Die kommende Spielzeit 2015/16 im Schauspiel Frankfurt am Main

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Durch die Vermittlung an die Jugendlichen - und vor allem auch durch sie - ist das Frankfurter Schauspiel nicht mehr nur einfach Regietheater schlechthin - was mal als der Fortschritt selbst galt (und noch gelten darf).

 

Es ist im selben Atemzug auch Autoren- und Schauspielstudio vornehmlich durch seine nachdrücklich betriebene Nachwuchsförderung, die zu einem wesentlichen Teil des Ganzen wurde. Die nachwachsende Generation erhält die Möglichkeit der Entwicklung unter selbstverantworteten, wenn nötig begleiteten Möglichkeiten. Diese Tendenz wird noch verstärkt. Anhand des Stückes 'Trauer zu früh' von Edward Bond war dieser Trend vor etlichen Jahren schon sinnlich erfahrbar. Man ging zweimal rein. Aufführungen von Jugendgruppen reizen mindestens ebenso so wie die der Alt- oder Längergedienten. Das Schauspiel selbst geht auch in alle Schulformen; z.B gab es 'Michael Kohlhaas' in der Ludwig-Erhard-Schule, einer Berufsschule – und dort zündete. Nunmehr gastiert es auch in der Dependance des Museums für Moderne Kunst (MMK2( mit Aufführungen unter den Bedingungen 'skulpturaler Aspekte' der Modekunst.

 

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Der kommenden Saison steht die Doppelthese 'Fluchträume und Gegenwelten' vor. Wirklichkeit ist komplex, vielschichtig und vermittelt. Arten der Vermittlung durch Bühnenarbeit können Teil der Erkenntnis und der Sinnfindung sein. Bearbeitete Realität bewegt sich im Intermediären, im Zwischenzustand - wie das Original auch. Wirklichkeiten, Dinge, Tatsachen erscheinen immer mehr im Licht nur eingeschränkter Klarheit und Eindeutigkeit. Orientierung bietet eher das Medium der Kunst, vom Überbau her lässt sich besser erkennen und womöglich gar in die Welt eingreifen. Was nutzen allein Traktate gegen ISIS, Hunger, Ausbeutung und Entmenschlichung?

 

Im Bockenheimer Depot kommt 'Schöne neue Welt' nach Aldous Huxley, Regie: Jorinde Dröse, im November 2015 zur Aufführung - auch ein theaterpädagogisches Projekt - neben 'Clockwork Orange', nach Anthony Burgess, Regie: Christopher Rüping, das Filmgeschichte gemacht hatte. Auch kommt hier 'Tiger Lily', Regie: Stephanie Mohr, nach dem Roman 'Berlin Alexanderplatz', 'Die Geschichte von Franz Biberkopf' -, von Alfred Döblin auf die Bühne, die Döblin selbst zum sinnfälligen Großstadtpanorama dramatisiert hat. Oliver Reese hat Hans Op de Beeck an Land gezogen und ihm Raum für seine magischen Räume gegeben, die er für Filme baut, mit dem Theaterabend 'Die Leere nach dem Fest'. Reese selbst baut dramatisch am Doppelprojekt 'Der zerbrochene Krug' von Heinrich von Kleist und an 'Terror' von Ferdinand von Schirach, dem Strafverteidiger und Autor des Buches 'Verbrechen' (verfilmt). Eine Gerichtssituation von apokalyptischen Ausmaßen, die hin und her reißt zwischen der Alternative: Sterbenlassen für einen höheren Zweck oder an Grundwerten festhalten (Flugzeug abschießen, da gekapert und gefährlich oder Fluginsassen mindestens ebenso hoch werten, da sie sonst geopfert würden.

 

Die Büchner-Jahre gehen zu Ende, jetzt fehlte aber nach 'Dantons Tod' noch der 'vierte' Büchner mit 'Leonce und Lena', Regie: Jürgen Kruse; etwas plakativ gesehen: als eine sprachzersetzende und Verfestigtes zersetzende Inszenierung. Hieran schließt das ebenso kaum Nachformbare von Heinrich von Kleists 'Penthesilea' an, Regie: Michael Thalheimer. Ein Drama der Paarbeziehung schließlich wird mit Edward Albees 'Wer hat Angst vor Virginia Woolf?', Regie: Stephan Kimmig, zum soundsovielsten Male aufgeführt.

