Alma Mahler-Werfel: Femme fatale und unheilbare Antisemitin, Teil 7
Elvira Grözinger
Berlin (Weltexpresso) - Seit 1919 war Alma mit dem 11 Jahre jüngeren Werfel, der auch mit dem Prager Kreis verbunden war, liiert aber nicht verheiratet. Die Hochzeit holten sie erst, auf sein Drängen hin, zehn Jahre später am 7. August 1929 nach. Sie fand seine sexuellen Vorlieben pervers und klagte, ganz im Geist des 19. Jahrhunderts, „Er hat sich sicher etwas zu Grunde gerichtet durch wahnsinniges Onanieren – bis er mich kennenlernte. Von seinem 10. Jahre an war es täglich bis zu drei malen geschehen. Dadurch ist er auch vielfach müde und zerschlagen und seine Zellen sind morbid.“
Almas Biographen weisen auf die Diskrepanz hin zwischen ihrem ausschweifenden Männerverbrauch einerseits und ihrer puritanischen Einstellung zum Sex. Werfel war ihr aber wie Mahler verfallen, was seine Umgebung, einschließlich der Stieftochter Anna mit „Werfel, der Arme“ kommentierte. Alma, seine „Mittagsgöttin“, war seine Domina, Einpeitscherin und darauf erpicht, sein Talent nicht in Kaffeehäusern oder linken Demonstrationen zu vergeuden. Werfel, dessen Popularität seit den 1920er Jahren stetig wuchs und bis zur Emigration einer der meist gelesenen Schriftsteller war, brauchte sie für die Disziplinierung, denn sie spornte ihn zum Arbeiten an. Nebenher arbeitete sie weiter am eigenen Ruhm als Witwe von Gustav Mahler. Werfel konnte sich nicht von ihr befreien, wiewohl sie, als notorische Antisemitin und Hitlerverehrerin, ihm durch ihren Judenhass das Leben schwer machte. 1924 plante sie, wie erwähnt, die Veröffentlichung ihrer Memoiren Mein Leben mit Gustav Mahler, was aber wegen der noch lebenden, von ihr negativ dargestellten, Personen zu riskant war. Sie weigerte sich, es zu redigieren und das Buch erschien deswegen erst 16 Jahre später.
Almas und Werfels gemeinsame Reise in den Orient fand 1925 statt – nach Ägypten und Palästina, wo Almas offener Judenhass – ihre Hetze gegen das orthodoxe Judentum und die Zionisten -, zu Konflikten zwischen ihnen führte. 1926 wurde Werfel mit dem Grillparzer-Preis ausgezeichnet und Alma konnte sich nun mit einer weiteren Berühmtheit in ihrem Leben schmücken. Elias Canetti, der von Alma verschmähte Verehrer ihrer Tochter Anna, beschrieb in seiner Autobiographie Das Augenspiel die Gattin des Freundes nicht schmeichelhaft: Beschwipst sei Alma gewesen, unförmig und gar nicht schön, glasige Augen habe sie gehabt, taktlos habe sie auf Kosten ihrer Tochter Anna die Schönheit der „reinrassigen“ Manon gelobt, triumphierend habe sie ihre Trophäen präsentiert, neben Manon auch ein Porträt, das Kokoschka von ihr gemalt hatte, dazu eine Vitrine, das Autograph von Mahlers Skizzen zur Zehnten Symphonie, eben jene Skizzen mit den hingekritzelten Ausrufen seines Liebesschmerzes, als er von ihrem Verrat mit Gropius erfahren hatte. Das alles war in ihrer Prachtvilla auf der hohen Warte in Wien, in der sich Werfel nicht wohl fühlte, wo sich aber in den Jahren 1933-1937 sowohl Hitler-Anhänger trafen als auch seine Gegner. Anna erzählte über ihre Mutter, dass sie heimlich ein NS-Abzeichen trug.
Werfel wurde auch in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen, allerdings nur bis zur Machtübernahme durch das NS-Regime, denn schon im Frühjahr 1933 wurde er auf Betreiben von Gottfried Benn (sic!) ausgeschlossen. Während des Spanischen Bürgerkriegs herrschte ein solcher auch in der Ehe, denn während Werfel wie die meisten Intellektuellen auf der Seite der Republikaner stand, war Alma eine unverbrüchliche Franco-Anhängerin. Nach dem „Anschluß“ 1938 kehrten Alma und Werfel, die schon seit dem Winter 1937 im Ausland weilten, nicht mehr nach Österreich zurück. Im Zentrum der deutschen Emigration im südfranzösischen Sanary-sur-Mer lebten sie bis zur Besetzung Frankreichs und 1940 flüchteten sie nach Lourdes. Dort gelobte Werfel, falls er gerettet werden würde, ein Buch über die heilige Bernadette zu schreiben. Es wurde eines seiner bekanntesten Werke. Die abenteuerliche Flucht zu Fuß über die Pyrenäen nach Spanien und weiter nach Portugal gelang. Von dort reisten sie in die USA. Ein Jahr später erhielt Werfel die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Alma begleitete ihren Mann ins Exil, aber beschimpfte ihn ständig und machte ihm Vorwürfe, dass sie nur wegen seines Judeseins Wien verlassen musste. Auf ihrer Londoner Station klagte sie: „Hier in London kein deutsches Buch… kein Klavier… keine deutsch sprechenden Menschen, eine unbedingt kalte Stadt.“ Als sie dann in Paris eintrafen, schrieb sie in ihrem Tagebuch „Es ist zu Verzweifeln. Wir reden nach 20jähriger Ehe zwei Sprachen. Keines versteht das Andere. Die Rassenfremdheit ist unüberbrückbar.“
Im amerikanischen Exil nannte Alma störrisch die „Gerüchte“ über deutsche Konzentrationslager nur „Greuelpropaganda“. Sie beleidigte und brüskierte Werfels Freunde und andere Emigranten und provozierte mit ausfallenden Bemerkungen über Juden und zustimmenden Kommentaren zur Politik Hitlers einmal beinahe einen Herzanfall des schwer herzkranken Gatten, was sie aber kalt ließ. Sie war damals schon eine Alkoholikerin, was wohl ihre Diskussionsunfähigkeit und ihren Starrsinn verstärkte. 1943 wurde Werfels Angina Pectoris schlimmer und am 26. August 1945 starb er, erst 54 Jahre alt, an einem Herzinfarkt. Er wurde in Beverley Hills beerdigt, 1975 wurde er auf Initiative des Wiener Kulturamts und der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof umgebettet. Die Ehe mit Alma war, wie Claire Goll bissig, aber richtig urteilte, besonders für Herzkranke gefährlich, aber diese hielt immerhin über 25 Jahre.
Fortsetzung folgt
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