Redaktion tachles
Basel (Weltexpresso) - Sie war ein kleines Kind, zwei Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter im «anus mundi» war, wie ein Überlebender das Vernichtungslager einst genannt hatte. Sie lebt in München und wird immer wieder eingeladen, um auf Gedenkveranstaltungen zu reden. Aber sie macht nicht das, was alle von ihr erwarten. Bei einer Veranstaltung im Jüdischen Museum Berlin im vergangenen September sprach Bundeskanzler Olaf Scholz und er schien bei seiner Rede ganz beglückt und beseelt, dass die Deutschen nur sieben Jahr nach der Schoah bereits Wiedergutmachungsgelder an Juden zahlten. Dann sprach Eva Umlauf.
Und wies in ihrer Rede nur daraufhin, dass ihre Mutter keine Wiedergutmachung erhalten hatte. Dass viele Juden keine Kompensation erhielten, während deutsche Behörden Aussiedlern und jenen, die ihren Beruf aufgeben mussten, weil sie bei der Entnazifizierung durchgefallen waren, viel Geld bezahlten. Sie wurde Ärztin, ihre Familie lebt in den USA. Sie blieb in Deutschland, ebenso ihre Schwester, die in Auschwitz geboren wurde. In einem grossen Artikel im «Spiegel» wurde Umlauf nun gewürdigt. Dass sie gleichmütig bleibt, aber gleichzeitig die alten Deutschen mit ihrer Selbstgerechtigkeit immer weniger ertragen kann, dass sie keine Wut hat, dass sie sich zurückgezogen hat.
Sie hat nicht verziehen, wer sei sie denn, um im Namen von sechs Millionen zu verzeihen? Eva Umlauf ist eine der letzten Holocaust-Überlebenden in Deutschland, die noch Zeugnis ablegen können. Sie wird natürlich «benutzt». Sie weiss das. Sie macht sich keine Illusionen, dass es irgendwie anders sein könnte. Sie ist nur froh, dass ihre beiden Enkelkinder in New York leben. Nicht in Deutschland. Nicht in Europa. Was sie befürchtet? Dass der ukrainische Regierungschef Selenski den Krieg verlieren könnte. Dann würde es in Europa heissen, der Jude «hat uns da reingezogen».
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 17. März 2023