DAS JÜDISCHE LOGBUCH Ende Februar
Yves Kugelmann
Berlin, Basel (Weltexpresso) - Der Schweizer Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, dass er kein klares Zeichen, sondern ein Zeichen setzt, ohne ein Zeichen zu setzen. Er will in einer Gesetzesvorlage die Hamas für fünf Jahre verbieten als ob die Terrororganisation eine Pandemie sei, die sich vom gefährlichen Virus in eine harmlose Erkältung wandelt. Hätte es den 7. Oktober nicht gegeben, hätte die Schweiz als einziges europäisches Land die Hamas weiterhin nicht auf die Terrorliste gesetzt.
Dass der Bundesrat mit seinem Vorschlag weiter als andere Länder gehen möchte, in dem er auch Hamas-verwandte Organisationen verbieten möchte, kann als mehr als Kosmetik betrachtet werden. Doch bis zur Umsetzung des Gesetzes wird wieder vieles anders sein. – Diskurse verschieben sich und schaffen neue Realitäten. Triggerpunkte sind historische Ereignisse, die Wendepunkte darstellen. Der 11. September 2001, der 24. Februar 2021, der 7. Oktober 2023 sind solche.
Politik reagiert rasch unter Druck neu gelesener Realitäten, öffentlicher Debatten und innenpolitischer Konstellationen. Kultur reflektiert, wird zugleich von Aktivismus gedrängt und okkupiert. Das zeigte sich auch an der diesjährigen Berlinale, die im Vorfeld einmal mehr für Schlagzeilen sorgte in Sachen Ausladung von AfD-Politikern und mit wenig Selbstbewusstsein an den Start ging. Anders die Filme im Wettbewerb, der morgen entschieden wird. Sie sind politisch, engagiert und wichtig. Schon der brillante Eröffnungsfilm «Small Things Like These» über katholische Besserungsanstalten in Irland von Matt Damon setzte da ein Zeichen.
Dass allerdings die Kulturbranche im Moment statt Grenzerweiterungen mehr und mehr selbstbegrenzend wird mit gut gemeinten und oft falsch gedachten Canceldebatten, ist die grosse Paradoxie der letzten Jahre. Da steht dann die Basler Fasnacht geradezu für ein Durchatmen im so aufgeladenen öffentlichen Raum der Res Publica. Wie respektvoll, konzessionslos und pointiert mit Krisen, Konflikten, Kriegen umgegangen werden kann abseits der vermeintlichen Hochkultur, hat sich diese Woche wieder einmal auf Basels Straßen an der Fasnacht gezeigt, die in der Moderne wohl als inklusives, integratives, diverses, offenes Manifest für gelebte freie Kultur ein Exempel für viele statuieren könnte zwischen Freiheit und Vernunft.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 23. Februar 2024
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.