Eine Kooperation der GOETHE-UNIVERSITÄT und des STÄDEL MUSEUMS starten MEDIZINISCHES PILOTPROJEKT FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ
Eric Fischling
Frankfurt am Main, (Weltexpresso) - Das Städel Museum und der Arbeitsbereich Altersmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main haben ein medizinisches Pilotprojekt für Menschen mit Demenz gestartet.
ARTEMIS (ART Encounters: a Museum Intervention Study) ist die erste umfassende wissenschaftliche Studie zur interaktiven Kunstvermittlung und den therapeutischen Potenzialen von Kunsttherapie bei Demenz im deutschsprachigen Raum. Im Rahmen des Projekts wird untersucht, welchen Beitrag regelmäßige Museumsbesuche und die interaktive Beschäftigung mit Kunst leisten können, um das emotionale Wohlbefinden und das Kommunikationsverhalten von Menschen mit leichter bis mittelgradiger Demenz zu steigern und die Beziehung zu ihren betreuenden Angehörigen zu verbessern. Zudem soll auf diese Weise Menschen mit Demenz und ihren durch die Pflege eingebundenen Angehörigen ein Stück gesellschaftliche Teilhabe und soziale Integration ermöglicht werden.
Das durch die Familie Schambach-Stiftung geförderte Projekt wurde am Montag gemeinsam von Prof. Dr. Johannes Pantel, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt, dem Frankfurter Oberbürgermeister und Schirmherrn des Projekts, Peter Feldmann, Städel-Direktor Max Hollein sowie Dr. med. Hansjörg Werner, Vorstandsmitglied der Familie Schambach-Stiftung, im Städel Museum vorgestellt.
„Die Begegnung mit Kunst ist Teil unserer Kultur. Dass Menschen mit Demenz in vielerlei Hinsicht hiervon profitieren können, scheint erst einmal intuitiv richtig. Bislang steht der wissenschaftliche Nachweis allerdings noch aus. Dieser ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für eine breite Anwendung und soll durch das ARTEMIS-Projekt erstmalig erbracht werden“, so Pantel.
Peter Feldmann, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, hat die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. „Ich freue mich sehr, dass die Umsetzung des Projekts ARTEMIS in Frankfurt realisiert werden kann und dass das Städel als Kooperationspartner gewonnen werden konnte. In unserer Stadt leben viele Menschen mit Demenz, und dieses Projekt stellt eine enorme Bereicherung dar. Durch die Teilnahme am Projekt können Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen positive Erfahrungen machen und auch persönliche Entlastung erfahren. Darüber hinaus leisten sie auch einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung. Ich hoffe, dass wir das Projekt nachhaltig in die Frankfurter Museumskultur integrieren können und so vielen Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern, die von Demenz betroffen sind, über die Projektdauer hinaus einen Zugang zur Kultur ermöglichen können“, sagt Feldmann.
„Wir freuen uns ausgesprochen darüber, kultureller Kooperationspartner dieses wichtigen Projekts zu sein. Das Städel Museum bietet bereits ein breit gefächertes, sehr differenziertes Vermittlungsangebot für verschiedenste Besuchergruppen. Nun können wir auch Menschen mit Demenzerkrankungen und ihren Angehörigen besondere Kunsterlebnisse ermöglichen“, führt Hollein aus.
Gefördert wird das Projekt durch die Familie Schambach-Stiftung. „Die Familie Schambach-Stiftung fördert das Projekt, weil die Förderung regionaler Projekte auf dem Gebiet der Altersforschung ein wichtiger Teil des Stiftungszwecks ist, und weil gerade auf dem Gebiet der Demenzforschung hoher Forschungsbedarf besteht. Das Bedeutsame an diesem Projekt ist, dass nicht die Defizite der Menschen mit Demenz im Vordergrund stehen. ARTEMIS hat zum Ziel, durch Kunstbetrachtung die erhaltenen Fähigkeiten der Menschen mit Demenz zu wecken, zu fördern und Teilnehmer zu eigener Kreativität anzuregen“, so Werner.
