in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin im November 2014

 

Udo Dittmann und Redaktion

 

Berlin (Weltexpresso) - Leider gelangte der folgende Bericht einer von über 400 Personen besuchten Veranstaltung am 18. November in Berlin erst jetzt in unsere Hände. Kein Wunder, denn die Presse war unsinniger Weise zu dieser Veranstaltung über den großen Juristen und Hessischen Generalstaatsanwalt nicht eingeladen worden. Warum eigentlich nicht?

 

So sind wir froh, daß Udo Dittmann aus Braunschweig in Berlin war und in einem ausführlichen Bericht diese in Wort und Film wohl geglückte Erinnerung an Fritz Bauer, die die LVBW in ihren Räumen durchführte, überliefert, schon deshalb froh, weil wir nun in Hessen anfragen können, wo eine derartige Veranstaltung für Hessen geplant ist, denn Fritz Bauer wird seit dem Film FRITZ BAUER- TOD AUF RATEN von Ilona Ziok immer mehr dem Vergessen entrissen, was in diesen Tagen, wo sich am Dienstag, 27. Januar, die Befreiung von Auschwitz das siebzigste Mal jährt, dem Initiator der Auschwitz Prozesse besonders zusteht.

 

Ein Wort noch zum Autor. Udo Dittmann ist der Vorsitzende des FRITZ BAUER FREUNDESKREISES aus Braunschweig, der Stadt, in die Fritz Bauer nach seinem Exil zurückkehrte, weil er dort bald darauf das Amt des Generalstaatsanwalts von Braunschweig ausüben konnte. In dieser Funktion führte er 1952 den sogenannten Remer-Prozeß gegen den Mann, der sich als Adlatus von Hitler gegen die Aufständischen des 20. Juli gestellt hatte und diese auch in der Nachkriegszeit als Landesverräter, die den Tod verdient hatten, verleumdete. Daß bis dato jede Nazi-Witwe Rente bezog, nicht aber die Witwen der Attentäter, gehört auch zu den Ungeheuerlichkeiten der Nachkriegszeit.

 

Fritz Bauer gelang es, in diesem Prozeß vor dem Braunschweiger Landgericht, daß Remer wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, wobei der notwendige und deshalb rechtlich erlaubte Tyrannenmord der Antike ein Ansatzpunkt war, den Bauer darüberhinaus direkt aus dem germanischen Rechtshandeln entwickeln konnte und das Dritte Reich zum Unrechtsstaat wurde.

 

Der Braunschweiger Fritz Bauer Freundeskreis setzt sich unter seinem Vorsitzenden Udo Dittmann nicht nur für die Erinnerung an den großen Juristen und Pädagogen Fritz Bauer ein, sondern materialisiert diese auch. So gibt es in Braunschweig längst einen Fritz Bauer Platz, der in prominenter Lage an den Domplatz anschließt und genau vor der Generalstaatsanwaltschaft liegt. Das möchte man sich für Frankfurt genauso wünschen, wie die von Udo Dittmann in ständigen Sendungen perfekt aufgearbeiteten Berichte von Veranstaltungen zu Fritz Bauer, Publikationen über ihn u.a.. Auch hieran könnte sich beispielsweise das Frankfurter Fritz Bauer Institut orientieren. Die Redaktion

 

 

Bericht zur Veranstaltung Fritz Bauer – der widerständige Jurist

 

Die Begrüßung und Einführung erfolgte durch Dr. Claus-Peter Clostermeyer (Ministerialdirigent in der Landesvertretung Baden-Württemberg beim Bund). Dieser wies zunächst auf die erste wissenschaftliche Biographie zu Fritz Bauer von Irmtrud Wojak aus dem Jahre 2009 hin. Die Autorin, die zur Zeit in Harvard (USA) ist, übermittelte herzliche Grüße zu dieser Veranstaltung. - Dann habe es den Film von Ilona Ziok über Fritz Bauer gegeben. In diesem Jahr - 2014 - gab es auch eine Fritz Bauer Ausstellung in Frankfurt und zur Zeit sei der Film "Im Labyrinth des Schweigens" im Kino zu sehen, in dem Bauer eine wichtige Rolle spiele.

