SZ gropiusAlma Mahler-Werfel: Femme fatale und unheilbare Antisemitin, Teil 6

Elvira Grözinger


Berlin (Weltexpresso) - Als Gropius im Frühjahr 1913 Kokoschkas Doppelbildnis auf der Ausstellung der Berliner Secession sah, welches das Paar eng umschlungen und sich die Hände wie zu einer Verlobung reichend dargestellt sah, war er schockiert. Alma, seine Eifersucht kennend, hatte ihm in ihren Briefen das bereits über ein Jahr dauernde Verhältnis verheimlicht. Er hörte daraufhin auf, ihr zu schreiben. Kokoschka wusste auch nicht, dass Alma jedoch wieder im Briefkontakt mit Gropius stand, zu dem sie auch wieder den Kontakt aufgenommen hatte, und ihm schrieb: „Ich werde vielleicht heiraten - Oskar Kokoschka, ein unseren Seelen vertrauter, mit Dir aber bleibe ich durch Ewigkeit verbunden. Schreibe mir, ob Du lebst – und ob dieses Leben des Lebens wert ist.“


Alma konnte sehr verletzend sein und hatte Kokoschka als „Schlappschwanz“ oder „verjudet“ beschimpft. Sie reiste dann Mitte Februar 1915 zu Walter Gropius nach Berlin, der Soldat war. Er stellte sie wegen ihrer Beziehung mit Kokoschka zur Rede und die Liebe flammte wieder auf, da Gropius sich zudem als leidenschaftlicher Eroberer entpuppte. Zurück in Wien, schrieb sie ihm: „Klar steht vor mir – als Lebenswunsch – Dein Eigentum für immer, Deine Gattin zu werden.“ Es waren die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit, dass für sie, nach der skandalumwitterten Liaison mit Kokoschka, eine bürgerliche Heirat, auch mit einem mehrere Jahre jüngeren Mann, zur Reputationsrettung angebracht war. Der Auslöser war die Veröffentlichung eines satirischen Buches über die Wiener Gesellschaft des jüdischen Schriftstellers Peter Altenberg (1859-1919), der darin Alma böse porträtiert hat, als sie „in tiefer Trauerkleidung im Goldenen Prunksaale“ einer Aufführung der „Kindertotenlieder“ Gustav Mahlers beiwohnte. Altenberg, so Hilmes, „beschreibt mit der Rücksichtslosigkeit eines Satirikers die Verlogenheit, die falsche Grandezza der Szene und entlarvt die Posenhaftigkeit, mit der Alma sich als trauende Witwe präsentierte.“ Alma war außer sich vor Wut und der zu Rate zugezogene Kammerer wollte gar gegen Altenberg eine Pressekampagne starten, wozu es aber nicht kam, weil der S. Fischer Verlag in späteren Auflagen auf das despektierliche Porträt zu verzichten versprach. Alma hatte immer wieder mächtige Unterstützer, die ihr bei Schwierigkeiten heraushalfen. Sie beschuldigte auch Kokoschka zu Unrecht, hinter der Satire zu stehen, was dieser heftig, aber vergeblich bestritt und ihr versicherte, „dass ich den alten Juden [Altenberg] seit 4-5 Jahren nicht mehr gesehen und auch vorher nicht zu meinen Freunden gezählt habe.“

Gropius war ein attraktiver Mann und kein Jude, was ihn für sie besonders anziehend machte. Aber Alma war wie immer unentschlossen und fiel unvermittelt von der Höhe pathetischer Liebesbekundungen schnell in die Niederungen von Hass und Verachtung. Gropius‘ Eifersucht war befremdend: „Seine Eifersucht auf O.K.ist grenzenlos! So viel arische Rücksichtslosigkeit könnte ich höchsten in meiner Nähe mit Magie paaren, um ertragen werden zu können; aber gepaart mit Philistertum entbehrt sie jeglicher Begründung. […] Ich hasse seine Existenz! Ich liebe… hasse… liebe… hasse“. Alma betrachtete sich selbst als „heiß“, Gropius aber als „lau“ und „fad“ und ihre unterschiedlichen Temperamente waren mit der Grund für das Scheitern auch dieser Ehe. Aber auch ihre Gefühlsaufwallungen, ihre Launenhaftigkeit und Unberechenbarkeit, die vielleicht die Künstler in ihrer Umgebung nicht so störten, haben einen etwas drögen, ordentlichen Architekten auf Dauer ermüdet. Gropius hegte für sie aber wahrscheinlich eine starke Zuneigung, während sie sich ihre nur einbildete. Wie bei Mahler, dessen Musik sie nicht verstand und nicht mochte, konnte sie mit Gropius‘ schlichten, klaren Bauten nichts anfangen. Sie war „das elitäre Kind der üppigen Makart-Ära“ und schrieb rückblickend: „Allerdings auch seine Aufgabe interessierte mich nicht genug, und ich hatte zu wenig Interesse für seine architektonisch-menschlichen Ziele.“ Wieder hatte sie aber gewollt, als sie am 18. August 1915 während eines Fronturlaubs heimlich geheiratet haben, „diesen edlen Menschen glücklich machen“.

