
Hanswerner Kruse
Schlüchter-Herolz (Weltexpresso) - Nadja Kohlhepp (35) ist eine „Tagespflegeperson“, wie es im Amtsdeutsch heißt, und nach fünf Jahren pädagogischer Kinderbetreuung in Hintersteinau nach Herolz umgesiedelt.
Ihr neuer großer Raum hat riesige Eckfenster und wirkt so, als ginge das Spielzimmer direkt in die Streuobstwiese über. Nur wenig Spielzeug liegt herum, der Ort wirkt klar und strukturiert. Etliche Kinder wuseln auf dem warmen Fußboden. Elina (2) hat sich weh getan und geht herum, um sich den Schmerz „wegpusten“ zu lassen. Es sind Ferien, deshalb ist Ella dabei, die siebenjährige Tochter Kohlhepps. Ihre zweijährige Tochter Alice ist ständig in der Gruppe der „Wiesenwichtel“. Für das Zeitungsfoto verkleiden sich die Kleinen mit Tüchern, später singen alle „Die Katze ist im Schnee“, dann schauen sie gemeinsam in ein Bilderbuch.
Diesen Ort mit seiner behaglichen Atmosphäre nennt Kohlhepp „Shala“, einen Raum der Verbindung und des Miteinanders, in dem man sich wohlfühlt und achtsam miteinander umgeht. Dieser Begriff ist aus der altindischen Sprache Sanskrit. Nicht nur die Kinder kommen von Montag bis Mittwoch hierher, sondern an den übrigen Tagen bietet sie dort auch für Erwachsene Yoga, Massage und Entspannungskurse an. Die Tagesmutter hat eine spirituelle Grundhaltung, die ihr Leben und ihr Handeln prägt: „Ganz aus dem Herzen heraus…“
Zuvor arbeitete sie 12 Jahre lang in öffentlichen Ämtern als Verwaltungsfachwirtin, Ausbilderin und Vorsitzende im Personalrat. Aber 2019, nach „der eigenen Heilung unzähliger Allergien und chronischen Krankheiten, hat sich mein Blick auf das Leben geändert“, erzählt sie. Nun erweiterte sie ihr Wissen über Gesundheit, Pflanzenheilkunde und Pädagogik und beschäftigte sich mit nachhaltiger positiver Entwicklung. Nach ihrem „Heilweg“, wie sie ihn nennt, wurde sie Ehefrau und Mutter dreier Kinder. Jetzt will sie sich weiterentwickeln und ihr Potenziale entfalten.
In der ersten Elternzeit empfahl ihr eine Freundin, sich für die Tagespflege zu qualifizieren. Sehr schnell absolvierte die junge Mutter die notwendige Ausbildung beim Main-Kinzig-Kreis und begann 2020 mit der Betreuung in Hintersteinau. Alle Tagesmütter In Schlüchtern und Sinntal werden professionell vom Haus Petra unterstützt. In Steinau übernahm Kohlhepp die Aufgabe, ihre Kolleginnen offiziell als „Fachdienst“ zu unterstützen. Sie organisierte Gruppenabende, führte Beratungen durch und stellte Kontakte zu interessierten Eltern her. Dabei kommt sie gut mit den Behörden aus: „Ich kenne ja die Strukturen und verstehe die Leute die dort arbeiten.“
„Jedes Kind ist ein Geschenk“, sagt Kohlhepp, „dieses Geschenk möchte ich in meiner pädagogischen Arbeit hüten und entfalten.“ Gerne organisiert sie den geregelten Tagesablauf und sorgt für die gesunde Ernährung der Kleinen. Nach der Morgenrunde geht sie mit ihnen so oft wie möglich nach draußen zum Naturerleben. Die Kinder können Klettern, Rutschen und Bauen, werden zum Tanzen und Verkleiden ermuntert. Ihnen sollen auch die vielen schönen Momente des Tages bewusst werden. „Ich biete einen besonderen Raum, in dem sie sich wohlfühlen und wachsen können.“
Aus ihrer Grundhaltung heraus unterstützt sie kleine und große Menschen: „Ich begleite aus dem Herzen heraus, geführt von meiner Intuition, tiefem Wissen und einem großen Schatz an Erfahrungen.“ Dazu gehört auch ihr Engagement als „Doula,“ als nichtmedizinische Helferin, die einer werdenden Mutter vor, während und nach der Geburt emotional und körperlich zur Seite steht. Denn „die Geburt eines Kindes ist so viel mehr als nur ein physischer Akt. Ich sehe alle die in diesem Bereich tätig sind, auch als Begleiterinnen für die Seele.“
Foto:
© Hanswerner Kruse
(Am Besuchstag sind nicht alle Kinder da bzw. sollen nicht mit aufs Bild)
Tagesmütter sind keine Babysitter
Bisherige Berichte über Tagesmütter im Weltexpresso