 

Es läge nun eine "lange Nacht des Fritz Bauer" vor den Gästen, mit Vorträgen von Generalstaatsanwalt E.C. Rautenberg, der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und des Journalisten Christoph Müller-Wirth. Anschließend werde der Film "Fritz Bauer - Tod auf Raten" von Ilona Ziok gezeigt. - Außerdem könne man in der Pause auch noch im Foyer die Fritz Bauer Ausstellung "Jurist aus Leidenschaft" des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasium anschauen. An diesem Gymnasium war nicht nur Fritz Bauer zur Schule gegangen, sondern auch Stauffenberg und Victor Ullmann. Außerdem wollte Clostermeyer auch noch an Georg Elser erinnern, der auf anderer Ebene Bauer auch ganz ähnlich sei.

 

In Berlin gäbe es noch keine Fritz Bauer Straße, anders als in Stuttgart. Dort hatte man seit 2002 zunächst einen Fritz Bauer Weg; inzwischen gibt es aber eine Fritz Bauer Straße, da die ehemalige Treitschke-Straße umbenannt wurde. In Berlin sei man da noch nicht so weit, obwohl es hier auch eine Treitschkestraße gäbe.

 

Er begrüßte dann Frau Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizminsterin a.D., die direkt aus Peking zu der Veranstaltung gekommen sei. Am Nachmittag sei sie erst in Frankfurt gelandet und von dort direkt hierher geeilt, um ihren Vortrag über Fritz Bauer zu halten.

 

Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizminsterin a.D.: "Fritz Bauer - politischer Jurist in schwieriger Zeit"

 

Diese erwiderte, sie sei gern - trotz des weiten Weges - zur Veranstaltung gekommen: eben wegen Fritz Bauer. Sie hatte Bauer noch in den 60iger Jahren persönlich kennengelernt. Damals hatte sie an der FU in Berlin studiert, und für die Studierenden-Gruppe hatte sie Bauer nach Berlin eingeladen. Der sei auch gern gekommen.

 

Sie lobte den Fritz Bauer Film von Ilona Ziok, der nach den Vorträgen in dieser Veranstaltung gezeigt wird. Bauer war bis in die jüngste Zeit vergessen worden, was auch mit seiner damaligen Isolation zu tu habe. Das Wiederentdecken von Bauer sei dann ausgelöst worden durch die Biographie von Irmtrud Wojak im Jahre 2009 und dann durch den Bauer- Film von Ilona Ziok aus dem Jahr 2010. Im weiteren gäbe es auch die Bauer-Ausstellung in Stuttgart, und seit dem letzten Jahr gibt es dort auch den Fritz Bauer Schülerpreis für besonderes soziales Engagement.

 

Bei Bauer seien die beiden Ebenen zu sehen: die persönliche und die berufliche. Beruflich sei er immer wieder gemieden worden. Wie das aussähe, habe sie selber konkret erlebt. Zu der Veranstaltung mit Bauer in der FU wurden auch viele Juristen eingeladen: aber nicht einer war gekommen.

 

Auch persönlich sei er oft angegriffen worden, als "Mann mit der großen Nase" (ein Bezug auf seine jüdische Herkunft) usw. Das alles ging nicht spurlos an ihm vorüber, letztlich wurde er immer bitterer. In der persönlichen Begegnung mit ihm habe sie das auch erfahren, er wirkte gestresst von den vielen Anfeindungen.

 

Und warum wurde er angefeindet? Alle seine Anliegen waren ja berechtigt gewesen. Eine Rolle spielte da sicher seine Meinung, dass mit alten Nazis kein Neuanfang möglich sei.

 

Bauer selbst war schon früh Sozialdemokrat gewesen. Er war in Stuttgart im Freundeskreis von Kurt Schumacher, der damals Redakteur der "Schwäbischen Tagwacht" gewesen sei. 1933 wurde er als Sozialdemokrat verhaftet (das hatte damals noch Vorrang vor seinem "Jude-sein"). Er kam in das KZ Heuberg auf der Schwäbischen Alb und dann ins Garnisonsgefängnis nach Ulm. Später emigrierte er nach Dänemark und 1943 dann nach Schweden.