Doch erneut wiederholte sie alsbald ihr erprobtes Verhalten, den Männern, mit denen sie lebte, ihre Familien schlecht zu machen und ließ Gropius wissen, die Ehe mit ihm bedeutete für sie einen sozialen Abstieg. Dass Gropius als Bauhaus-Mitschöpfer später zu den weltberühmtesten Architekten der Moderne wie Mies van der Rohe, Le Corbusier und Frank Lloyd Wright gehören würde, konnte sie damals nicht ahnen, als sie voller Hochmut arrogant schrieb: „Er solle seiner Mutter ruhig einmal sagen, daß die Thüren der ganzen Welt, die dem Namen Mahler offenstehen, zufliegen vor dem ganz unbekannten Namen Gropius. Ob sie vielleicht einmal daran gedacht hat, was ich mit aufgab“. Er sollte auch seiner Mutter, deren Abneigung ihr gegenüber Alma deutlich spürte und deren Mann Geheimrat war, auch mitteilen, „wie 1000weise die Geheimräthe herumspazieren – daß es aber nur einen Gustav Mahler gegeben hat und daß es auch nur eine - Alma - gibt“. Als aber Alma am 5. Oktober 1916 ihre Tochter, die nach der Schwiegermutter Manon genannt wurde, geboren hatte, war das Eis gebrochen und die beiden Frauen kamen sich etwas näher. Alma war stolz, endlich eine kleine Arierin und kein „degeneriertes Judenkind“ zur Welt gebracht zu haben.

Aber auch diese Ehe funktionierte leider nicht. Während ihr Mann an der Front kämpfte, täglichen Horror erlebte und in Lebensgefahr schwebte, machte ihm Alma Vorwürfe, dass er sie allein lässt. Sorge hatte sie keine um ihn, sah nur sich selbst: „Meine Empfindung für Walter Gropius war einer müden Dämmerehe gewichen. Man kann keine Ehe auf Distanz führen.“ Wenn von ihm von der Front einige Tage keine Post kam, machte sie ihm eine Szene, er würde sie betrügen und drohte mit Revanche! Ihre Selbstsucht, ja Dummheit, die sie in dieser Situation an den Tag legte, ist unbegreiflich und unerträglich. Zu Weihnachten 1917 weilte ihr Mann auf Fronturlaub zu Hause und sie war wieder schwanger. Was er aber nicht wußte, war, dass am 15. November 1917 Alma die Bekanntschaft eines elf Jahre jüngeren Juden und Dichters, Franz Werfel (1890-1945), gemacht hat. Alma sah in ihm wieder ihren Lieblingstyp, einen kleinen, beschützenswerten Mann, ein weiteres „Mannkind“. Über ihre Ehe schrieb sie bald nach der Begegnung mit Werfel: „Dieses Zurückkommen hatte mir die volle Erkenntnis gegeben, dass meine Liebe zu Walter Gropius für immer verschwunden war. Ja – mehr noch – meine jetzigen Gefühle glichen einem gelangweilten Hass.“ Sie wartete nicht lange und wusste nun nicht, ob das Kind von Gropius oder von Werfel war, wie sie vermutet hatte. Nach einer stürmischen Liebes-Nacht mit Werfel der hochschwangeren Alma kam am 2. August 1918 als Frühgeburt der kleine Sohn auf die Welt. Gropius hörte ein Telefonat zwischen den beiden ab, in dem es um den Namen des Kindes ging, war aber ein Gentleman und verhielt sich nobel zu Werfel wie einst Mahler es ihm gegenüber tat. Aber es kamen bei Gropius dennoch antisemitische Untertöne der Verbitterung hinzu, dass ausgerechnet ein Jude ihm seine Frau ausspannen konnte. Er wusste nicht, dass sie während seiner Abwesenheit, wie es ihre Gewohnheit war, ihr gesellschaftliches Leben in Wien fortsetzte und sogar – 36 jährig, wieder einen Flirt diesmal mit dem Juristen und Schriftsteller Albert von Trentini hatte. Sie schrieb, als dieser eingezogen wurde: sie „fühlte sie sich wie befreit, denn Walter war in jener Zeit verblasst in mir.“