 

Das Kammerspiel erlebt die Aufführung von Frédéric Sonntags 'George Kaplan', in der Regie von Alexander Eisenach. Das scharfsinnige Stück bewegt sich im Feld von Politik und Showbizz, zwischen Macht und Fiktion – Fiktion der Macht wohl auch. Spieler spielen, Untergrundaktivisten sind umtriebig, die Wendung gegen entmachtende Verhältnisse schließt auch die Medien ein, es finden geopolitische Planspiele statt, eine Hochfinanz ausgerechnet soll sich profilieren, um abzuwehren. Ein wenig kraus wirkt das schon aber was nicht alles könnte noch sich zur Realität mausern? Die 'klassischen' Dramen fügen zwischen das post-und wiederwieder postmoderne Weltverworrene ein Sondergefühl des bewährten Halts zwischen das gesellschaftlich und geschichtlich jedoch jederzeit schwerlich Haltbare und zu Bestätigende ein; im Fall des Frankfurter Schauspiels kommt es mit: 'Schuld und Sühne', dem dritten Teil der Trilogie von Fjodor Dostojewski, Regie: Bastian Kraft. Vor dem 'Revisor' von Nikolai Gogol, nach der Regie: Sebastian Hartmann, im Februar 2016 kommend, passt das abweichend postmoderne 'Eine überflüssige Frau'', von Felicia Zeller, Regie: Johanna Wehner. in kunstvoller Sprache geschrieben und ähnlich Elfriede Jellinek mit Sprache umgehend – und daher durchaus unterhaltend.

 

Im März dann 'Netzwelt' von Jennifer Haley, in der Regie von Berhard Mikeska, behandelt den Einfluss von Technologien, Schwerpunkt Internet. Die virtuelle Welt wird zu Science Fiction, die übelsten Neigungen machen sich dominant breit im Gefüge des Lebens. Frage: wie real ist die virtuelle Welt, wie real wird sie erst, wenn sie dann zurückschlägt?

'Der Sturm' von William Shakespeare, Regie: Andreas Kriegenburg, entsteht auch, weil für den Regisseur eine Kooperation mit Felix von Manteuffel sich bereits so ergiebig und 'zielgeführt' hergestellt hatte. Es ist Ensemblestück. Ein kaum Unbekannter tritt uns entgegen mit dem dramatischen Oskar Röhler und seinem Text 'Der alte Affe Angst', Regie: Ersan Mondtag. Röhler hatte sich kürzlich mit dem Film 'Tod den Hippies!! Es lebe der Punk' ans Filmpublikum gewendet. Verwiesen sei hier auch auf seinen autobiographischen Roman: 'Mein Leben als Affenarsch' (2015).

 

Es wird auch eine 'Revue!', einen vielschichtig und - gemäß Erfahrung - durchschlagend begeisternden musikalischen Abend von und mit Rainald Grebe geben. Die Regie unterliegt ihm selbst. Uraufführung wird im Juni 2016 sein.

 

Schließlich bleibt noch anzukündigen: 'Kollektion', ein 'inklusives Performanceprojekt für Jugendliche' (wie teilweise oben schon angedeutet) im MMK2 des Taunusturms, von Martina Droste und Katharina Mantel, Premiere Oktober 2015 - und 'Frankfurt Babel', ein Jugendclubprojekt, von Martina Droste und Chris Weinheimer. Premiere Dezember 2015 im Bockenheimer Depot. Es handelt - stichwortartig - von Sprachverlust, Einstellung von Kommunikation, von Sprachverwirrung, Flüchtlingen, Jugendlichen unterschiedlicher Sprachen und Identitäten. Von gottgleich sein zu wollen auch.- Schließlich wird es noch 'no.where.wanna.be', das Jugendclubprojekt von Laura Linnenbaum geben, Premiere Mai 2016 in der 'Box'. Es gibt kund von Jugendlichen unter Leistungsdruck, japanische zumal, die zum effektiven Dasein verdonnert sind und kaum mehr ohne die neuen Medien kommunizieren können, bekannt auch unter der Bezeichnung: Hikikomori.- Insgesamt, kann man sagen, kommt es in der kommenden Spielzeit zu „Achtmal Jugend“, wie man in Verkürzung wiedergeben darf.

 

An die nachwachsende Generation geht auch: 'Krabat', von Ortfried Preußler, die Geschichte des sorbischen Waisenjungen, der durch den bösen Meister in Versuchung gerät. Dieser schwarzen Magie des Zaubermeisters kann er sich durch eine List über den todbringenden Meister erheben, aber er muss die Stärke aufbringen, damit Liebe und Solidarität gemeinsam siegen.

 

Im Bockenheimer Depot findet im Mai 2016 die Premiere von 'Katzelmacher' von Rainer Werner Fassbinder statt, Regie: Susanne Wolf.

 

 

Info:

Schauspiel Frankfurt, 60311 Frankfurt, Willy-Brandt-Platz

Kammerspiele Frankfurt, 60311 Frankfurt, Neue Mainzer Straße 15

Box Schauspiel Frankfurt, 60311 Frankfurt, Neue Mainzer Straße 15,