 

In Schweden schrieb er 1944 das Buch "Die Kriegsverbrecher vor Gericht". Man bekommt es heute noch in Bibliotheken. Die Überlegungen aus dem Buch findet man später auch in anderen Zusammenhängen und Ländern wieder, nicht zuletzt beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

 

Nach dem Krieg kam er 1949 zurück nach Deutschland und wurde in Braunschweig zunächst Direktor des Landgerichts und 1950 Generalstaatsanwalt in Braunschweig. 1952 kam es dann dort zum sogenannten Remer-Prozess. - Remer hatte in zahlreichen Reden, darunter auch in Braunschweig, die Männer des 20. Juli als Landesverräter bezeichnet, er hatte damit viel Aufmerksamkeit und Zustimmung bekommen. Sie selbst kann sich noch selbst etwas an diese Zeit erinnern.

 

Fritz Bauer zog den Prozess an sich und hielt ein großartiges Plädoyer, in dem er auf die Bedeutung des Widerstandsrechtes hinwies. Später wurde das Widerstandsrecht in die deutsche Verfassung aufgenommen - im Rahmen der Notstandsgesetze - aber das hat Bauer nicht mehr persönlich erlebt.

 

Zum Ärger alter Nazis begründete er das Widerstandsrecht ausgerechnet mit alten germanischen Vorstellungen. Während die skandinavischen Länder, England und später auch die USA diese Traditionen beibehalten hätten, hätte man sich in Deutschland vom alten germanischen Widerstandsrecht entfernt.

 

Dann führte Bauer Ermittlungen zur NS-"Euthanasie" durch. Er half dabei, die zentrale Stelle in Ludwigsburg einzurichten und half schließlich bei der Ergreifung von Adolf Eichmann. Das bekannteste aber ist dann der Auschwitz-Prozess. Danach konnte der Holocaust nicht mehr geleugnet werden. Der Prozess sei wichtig dafür gewesen, dass man auch im Ausland Deutschland wieder vertraute.

 

Bauer war wichtig, dass jeder, der in Auschwitz tätig gewesen war, ein Teil des Ganzen war und entsprechend verurteilt werden konnte. Mit dieser Ansicht konnte er sich damals aber nicht durchsetzen. Erst im Prozess 2011 in München gegen Demjanjuk wurde diese Rechtsprechung umgesetzt. Noch steht aber die letzte Entscheidung des BGH dazu aus.

 

Ein weiterer zentraler Bereich war die Rechtsprechung der NS-Juristen, ein sehr heikler Bereich. Die Alliierten hatten 1945 zunächst alle Juristen entlassen. Nur einzelne Juristen galten damals als unbelastet. Schon bald aber war erneut ein hoher Prozentsatz von Juristen mit NS-Vergangenheit wieder in der Justiz tätig, auch am BGH. Es hatte dann die sogenannte "Blutrichter-Kampagne" der DDR gegeben und auch die kritische Ausstellung "Ungesühnte Nazijustiz" von Reinhard Strecker. Schließlich kam es zum Urteil gegen Huppenkothen, was sie persönlich sehr geärgert hatte.

 

Huppenkothen war dafür verantwortlich, dass Dietrich Bonhoeffer noch in den letzten Kriegstagen, am 8.April 1945, gehängt wurde. Huppenkothen (und auch Thorbeck) wurden freigesprochen. Das BGH entschied zunächst dagegen. Beim erneuten Verfahren kam es wieder zum Freispruch, und wieder entschied das BGH dagegen. Schließlich kam es zu einem dritten Urteilsspruch des BGH, in dem es sich dem Freispruch anschloss. Dies war nun endgültig und im Grunde eine Katastrophe. Erst später am Beispiel eines DDR-Richters wurde klargestellt, dass es Unrecht war.

 

Insgesamt sei auch traurig, wie wenig Bauer in juristischen Fakultäten behandelt wird. Er selbst stand hinter dem Grundgesetz, das eigentlich erst ab 1969 als "Sternstunde" der Demokratie bezeichnet wurde. Noch Adenauer entschuldigte sich teilweise dafür. - Bauer setzte sich auch für Gleichberechtigung und für Pressefreiheit ein, z.B. in der Spiegel-Affäre. Nun sei es längst überfällig, dass endlich auch im Spiegel gute Artikel zu Bauer erscheinen.

