kinofensterDas Jüdische Logbuch Mitte Oktober

Yves Kugelmann

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Bilder auf den Fotos der Presseagenturen gleichen Ari Folmans ikonischem Film «Waltz with Bashir» (Foto links) über den Libanon-Krieg. Die israelischen Bombardements tränken den Nachthimmel mit dem gleichen Goldgelb wie in der Animation von 2008. Es fehlt nur Max Richters Musik. Irgendwo da unten sterben Menschen, fürchten israelische Soldaten vielleicht bald wieder um ihr Leben, wenn ein Einmarsch von Bodentruppen folgen sollte, und wieder zieht ein Libanon-Krieg ins Land mit all den Traumata, die bis heute die Gesellschaften prägen.

Was, wenn das Ziel, die Vernichtung der Hizbollah und somit die Reduktion der Gefahren für Israels Norden und seiner Zivilbevölkerung ebenso legitim sind, wie das Anliegen, dass die Zivilbevölkerung Libanons geschützt werden muss? Innert weniger Monate haben Terror und Krieg über zwei Millionen Menschen in die Flucht ge- und aus ihren Heimen vertrieben. In Israels Norden, Süden ebenso wie in Gaza und Libanon.

Die Kausalitätsdebatte ist wichtig. Doch sie wird statt davor mitten im eskalierenden Konflikt geführt, zu einem Zeitpunkt, in dem sich Menschen eher fragen, wohin das alles führen soll und ein totaler Krieg zumindest riskiert wird. Niemand mag angesichts der Bilder mehr so richtig hinhören und alle reden aneinander vorbei oder zu sich selbst. Israel wurde nie gehört, wird erst recht jetzt nicht gehört, während die Bilder und die nackten Zahlen alles überlagern. Westländer, Uno und andere haben zu lange hingeschaut und versagt in einem Libanon-Konflikt, in dem es nicht um Land, nicht um Expansion, sondern um viele Stellvertreterkriege geht, die außerhalb der Konfliktzone immer sichtbarer werden auf Straßen, in Parlamenten oder diese Woche an der Buchmesse in Frankfurt.

Libanesische Verlage sagen Termine ab, ein Teil der Branche zieht sich zurück, andere extreme oder alternative Verlage mischen sich unter die Aussteller. Die Oase der Freiräume, der Offenheit und des Dialogs wird auch in diesem Jahr wieder zunehmend von Peripherien angegangen. Das politische Buch, das Buch wird in Krisen wichtiger, über die Zeugenschaft hinaus. Wenn am Sonntag die amerikanisch-jüdische Journalistin und Historikerin Anne Applebaum mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird und die aktuellen Konflikte in ihrem Werk ins Zentrum der Debatte gestellt werden, dann hofft man auf eine offene Debatte, die die festgefahrenen politischen Diskurse hoffentlich aufbricht beim Thema Ukraine, Russland, Israel und Iran.

Der Tanz auf dem Vulkan von Kommandeur Shmuel Frenkel wird bei Ari Folman der Tanz des Widerstands inmitten von Beirut. Der Walzer gegen die Regime, die Terroristen, die Dehumanisierung, letztlich gegen den sinnlosen Krieg und der Augenöffner für die Sinnlosigkeit einer Situation, die für den Moment mit Waffen und letztlich nur mit richtigen Verhandlungen gelöst werden kann. Eine Binse, die aber irgendwann mal umgesetzt werden müsste im ureigenen Interesse von allen.

Foto:
©Kinofenster

Info:

Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 16.Oktober 2024
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.