben, lieber hier zu leben. Ich habe Enkelkinder, die hier keine Zukunft sehen, aber auch Enkelkinder, die Alija machten und wieder zurückkamen, weil sie es so entschieden haben.
Werden Sie nächstes Jahr für das Präsidium kandidieren?
Persönlich würde ich am liebsten wieder in die zweite Reihe zurück rücken. Mir ist das Präsidium in meinem Alter eigentlich zu viel, weil ich die Verantwortung ernst nehme.
Wie sieht Ihre Vision für die Führung des EJC aus?
Mein Wunsch wäre, dass sich ein Präsident aus einem EU-Mitgliedsland findet, der die nötigen Fähigkeiten, die nötige Zeit und den nötigen Willen hat, diese Arbeit fortzusetzen und zudem genügend anerkannt ist, um das nötige Geld zu erhalten. Und anerkannt heisst hier geschätzt, respektiert und vertrauenswürdig.
Foto:
©tachles
Gibt es noch weitere Projekte?
Der nächste Schritt ist, dass sich jedes Land überlegen muss, wie es das jüdische Leben fördern kann.
Ist die Umsetzung all dieser Massnahmen ein Mittel gegen die von Ihnen angeführte Problemstellung «Assimilation»?
Es ist ein wesentlicher Schritt. Der grösste Feind des Judentums ist leider die Assimilation, nicht der Antisemitismus. Wir verlieren Jahr für Jahr jüdische Menschen; in Amerika ist der Verlust noch dramatischer, aber in Europa ist er schlimm genug. Man kann dagegen ankämpfen, indem wir als jüdische Gemeinden selbst etwas tun: in Schulen investieren, in Religionsunterricht investieren, in kulturelle Programme investieren. Dann muss es den Staaten, in denen wir leben, wichtig sein, dass die jüdische Kultur bei ihnen erhalten bleibt. Und drittens muss es beim Staat Israel, dessen Aufbau wir 125 Jahre lang unterstützt haben, einen Paradigmenwechsel geben.
Assimilation ist ein hausgemachtes Problem. Könnte man sie nicht durch eine Anpassung der Regeln für jüdisches Leben abbremsen?
Ich bemühe mich ja sehr darum, innerjüdische Ausgrenzungen abzubauen. Aber es gibt eine rote Linie, die ich nicht überschreite – man kann das Judentum nicht wie einen Kegelverein führen. Wir haben Regeln, die Halacha, auch wenn diese seit dem letzten Sanhedrin nicht an das moderne Leben angepasst wurde. Aber es gibt mittlerweile sogar in Israel Bewegungen, gemäß denen sie unter Beibehaltung der orthodoxen Grundregeln teilweise anzupassen versucht werden soll.
In Ungarn und Russland paktiert Chabad mit den Regierungen. Wie problematisch ist das?
Sehr. Die Chabad-Bewegung ist sehr problematisch in dem Moment, wo sie sich in die Politik einmischt. Damit wird sie zur Gefährdung des EJC, aber auch aller anderen demokratischen Strukturen, weil sie über sehr viel Geld verfügen, sich überall hineindrängen und auch jüdische Gemeinden in Europa zerstören. Chabad ist grossartig, solange es eine Beschränkung auf die Erziehung und die sozialen Arbeiten gibt.
Sollte sich Chabad von dort fernhalten, wo es eine jüdische Gemeinde gibt?
Ja, dort, wo es eine funktionierende jüdische Gemeinde gibt, sollte Chabad nicht hingehen, weil er dort ein Konkurrenz-unternehmen aufbaut, das die lokale jüdische Gemeinde zerstört.
Unternehmen Sie als EJC-Präsident etwas dagegen?
Ja. Ich versuche, die bestehenden traditionellen Gemeinden zu stärken und zu fördern. Aber letztlich muss jeder seinen eigenen Kampf führen.
Zeigt Chabad allenfalls auf, dass die jüdische Gemeinde ein Auslaufmodell ist?
Nein, das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Österreich etwa ist es uns gelungen, Chabad einzugrenzen.
Ein innerjüdischer Kampf ...