 

Das Problem in der Bevölkerung sei nicht nur ein Nachwirken des alten NS-Geistes, sondern viele waren nach dem Krieg einfach nur mit dem Aufbau beschäftigt. - Und durch die Sozialdemokratie hätte Bauer mehr Unterstützung benötigt. In Braunschweig hatte er zwar Rückhalt durch Kurt Schumacher und in Frankfurt durch den Ministerpräsident Ernst August Zinn. Selbst mit Adolf Arndt war er befreundet, dem damaligen kritischen Bundestagsabgeordneten der SPD, aber insgesamt hatte er zu wenig Unterstützung gehabt. Bauer kam auch nicht in die große Strafrechtskommission, was sehr schade ist. Bauer wäre auch gern an das Bundesverfassungsgericht gegangen, aber auch daraus wurde nichts. Es sei dann fast eine Gnade gewesen, dass Bauer es selber nicht mehr erlebt hat, wie durch Dreher im Oktober 1968 das Amnestiegesetz für NS-Täter erlassen wurde. Dreher, der in der NS-Zeit am Sondergericht in Innsbruck tätig gewesen war, war Leiter der Großen Strafrechtskommission und zuständig für das Gesetz gewesen. Nachzulesen ist das alles im wunderbaren Buch "Der Fall Collini" von Ferdinand von Schirach, das sie nur empfehlen könne. Es sei auch enorm und unverständlich, dass Dreher nach Bekanntwerden der Auswirkungen des Gesetzes keine Nachteile erlebt habe.

 

Schließlich der Tod von Bauer 1968. Die genauen Umstände seines Todes wurden nicht bis ins letzte aufgeklärt.

 

Insgesamt war Bauer ein großer Jurist und Sozialdemokrat, auch ein gutes Vorbild für andere. Inzwischen wird er auch an seinem früheren Gymnasium in Stuttgart wieder gewürdigt. Dort gibt es jetzt den Fritz Bauer Schülerpreis für besonderes soziales Engagement und in der Eingangshalle über der Treppe sei der Spruch von ihm angebracht:

 

"Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, dass sie nicht zur Hölle wird."

 

 

Prof. Dr. Erardo C. Rautenberg (Generalstaatsanwalt von Brandenburg): "Fritz Bauers Auseinandersetzung mit dem NS- Unrecht."

 

Es ist die große Frage, weshalb Bauer vergessen wurde. Nur in Hessen wurde noch etwas an ihn erinnert. Schließlich kam der Film von Ilona Ziok "Fritz Bauer- Tod auf Raten" von da an veränderte sich viel in der Wahrnehmung zu Bauer. -

 

In Braunschweig gibt es jetzt immerhin in der Innenstadt einen Fritz Bauer Platz - direkt vor der Generalstaatsanwaltschaft. Dort ist auch an der Außenwand (wie auch in Frankfurt) der Generalstaatsanwaltschaft der Spruch angebracht "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Für Berlin ist er sehr skeptisch, ob hier eine Straße nach Bauer benannt wird. Er selber hatte einmal den Vorschlag gemacht, eine Straße nach Erzberger zu benennen und dann erlebt, wie starke Widerstände es gegeben habe.

 

Er erlebe jetzt auch, wie in dem Rosenburg-Projekt die Vergangenheit des Justizministeriums erforscht wird. In der Rosenburg bei Bonn war lange Zeit das Bundesjustizministerium untergebracht - dort gab es viele Richter mit NS-Vergangenheit. Im Oktober 2014 fand das 4.Rosenburg- Symposium statt, auf dem über weitere Nachforschungen berichtet wurde.

 

Dann war in diesem Jahr auch der 70. deutsche Juristentag, auf dem Bauer ausdrücklich erwähnt wurde. Bauer war wohl der bedeutendste Generalstaatsanwalt der Bundesrepublik gewesen. Bei dem Treffen der Generalstaatsanwälte meldete sich Bauer damals regelmäßig zu Wort - in den Protokollen kann man das noch nachlesen. Dort fällt auf, dass er zunächst auch noch ohne Doktortitel erscheint, wohl weil er Jude war und der Doktortitel ihm deshalb von den Nazis aberkannt worden war. Erst später wurde das geändert.

