Kleine Plauderei über Zaubernuss und Schneeglöckchen
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Auch im Winter hat der Garten viele Gesichter. Das liegt weniger an ihm selbst, sondern hängt mehr vom Himmel ab. Wenn kalter Wind Wolken vor sich her jagt, wie das während der kalten Jahreszeit immer wieder geschieht, verdüstert sich seine Miene. Hat die tief stehende Sonne sich einen Weg durch die Wolken gebahnt, und sei es nur für wenige Minuten, hellt sein Gesicht sich blitzartig auf.
Das verschossene Grün des Rasens, der auch im Winter mit dem allgegenwärtigen Moos um ein Plätzchen an der Sonne kämpft, nimmt unvermittelt die Farbe reifer Birnen an und verleiht der Szenerie einen freundlichen Glanz. Scheinbar reglos ragen die kahlen Äste der Bäume in den Himmel, als schämten sie sich ihrer steif gewordenen Glieder. Von dem tränenden Herz vor dem Küchenfenster war jetzt schon das zweite Jahr nichts sehen, dafür hält die Zaubernuss mit ihren leuchtenden Kringeln unsere wintermüden Augen bei Laune.
Die Schneeglöckchen bleiben, seit sie im Vorgarten ihre Heimstatt gefunden haben, der zuverlässigste Bote des nahenden Frühlings. Dass ihnen strenger Frost nichts anhaben kann, gehört zu den schönen Rätseln der Natur, ganz zu schweigen von den unscheinbaren Schutzhüllen der hoch empfindlichen Magnolie, deren Blütenblätter schon beim leichtesten Frost ihres kurzes Dasein beenden und als welke braune Lappen zu Boden fallen.
Der Rhododendron lässt es erst gar nicht so weit kommen. Bevor ihm der Winter zu nahe rückt, rollt er vorsorglich seine Blätter zusammen und kauft damit dem Frost seinen Schneid ab. Die Dolden bleiben so lange im Verborgenen, bis die einzelnen Blüten unter der wärmenden Sonne ihren Schutzmantel abgeworfen haben. Dann gibt es kein Halten mehr. Ähnliche Vorsorge trifft die Natur auch für die Azaleen, die den Garten alljährlich bis in den letzten Winkel mit ihrem Duft aus Tausendundeiner Nacht in ein Alhambra für unseren Geruchssinn verwandeln.
Die Winterheide braucht ihre Zeit. Eh ihre kleinen Blüten einem Garten ihr Signum verleihen, können Jahre vergehen. Dann schlägt die Heide alles was da sonst noch wächst aus dem Feld und zaubert elysische Gärten auf unsere Netzhaut.
Derweil hofft der hölzerne Rabe auf der Terrasse auf bessere Zeiten, wenn Storchenschnabel und Ballonblumen seine eisernen Beine umschmeicheln. Jetzt leistet ihm allenfalls ein Buntspecht Gesellschaft, der die Birkenholzbeine des Futterhäuschens jedes Jahr daraufhin abklopft, ob sich am Ende nicht doch eine saftige Made unter der morschen Birkenrinde versteckt hält.
Fotos:
Winterheide und Schneeglöckchen
©Autor