weise azalleeWas uns die Pflanzen von sich erzählen

Kurt Nelhiebel

In diesem Jahr hat es länger gedauert als sonst, bis der Garten sich den Winterschlaf endgültig aus den Augen gerieben hatte. Kalter Wind aus dem hohen Norden hat ihm das Erwachen zu neuem Leben immer wieder vergrault.

rote azalNun aber hat ein Außenseiter dem Garten ein ganz neues Gesicht gegeben, der Zwergrhododendron, von dem es all die Jahre nicht viel zu berichten gab. Nun macht er an allen Ecken und Enden mit seiner roten Blütenpracht auf sich aufmerksam. Was mag ihn wohl aus der Reserve gelockt haben? Ist endlich einmal soviel Regen gefallen, dass er sich in seine feuchten Heimatgebiete im fernen Asien oder in Lateinamerika versetzt fühlen konnte?

Die Magnolien werden es mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen haben. Sie lieben den Sonnenscheinen und dann und wann ein laues Lüftchen, bis sie sich in einer windstillen kalten Nacht von ihrer Blütenpracht auf einen Schlag verabschieden. Die Sternmagnolie kann dann noch eine Weile mit ihrem grazilen Wuchs von sich reden machen, bis die Azaleen mit ihrer unwiderstehlichen Farbenvielfalt die Blicke auf sich lenken.

sternenBis der große Rhododendron sich sattgetrunken und sich in sein Gewand aus vielen hundert lilafarbenen Blüten gehüllt hat, werden noch ein paar Tage vergehen. Bis dahin verwöhnen die schneeweißen Blüten eines anderen Rhododendrons unsere Augen. Wenn abends die Sonne ihre letzten Strahlen über die Blüten gleiten lässt, geht ein überirdisches Leuchten von ihnen aus, so als grüßte uns eine ferne schöne Welt.

Alles überstrahlt in majestätischer Größe der blühende Apfelbaum, dessen Krone die Blessuren vergangener Jahrzehnte mit einem Talar aus Abertausenden rosafarbenen Blüten überdeckt. Noch ein paar warme Tage mit viel Sonne, dann haben die Bienen ihr Bestäubungswerk vollendet und auf die Wacholderdrosseln wartet im Herbst auf der Durchreise in südlichere Gefilde ein gedeckter Tisch.

In der Zwischenzeit macht die Hortensie im Hochbeet auf der Terrasse hinter dem Haus dicke Backen, immer mit einem Blick Richtung Himmel, ob auch genügend AzalleeWolken mit einer tüchtigen Ladung Regen unterwegs sind zu der durstigen Seele. Die prallgrünen Triebe des Sommerflieders vor dem Küchenfenster versprechen den Schmetterlingen einen weithin duftenden Doldensegen, auf den unter dem Dach die letzten Exemplare des selten gewordenen Tagpfauenauges wahrscheinlich schon ungeduldig warten.

Bis dahin wird unser Hauptdarsteller ausgeblüht haben und niemand weiß, wer seinen Platz im nächsten Jahr für sich beansprucht. Wie das eben so ist im Leben, bei den Rhododendren und den Menschen.


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