 

Eine zentrale Rolle spielte für Bauer der Remer-Prozess von 1952 in Braunschweig. Dort erklärte er den NS-Staat zum Unrechtsstaat. Heute gibt es wieder diese Frage bezüglich der DDR. Es gibt verschiedene Interpretationen des Begriffes, aber Bauer verwendete ihn sehr differenziert. Für ihn war auch das faschistische Italien kein Unrechtsstaat, weil es dort nicht um das Ausmerzen eines Feindes ging, sehr wohl aber die stalinistische Sowjetunion, wo politische Gegner massenweise getötet wurden bzw. wo es um das Ausmerzen des politischen Gegners ging.

 

Bauer war es bei den Prozessen nicht um die Höhe der Strafe gegangen, sondern um das Bewusstwerden der Verbrechen. Ihm, Rautenberg, sei noch gut in Erinnerung, wie sein Vater erzählt habe, er hätte geglaubt, dass Auschwitz nur Propaganda der Alliierten gewesen sei, bis er dann einsehen musste, dass es wirklich so gewesen sei.

 

Bauer wollte, dass jeder der Tatbeteiligten in Auschwitz zur Rechenschaft gezogen wird. Im Auschwitz-Prozess konnte sich jedoch seine Ansicht nicht durchsetzen. Erst heute - durch den Prozess gegen Demjanjuk in München im Jahre 2011 - sei Bauers Idee zum Durchbruch gekommen. Leider zu spät, da Nachfolgeprozesse kaum noch möglich sind, weil fast alle Beteiligten inzwischen verstorben sind.

 

Im weiteren hatte Bauer auch für die Ergreifung Eichmanns gesorgt. Allerdings wollte er auch eine Auslieferung Eichmanns an Deutschland, was aber noch am selben Tag von der deutschen Regierung abgelehnt wurde.

 

Dann führte er auch die Ermittlungen zur NS-"Euthanasie" durch. Das Ergebnis war katastrophal, wie Irmtrud Wojak in ihrer Bauer-Biographie berichtet: Nur vier der Hauptangeklagten wurden verurteilt.

 

Die Rechtsprechung des BGH fand Bauer problematisch. Er meinte dazu, es sei ein "ständischer Schutzwall" errichtet worden, um die Täter zu schützen.

 

Bauer brachte seine Ansichten auch in die Versammlungen der Generalstaatsanwälte ein, z.B. zu den Sondergerichten. Insgesamt sei Bauer eine "Gallionsfigur" der deutschen Strafjustiz gewesen.

 

Bis in die 60iger Jahre hinein waren solche Prozesse eine Gefahr für ehemalige NS-Juristen gewesen. Später, ab den 1970er Jahren, war es dagegen sogar eher eine Karrierechance.

 

Eine wichtige Schrift von Bauer sei der Text "Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns" gewesen. Die Schrift ging auf eine Rede vor dem Landesjugendring in Rheinland-Pfalz im Jahre 1960 zurück; sie erschien dann als kleines Büchlein im Jahre 1965. Es sei die öffentlichkeitswirksamste Schrift von Bauer gewesen. Bauer kritisierte darin den deutschen Hang zu Gehorsam und Autorität, zu Über- und Unterordnung. Anders als die skandinavischen und angelsächsischen Länder hätte sich Deutschland vom germanischen Erbe gelöst, in dem das Widerstandsrecht eine große Rolle gespielt habe (z.B. in der Edda, im Sachsenspiegel usw.). Deutschland habe dann die weströmische Tradition aufgenommen, wie in anderer Form die Russen an der oströmischen Tradition angeknüpft hatten, so dass es dann später zu entsprechenden totalitären Systemen bzw. Staaten komme konnte.

 

Zuletzt möchte er zur Vertiefung die bemerkenswerte Biographie von Irmtrud Wojak über Bauer empfehlen. Nicht empfehlen würde er dagegen das Buch von Ronen Steinke "Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht". Die Gründe dafür seien nachzulesen in dem Aufsatz "Die Demontage des Generalstaatsanwalts Dr. Fritz Bauer" in der Zeitschrift "Neue Justiz", die am Infotisch in Foyer ausliegen würde.