Als der traumatisierte und von einer schweren Verwundung genesene Gropius nach Kriegsende heimkehrte und sich zurückzog, wandte sich Alma ganz dem fröhlichen und geistreichen Werfel zu. Gropius‘ Arbeit wurde in der Nachkriegszeit immer wichtiger, in Weimar hat er sein Bauhaus und eine Lebensaufgabe gefunden, seine Ehe wurde aber immer zerrütteter, die Scheidung und die Sorgenrechtsfrage für Manon folgten. Alma und Gropius lebten in verschiedenen Welten, ihre Charaktere waren unvereinbar. Werfel trat an seine Stelle, aber als sie seine revolutionären Umtriebe, seine Freunde von der „Roten Garde“ und seine Lebensumstände kennengelernt hatte, hatte auch bei ihr zu einer Desillusionierung geführt, die die Verbindung der beiden fortan bestimmen sollte. Martin, das Baby, wurde krank und bekam eine Gehirnwassersucht, die die Ärzte nicht in den Griff bekamen. Alma entwickelte eine plötzliche Abneigung gegen Werfel, der sich rührend um sie beide kümmerte: „Die plötzliche Erkenntnis, dass Werfel aus meinem Leben verschwinden muss, dass er die Quelle meines Unglücks ist.“ Sie machte die angebliche Minderwertigkeit der jüdischen Rasse und „seinen verkommenen Samen“ für die Erkrankung des Kindes verantwortlich. Sie schwankte erneut, wie schon oft zuvor, zwischen zwei Männern – Gropius und Werfel. Damals hat sich auch noch Oskar Kokoschka gemeldet, dass er sie nach wie vor liebte, was in Alma wieder Gefühlsregungen ihm gegenüber brachte. Allerdings hatte sie inzwischen von Kokoschkas Puppe und sonderbare Geschichten über ihn gehört und Alma verbannte ihn aus ihren Gedanken. Werfel stand bereit: „Tief verbunden bin ich mit Franz. Wie lieben uns furchtbar stark, hassen leidenschaftlich. Wir quälen uns auch, sind aber doch glücklich.“

Als Alma mit Manon in Weimar bei Gropius zu Besuch war, starb ihr kleiner Sohn am 15. Mai 1919 in ihrer Abwesenheit, aber sie brach ihre Deutschland-Reise nicht ab, kehrte erst Mitte Juni zurück und erwähnte ihn niemals und nirgends. Ihre Gefühlskälte sowohl nach dem Tod ihrer Tochter Maria und nun des Sohnes ist schwer zu begreifen. Nach ihrer Rückkehr wollte sie die Ehe mit Gropius endgültig beenden: „Was geht mich der elegante Herr mit den hellen Gamaschen an, der mir zufällig angetraut ist? Ich bin nicht Gropius und so kann ich auch nicht Gropius heißen. Mein Name ist Mahler in alle Ewigkeit.“ An Gropius war das Ganze nicht spurlos vorübergegangen und er schrieb an Alma am 18. Juli 1919: “Unsere Ehe war niemals eine Ehe. Die Frau fehlte in ihr. Eine kurze Zeit warst Du mir herrliche Geliebte und dann gingst Du fort, ohne die Krankheit meiner Kriegsverdorrung mit Liebe und Milde und Vertrauen überdauern zu können – das wäre aber eine Ehe gewesen.“ Am 11. Oktober 1920 wurden die beiden geschieden, mit Hilfe einer Farce: Gropius nahm nach der damaligen Rechtslage die Schuld der Untreue auf sich, eine arrangierte Szene mit einer Prostituierten in einem Hotelzimmer, bei der er in flagranti „erwischt“ wurde diente als „Beweis“ und Alma durfte das Sorgerecht für Manon behalten. Sie, versprach zwar, ihn mit ihr öfter zu besuchen, was sie aber nicht eigehalten hat.

1934 erkrankte Manon, genannt Mutzi, in Venedig an Kinderlähmung, genas nicht mehr davon und starb am Ostermontag 1935, erst 18jährig. Ihre Beerdigung wurde zu einem Wiener gesellschaftlichen Ereignis, mit der Anteilnahme des mit der Familie befreundeten österreichischen Kanzlers Kurt von Schuschnigg, der sich mit Benito Mussolini bestens verstand. Elias Canetti und Alban Berg, der 1925 Alma seine Oper „Wozzeck“ gewidmet hatte, komponierte für Manon ein Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“. Alma hatte 1958 die erste, englischsprachige Fassung ihrer Autobiographie And the Bridge is Love veröffentlicht und Gropius war wütend, darin die falsche Darstellung ihrer ersten gemeinsamen Ehejahre zu finden: „Die Liebesgeschichte, die Du in dem Buch mit meinem Namen verbindest, ist nicht die unsrige. Die Erinnerung an Mutzi hätte Dich davon abhalten sollen, unserem Erlebnis den wesentlichen Inhalt zu nehmen, und dessen literarische Bloßstellung muss auch in mir die Blüten der Erinnerung abtöten. Der Rest ist Schweigen.“

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