Der ist so alt wie das Judentum, und Chabad ist ja nicht das einzige Problem. Die Extremisten kommen von allen Seiten, ihre zentrifugalen Kräfte zerstören letztlich die Gemeinden und erzeugen Spaltungen. Die einzige Gemeinde, die dem widerstehen kann, ist die Einheitsgemeinde, die alle diese Kräfte – mit sehr viel Mühe und Verhandlungen – im Schtetl hält.
Funktioniert das über Geld?
Das funktioniert auch über Respekt. Geld ist ein grosses Thema, aber ganz wesentlich ist der Respekt. Doch es gibt in dem Ganzen auch eine dritte Säule, an der der EJC derzeit ganz massiv arbeitet. Das ist, die Israeli dazu zu bringen, in die Galut zu investieren. Es gibt wohl Dinge, die diesbezüglich schon laufen, aber es muss viel mehr ausgebaut werden.
Was ist Ihre Vision als EJC-Präsident für die Juden in Europa?
Dass es gelingt, dass Israels anvisiertes Wachstum nicht auf Kosten des europäischen Judentums passiert. Ich möchte gerne, dass wir die zwei Millionen Juden in Europa halten – was immer wir jetzt haben. Und das ist schon ein sehr ehrgeiziger Plan, wobei die grosse Sorge eigentlich nicht die Alija ist, sondern die Assimilation.
Was treibt Sie persönlich in Ihrem Engagement an?
Zwei Dinge haben mich geformt. Zum einen natürlich irgendwie das schlechte Gewissen, dass die Familie überlebt hat, wo so viele andere nicht mehr da sind, und dass man versuchen muss, sie zu ersetzen. Das zweite grosse Thema war für mich der Sechstagekrieg. Das war für mich ein Schock, weil es in den ersten Tagen so aussah, als ob der Staat Israel vernichtet würde. Bis dann die gegenteiligen Nachrichten kamen, glaubten wir doch alle, es sei wieder so weit. Damals habe ich mir geschworen, dass, wenn ich das Glück habe, dass es mir gut geht und ich es mir leisten kann, ich versuchen werde, etwas zurückzugeben.
Sie wurden aber nicht Soldat, sondern Politiker.
Ja, es braucht aber beides. Man kann nicht nur mit der Waffe in der Hand kämpfen. Und ich habe im Übrigen dreimal versucht, Alija zu machen. Es waren dann hauptsächlich familiäre Gründe, die mich zurückgehalten haben, und natürlich auch ein wenig das sehr, sehr schöne Leben hier. Ich lebe gerne in der österreichischen Kultur, ich liebe dieses Ambiente hier. Aber ich bin ein Zerrissener: Ich fühle mich hier zu Hause, aber gleichzeitig auch in Israel, das meine spirituelle Heimat ist. Sie wissen ja, was ein Zionist ist? Ein Zionist ist einer, der die anderen nach Israel schickt. (Lacht.)
Und somit sind wir beim Dilemma. Wollen Sie, dass Ihre Enkelkinder sicher in Europa leben oder dass sie nach Israel auswandern?
Ich habe mit meinen Freunden die Voraussetzungen dazu mitgeschaffen, dass es möglich ist, dass sie als Juden in Wien leben können. Und ich weiß, dass ein Teil meiner Enkelkinder das auch tun werden, weil sie eben entschieden haben, lieber hier zu leben. Ich habe Enkelkinder, die hier keine Zukunft sehen, aber auch Enkelkinder, die Alija machten und wieder zurückkamen, weil sie es so entschieden haben.
Werden Sie nächstes Jahr für das Präsidium kandidieren?
Persönlich würde ich am liebsten wieder in die zweite Reihe zurück rücken. Mir ist das Präsidium in meinem Alter eigentlich zu viel, weil ich die Verantwortung ernst nehme.
Wie sieht Ihre Vision für die Führung des EJC aus?
Mein Wunsch wäre, dass sich ein Präsident aus einem EU-Mitgliedsland findet, der die nötigen Fähigkeiten, die nötige Zeit und den nötigen Willen hat, diese Arbeit fortzusetzen und zudem genügend anerkannt ist, um das nötige Geld zu erhalten. Und anerkannt heisst hier geschätzt, respektiert und vertrauenswürdig.
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