Das Projekt ist für die Dauer von zwei Jahren angelegt. Der Auftakt fand im Oktober 2014 statt. Zwei Teilnehmergruppen, bestehend aus insgesamt sieben Demenzpatienten und je einem begleitenden Angehörigen, nehmen seitdem an etwa einstündigen thematischen Führungen durch speziell geschulte Kunstvermittler des Museums teil. Im Anschluss daran wird in den Städel Atelierräumen kreativ gearbeitet. Für das Jahr 2015 sind weitere Durchführungen geplant, für die noch Teilnehmer gesucht werden. Die Teilnahme an der Studie ist für die Studienteilnehmer kostenfrei und setzt keine künstlerische Begabung voraus. Bewusst werden verschiedene künstlerische Techniken in die Atelierarbeit aufgenommen: Collagen, Malerei, einfache Drucktechniken und Arbeiten mit Ton. Die Aufgaben sind so angelegt, dass die an Demenz erkrankte Person und ihr Begleiter miteinander in einen kreativen Austausch treten können.
Durch kreativ-therapeutische Ansätze wie Kunst- oder Musiktherapie können noch vorhandene kommunikative Potenziale gefördert und alternative Zugangswege zur Erlebniswelt von Menschen mit Demenz erschlossen werden. Für die Musiktherapie gibt es inzwischen eindeutige Wirksamkeitsbelege, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung des situativen Wohlbefindens und bestimmter Kommunikationsaspekte der Betroffenen. Für die Kunsttherapie stehen solche Beweise noch aus. Dies inspirierte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Johannes Pantel, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt, zu dem wissenschaftlich begleiteten ARTEMIS-Projekt.
Das ARTEMIS-Projekt ist die erste randomisierte und kontrollierte Studie zum Einfluss von Museumsbesuchen und künstlerischer Betätigung auf das emotionale Befinden von Menschen mit Demenz. Vor und nach dem Museumsbesuch werden in einer Kurzbefragung Daten zur Stimmung und zum Gedächtnis der Menschen mit Demenz erhoben. Die Studie vergleicht erstmals mithilfe einer Interventionsgruppe und einer Kontrollgruppe die Auswirkungen der interaktiven Auseinandersetzung mit Kunst im demenziellen Kontext. Die Zuteilung zu einer von beiden Gruppen erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Die Teilnehmer in der Kontrollgruppe erhalten ebenfalls die Gelegenheit zu wöchentlichen Besuchen im Städel Museum, allerdings ohne Kunstführungen und anschließende Atelierarbeit.
Zusätzlich zu Standardtests, die in beiden Gruppen den Verlauf der Demenzerkrankung dokumentieren, ermitteln die Forscher auch die Belastung der Angehörigen, die Beziehung zwischen ihnen und den Erkrankten, Veränderungen der Lebensqualität und die Sicht auf die Zukunft. Mithilfe von Videoaufzeichnungen, die während der Atelierarbeit gemacht werden, soll das gemeinsame kreative Arbeiten einzelner Teilnehmer dokumentiert werden. Das streng vertraulich behandelte Videomaterial wird mit dem methodischen Ansatz der Zeitreihenanalyse ausgewertet. Dabei wird jedes Video in kurze Zeitsequenzen unterteilt, die von geschulten Beobachtern mit Blick auf die Kommunikationsfähigkeit, das Wohlbefinden und das emotionale Ausdrucksverhalten der gefilmten Personen ausgewertet werden. Anschließend werden Trendverläufe berechnet und Interventionseffekte nachgewiesen. Für das Jahr 2015 werden noch Projektteilnehmer gesucht.
Anmeldung und Informationen zum Projekt: Dr. Valentina Tesky und Dipl.-Psych. Arthur Schall M. A., Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Arbeitsbereich Altersmedizin,