 

 

Christoph Müller-Wirth (Journalist): Persönliche Eindrücke zu Fritz Bauer

 

Er möchte eher eine persönliche Seite von Bauer darstellen. Er hatte Fritz Bauer früher des öfteren getroffen und hatte ihn auch um eine Platzreservierung beim Auschwitz-Prozess gebeten, was Bauer auch getan habe. Dann hatte es lange Zeit keinen Kontakt mehr gegeben. Schließlich erfuhr er, dass am 28.Juni 1968 ein Vortrag von Bauer in Karlsruhe stattfinden sollte. Das war drei Tage vor dessen Tod.

 

Der Abend an diesem Tag war für Müller-Wirth sehr denkwürdig. Kein Journalist und auch kein Jurist war bei der Veranstaltung anwesend gewesen bzw. hätte sich zu erkennen gegeben. Es war ein Zeichen für die damaligen Verhältnisse in Karlsruhe. Bauer setzte deshalb immer sehr auf die Jugend.

 

In Karlsruhe übernachtete Bauer damals im Bahnhofshotel. Zwei Journalisten waren auch da - aber sie blieben nur kurz.

 

Im Gespräch bezog sich Bauer damals auf die Ausstellung "Ungesühnte Nazijustiz", die 1959 auch in Karlsruhe gezeigt worden sei. Die Macher der Ausstellung waren als Kommunisten verschrien gewesen, obwohl Generalbundesanwalt Max Güde die Echtheit der dort gezeigten Dokumente bestätigt hatte. - Dann ging es um Bauers Position im Auschwitz-Prozess, dass es für ihn dort um eine Gesamtaufklärung des Verbrechens ging, nicht um die Schuld des einzelnen. Schon beim Remer-Prozess hatte er vergessen, am Ende seines Plädoyers ein Strafmaß zu stellen. Auch zu Heyde/ Sawade habe sich Bauer geäußert. Er hatte ihn mehrfach im Strafvollzug aufgesucht, aber nie habe er ein menschliches Wort der Reue geäußert.

 

Bauer selber machte einen angestrengten Eindruck, das Gespräch tat ihm wohl gut. Den ganzen Abend trank er zwei Glas Bier, rauchte aber ständig. - Sie verabschiedeten sich zu später Stunde, ca. halb eins in der Nacht, ohne weitere Verabredung.

 

Später habe sich Müller-Wirth gewundert, dass er nach dem Tod von den Behörden bzw. der Staatsanwaltschaft nie über Bauer befragt worden sei, obwohl er einer der letzten gewesen sei, die ihn noch lebend gesehen hatten. - Nur Horst Krüger habe sich an ihn erinnert und ihn in seinem Buch erwähnt. Dadurch wurde auch Ilona Ziok auf ihn aufmerksam, so dass sie ihn bei ihren Recherchen zum Bauer-Film auch aufsuchte.

 

Müller-Wirth sei nicht nur Journalist, sondern auch Verleger gewesen. Damals, nach Bauers Tod gab es ca. 4.000 Druckseiten von Fritz Bauer, die er als Gesamtausgabe herausgeben wollte. Das wurde aber plötzlich gestoppt. - Sehr erfreulich fand er, dass immerhin Herbert Jäger dann eine Schrift von Bauer mit dem Titel "Vom kommenden Strafrecht" herausgegeben hatte.

 

 

Weitere Eindrücke von der Veranstaltung

 

Es war insgesamt eine sehr gelungene Veranstaltung. In dem großen Saal der Landesvertretung waren über 400 Gäste gekommen. Wegen des vollen Programms – auf die Filmvorführung FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN wird nur verwiesen, die nach den Vorträgen stattfand, wobei die vielen Gäste blieben, hier im Bild die Filmemacherin Ilona Ziok und der Vorsitzende der Humanistischen Union (HU) Werner Koep-Kerstin - stand leider für die Diskussion nur wenig Zeit zur Verfügung. Das war angesichts der Thematik etwas schade, aber aus praktischen Gründen vertretbar. Der Abend wäre sonst sehr lang geworden.

 

Schade war auch, dass an dem Abend keine Presse anwesend war. Das war sicherlich ein gewisses Manko gewesen. - Ein anderer Punkt war, dass die Schülerausstellung nur an diesem Abend zu sehen war und anschließend abgebaut wurde. So blieb die Präsentation von Bauer leider nur auf diesen Abend und das anwesende Publikum beschränkt.

 

Fotos: Udo Dittmann