ganze familieDie Büglers lieben ihr Leben im Circus

Sabine Zoller

Bad Herrenalb (Weltexpresso).- „Wir sind eine Großfamilie“, sagt Monika Bügler (73), die sich als Seniorchefin kein anderes Leben als das in einem Zirkus vorstellen kann. Gemeinsam mit ihren beiden Töchtern Patricia und Veronica, Schwiegersohn Mike, den Enkeln und Urenkeln sind es 18 Personen, die sie täglich bekocht und die im Familienverbund sowohl in als auch außerhalb der Manege eng zusammenhalten und sich aufeinander verlassen können.

Insbesondere bei finanziellen Schwierigkeiten wie in der Coronazeit ist der Zusammenhalt besonders wichtig, denn „sonst würde nichts funktionieren.“ Wie bei einem Unternehmen gibt es zwar klare Zuständigkeiten, doch alles in allem „agieren wir als Team und kennen es nicht anders“, sagt ihr Enkel Toni, der als zweiundzwanzigjähriger für die 30 Tiere verantwortlich zeichnet und bereits erste Auszeichnungen für seine Dressuren erhalten hat. „Ich bin als Kind mit Tieren aufgewachsen und war schon immer fasziniert von dem, was mein Opa Pitti gemacht hat“. Nach dem Tod des Großvaters ist er in dessen Fußstapfen hineingewachsen und mittlerweile hängt sein Herz und seine Leidenschaft an den vierbeinigen Familienmitgliedern, zu denen Kamele, Lamas, Rinder und edle Pferde wie die Barock Friesen gehören.

IMG 7825 Foto Zoller Familien ZirkusSein Arbeitstag beginnt um sechs Uhr früh mit dem Füttern und Ausmisten im großen Stall, der als Zelt neben dem großen Zirkuszelt mit der Manege steht. Dann werden die Tiere geputzt und bewegt, bevor es am frühen Nachmittag Proben für die nächsten Dressuren gibt, bei denen dann auch gerne die Kinder seines Bruders oder die von seinem Onkel anwesend sind. Feierabend ist nach den Vorstellungen nach 21 Uhr und dann werden zuerst die Tiere versorgt, bevor es selbst zum Abendbrot in den Wohnwagen geht. Eine Leben ohne Tiere können sich die Artisten nicht vorstellen, denn oftmals werden die Jungtiere im Zirkus geboren und wachsen dort ebenso wie die eigenen Kinder auf. „Unsere Besucher lieben die Pferde und sind immer begeistert, wenn sich diese nach der Musik rhythmisch im Takt bewegen.“ Aber in der Manege werden nicht nur Kaltblüter und rassige Araberpferde gezeigt, sondern mit einem feinen Gespür für Rinderrassen auch Zuchten aus unterschiedlichen Kontinenten wie das tibetanische Yak, ein indisches Zebu-, sowie ein schottisches Hochland- und ungarisches Steppenrind, die mit den Kamelen und dem Dromedar, Esel und Lamas friedlich miteinander auskommen.

Dass die Tiere allen ans Herzen gewachsen sind, beweist Pascal, das mittlerweile zehn Monate alte Kamelfohlen, das sogar im Zirkus geboren wurde. Liebevoll streichelt der 26-jährige Juniorchef Adriano Bügler den Höckerträger, der vom Säugen noch ein weißes Schnäutzchen zeigt. „Das ist derzeit der Star unter unseren Zirkustieren, und wird von unseren Besuchern tagtäglich bestaunt und fotografiert“, so der Artist, der der lachend ergänzt: „Die Tiere gehören zu uns wie die eigenen Kinder, denn wir sind eine große Familie.“ Und tatsächlich sind Familie und Circus wie aus einem Guss. Der Zirkus "Salto Mortale" wurde 1811 in Rheinland-Pfalz tiergegründet und heute zählen die Kinder von Adriano zur neunten Generation, die bereits als junge Akteure in der Manege auftreten. An erster Stelle aber steht das Tierwohl der Vierbeiner, denn alle helfen mit, wenn es um das Füttern und Säubern der Stallungen geht. Allein die Kosten für die Versorgung der Tiere mit Heu und Kraftfutter, sowie die tierärztlichen Untersuchungen müssen durch die gemeinsamen Auftritte der Familie finanziert werden. Immerhin werden täglich zwei Rundballen Heu mit rund 375 Kilogramm Gewicht benötigt. „Strom, Wasser und Futter sind unser Hauptthema“, erklärt Jasmin (24) die mit ihren drei Kindern Ramon (5), Severino (3) und dem zehn Monate alten Giano gemeinsam mit Adriano (26) den Wohnwagen teilt.

„Wir haben hier alles was wir brauchen, es ist eben nur ein bischen kleiner“, so der Tenor der jungen Artistin, die in der Manege als Seiltänzerin unter der Zirkuskuppel begeistert und wie ihr Mann aus einer Zirkusfamilie stammt. Nun ist sie integriert in den Familienverbund der Büglers, da für sie ein Leben in einer Wohnung und an einem festen Wohnsitz geradezu undenkbar ist. „Wir sind das gesamte Jahr unterwegs, aber dadurch lernt man viele Landschaften und neue Leute kennen“, so die junge Mutter, die sich darüber freut, dass sie erst ein schulpflichtiges Kind hat. Sie selbst war ebenso wie Toni und seine Brüder Adriano und Francesco immer an den Schulen zu Gast, wo es Aufführungen des Circus gab. „Wir haben ein Circus Schulbuch und das kennen die Lehrer“, ergänzt Toni, der darüber berichtet, dass er mittels Lernpaketen die Hausaufgaben und Prüfungen bestanden hat, die von einem eigens bestellten Zirkuslehrer abgenommen wurden, der die Schaustellerkinder regelmäßig besuchte. „Wir lernen sehr schnell selbständig zu werden“, erklärt Jasmin, die zudem betont: „Und wir haben alle den Realschulabschluss- falls man das mal für die Arbeit braucht.“ Doch anders als andere Schulabgänger wissen die Zirkuskinder schon früh, was sie machen wollen. Bestes Beispiel dafür ist der fünfjährige Vincento, der bereits als Clown gemeinsam mit seinem Vater Mike in der Manege begeistert und in Zukunft ein ganz großer Clown werden möchte.

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