Martin Walser zum Thema Auschwitz in hr2-kultur
Günther Winckel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Martin Walser ist der Meinung, dass man Verbrechen, wie die in Auschwitz begangenen, niemals bewältigen kann. Damit nimmt er durchaus eine neue Position ein, denn der immer Nazi-kritische Schriftsteller hatte sich dennoch gegen das Zuviel an Aufklärung, an den KZs, speziell an Auschwitz... wie er damals meinte, öffentlich gewehrt und Gegenwehr durch Ignatz Bubis gefunden.
In hr2-kultur sagte der 1927 geborene Schriftsteller und Dramatiker: „Ich habe gespürt, wenn du zu einer Gesellschaft gehörst, die es nicht nur geschehen ließ, sondern es veranstaltet hat, dieses Dritte Reich, mit all seinen deutschen Funktionären, wenn so etwas geschehen ist“, so Walser, „kannst du es danach nicht ‚wegbringen‘, indem du sagst, jetzt selektieren wir ein paar Täter. Die bestrafen wir. Die sperren wir ein, und dann haben wir es bewältigt. […] Auschwitz bleibt – das ist mir immer klarer geworden – eine deutsche Schande. Da kann man nichts dagegen machen. Die muss man ertragen. Da gibt es keine Erlösung.“
Walser, der sich 1998 in seiner Rede zur Entgegennahme des Friedenspreises in der Paulskirche kritisch mit der „Instrumentalisierung des Holocausts“ auseinandergesetzt und damit eine heftige Kontroverse ausgelöst hatte, hatte 1964 als Beobachter den Frankfurter Auschwitz-Prozess verfolgt: „Der damalige Staatsanwalt Bauer, der diesen Prozess vorbereitet hat, war eine moralisch-politisch zwingende Figur. Wenn der so etwas machte, dann durfte man das nicht versäumen.“
Am meisten berührt hatte den vielfach ausgezeichneten Autor, dass die Angeklagten ganz ruhig auf die Fragen des Staatsanwalts antworteten: „Diese Bogers und Kaduks […] waren nicht erschüttert von dem, was sie selber berichten mussten, während die Überlebenden es oft gar nicht ausgehalten haben, ihren Folterern gegenüber zu stehen, und weinend wieder aus dem Saal geführt werden mussten. […] Dieser Unterschied, dass das Leid diese Überlebenden nicht verlassen hat und kein bisschen souverän hat werden lassen, während die Täter ganz ruhig darüber sprechen konnten, das war schon sehr verstörend.“
INFO:
Das komplette Gespräch war am Sonntag, 15. Februar, um 9.05 Uhr in der Sendung „Kulturfrühstück“ zu hören und ist weiterhin als Podcast unter www.hr2-kultur.de abrufbar.