Reitsport Abenteuer mit Lieselotte von der Pfalz
Mortimer Marstrand
Heidelberg/Paris (Weltexpresso) Zur Olympiade in Paris fanden die Reitwettkämpfe vom 27. Juli bis 6. August im Garten von Schloss Versailles statt. Was Elisabeth Charlotte von der Pfalz wohl dazu gesagt hätte, die dort Jahrzehnte lang lebte? Schließlich war die kurpfälzische Prinzessin selbst eine erfahrene Reiterin – wenngleich sie in ihren Briefen auch von manchem Missgeschick auf dem Pferd erzählte.
Spitzensport im Schatten von Versailles
Seit Tagen hält die Welt den Atem an, wenn die besten Athletinnen und Athleten in Frankreich an den Start gehen. Die sportlichen Wettkämpfe sind dabei in Paris und über den Pariser Großraum verteilt. In den Gärten von Versailles messen sich die besten Reiterinnen und Reiter in der Dressur, im Springreiten und Vielseitigkeitsreiten. Auch die Sportlerinnen und Sportler mit Handicap werden dort im Dressursport im September zu sehen sein. Damit treten sie an dem Ort gegeneinander an, an dem einst auch Elisabeth Charlotte von der Pfalz – besser bekannt als Liselotte – lebte. Die kurpfälzische Prinzessin war die wohl berühmteste Bewohnerin von Schloss Heidelberg. 1671 heiratete sie Herzog Philippe von Orléans, den Bruder des französischen Königs Ludwig XIV. Den Großteil ihres Lebens verbrachte sie in Versailles. Mit dem Herrscher teilte sie ihre Leidenschaft für die Jagd und das Reiten, ehe es zum Bruch zwischen den beiden kam. Vermutlich hätte Liselotte die sportlichen Wettkämpfe auf dem Pferderücken mit großem Interesse verfolgt. Sie war selbst Reiterin – und galt so manchem Zeitgenossen als „Amazone zu Pferde“. Nur wenige Männer konnten mit ihren Fähigkeiten mithalten. In ihren Briefen findet sich daher so manche Geschichte über das Reiten. Auch ein Missgeschick der exzellenten Reiterin ist überliefert.
Ein unerwartetes Abenteuer auf der Jagd
So schrieb sie am 4. November 1677 in einem Brief an die Kurfürstin Sophie von Hannover von einer Jagd. Nach einiger Zeit bemerkte Liselotte, dass ihr Rock nicht richtig saß. Doch gerade in dem Moment, in dem sie das Kleidungsstück richten wollte und daher nicht recht im Sattel saß, erblickte die Jagdgesellschaft einen Hasen – und setzte sich schnurstracks in Bewegung. Sie erzählt: „undt mein pferdt, welches die andern jagen sicht, will auch hernach undt springt auff ein seit“. Liselotte fand sich in einer misslichen Lage: „ich … fundt mich durch dießen sprung gantz auff ein seitt, ergrieffe in aller eyll den sattelknopf undt behilte den fuß im steigbügel, in Hoffnung, mich wider in den sattel zu heben; aber indem ich den sattelknopf ergreiffe, entfelt mir der zügel.“
Wilder ritt, glückliche Landung
Zwar im Steigbügel, jedoch ohne Zügel rief sie ein Mitglied der Jagdgesellschaft um Hilfe, „dießer aber kam mitt einer alzugroßen furie auff mich loß undt machte also meinem pferdt bange“ – das Tier wandte sich daher ab und ritt in Eile davon. Mit aller Kraft hielt sich Liselotte fest. Loslassen konnte sie nicht, denn die Pferde der anderen Reiter waren zu nah an ihr. Als sie schließlich allein war, „ließ ich mich algemach loß undt auff die grüne blousse (den Rasen) fallen“. Liselotte kam mit einem Schreck davon. Glücklicherweise habe sie sich – „Gott sey danck“ – keine Verletzungen zugezogen. Eine Medaille hätte sie für dieses sportliche Kunststück wohl nicht erhalten.
Briefe aus Versailles
Elisabeth Charlotte von der Pfalz wurde am 27. Mai 1652 geboren. Den längsten Teil ihres Lebens verbrachte sie am französischen Hof in Versailles: Sie heiratete Philipp von Orléans, den Bruder von König Ludwig XIV. Ihr Vater hoffte, mit der Ehe den Frieden zwischen Frankreich und der Kurpfalz zu sichern. Doch es kam anders: Nach dem Tod des letzten männlichen Erben der kurpfälzischen Familie erhob Ludwig XIV. – gegen den Willen von Elisabeth Charlotte, aber in ihrem Namen – Anspruch auf die Kurpfalz. Der darauffolgende Erbfolgekrieg verwüstete die Kurpfalz. Die Ehe mit Philipp von Orléans hielt trotz des Konflikts, wenn auch unglücklich. Zwar hatte das Paar drei gemeinsame Kinder, doch die Verschwendungssucht von Philippe I. von Orleans und sein Interesse an Männern plagten Liselotte sehr. Elisabeth Charlotte von der Pfalz schrieb tausende Briefe. Heute sind sie eine wertvolle Quelle über das Leben in Versailles – und über die Autorin selbst.
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