Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 7
Marion Klingelhöfer
Schlüchtern/Hessen (Weltexpresso) - Lächelnd sitzt der 20jährige Asad Wakilnasab in einer Schlüchterner Eisdiele und freut sich über das Winken und „Hallo“-Rufen einiger Kinder, die er durch sein Schulpraktikum im Kindergarten kennenlernen durfte.
Aus seiner Heimat, Afghanistan, ist er geflüchtet. „Mein Vater saß vier Jahre im Taliban-Gefängnis. Als er endlich entlassen wurde, sind meine Eltern mit mir und meinen beiden jüngeren Brüder in den Iran zu Verwandten geflüchtet. Einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu machen, ist dort fast unmöglich. So entschied ich, aus dem Iran zu fliehen. Ich wusste nicht, wohin, ich wollte einfach nur weg. Mein Ziel war ein Land in Europa!“
Nach dreieinhalb Monaten Aufenthalt im Iran fuhr oder trampte er über die Türkei nach Griechenland. Dort wurden ihm als Asylbewerber die Fingerabdrücke genommen, er arbeitete erst auf einer Orangenplantage, dann in einer Werkstatt. Nach 21 Monaten ging er freiwillig von Thessaloniki zu Fuß und in LKWs über Mazedonien, Slowenien und Frankreich weiter, bis er nach einigen Monaten in Deutschland ankam. Er blieb aber nicht. Asad fuhr nach Dänemark weiter, wo er einen Asylantrag stellte und nach eineinhalb Jahren Aufenthalt von dort ausgewiesen werden sollte. Da er Angst davor hatte, nach Afghanistan geschickt zu werden, flüchtete er weiter nach Schweden. Auch hier stellte er einen Asylantrag, konnte acht Monate bleiben und sollte dann nach Dänemark zurück, obwohl seine ersten Fingerabdrücke in Griechenland genommen wurden.
Durch die derzeitigen schlechten Verhältnisse für Flüchtlinge in Griechenland gilt das sogenannte „Dublin-Verfahren“ dort nicht. Über Schweden und Norwegen gelangte er dann nach Frankfurt am Main. Das war im Oktober 2013. „Als ich am Frankfurter Flughafen ankam, gab es ein paar Polizeibeamte, die unfreundlich zu mir waren. Auch in Gießen, im dortigen Auffanglager für uns Flüchtlinge, waren nicht alle freundlich. Kurze Zeit später wurde mir in Ulmbach eine Unterkunft zugewiesen. Dort haben sich einige sehr liebe Menschen um mich gekümmert und mich an der Kinzig-Schule angemeldet, damit ich meinen Schulabschluss machen kann. Es ist eine Schulform, die sich EIBE nennt und mir helfen soll, meinen Hauptschulabschluss nachzuholen. Seit August 2014 bin ich hier in Hof Reith und fühle mich in Deutschland sehr wohl. In der Schule habe ich mich sehr gut eingelebt, Freunde gefunden und die Lehrer helfen uns ‚Ausländern’ mit viel Geduld und Freundlichkeit weiter.“
Seit kurzem spielt er bei den Schlüchterner Löwen Fußball und es macht ihm mächtig Spaß. Sobald er seinen Hauptschulabschluss hat, - und das ist sein Ziel - möchte er eine Ausbildung zum Koch absolvieren. Er kocht leidenschaftlich gern, wie er lachend erklärt. Am liebsten asiatisch oder afghanisch. Mit leichtem Wehmut setzt er hinzu, dass er insgeheim einen Traumberuf hat. „Sportjournalist würde ich am allerliebsten lernen, doch dazu spreche ich zu schlecht Deutsch. Und ich brauche das Abitur, aber es wäre mein absoluter Traumberuf!“
Er freut sich darauf, einmal eine kleine, eigene Wohnung zu haben, denn momentan sind bei ihm ständig wechselnde Flüchtlinge im Zimmer untergebracht, eine Folge der hohen Asylbewerberzahlen. „Es ist ein Kommen und Gehen“, sagt Asad, weil in Hof Reith nur wenige Flüchtlinge länger bleiben können. Das Asylverfahren für Asad läuft, jedoch bringt die Vertretung durch einen Rechtsanwalt hohe Kosten mit, die er in Raten abzahlt. Er strahlt über das ganze Gesicht, als er erfährt, dass er von einer privaten Organisation eine Spende über 100 Euro an Prozesskostenhilfe erhalten hat. Mit seiner Familie hält er Kontakt über das Internet. Er ist froh, über diese Form der Kommunikation. „Wenn ich meinen Schulabschluss und einen Beruf habe, dann werde ich eine Familie gründen. Meine Mutter hat immer zu mir gesagt: „Mache eine Familie!“
Foto:
Asad bei seiner Lieblingsbeschäftigung, vorne rechts, © Hanswerner Kruse
INFO: In unserem zweiten Flüchtlingsgespräch in Weltexpresso
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/lust-und-leben/2874-dehab-kifleysus-aus-eritrea
hatten wir im zweiten Teil der Serie unsere Motivation und die Überschrift für die gesamte Reihe so eingeleitet:
„Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird!“schrieb Bert Brecht in seinen „Flüchtlingsgesprächen“.
Das ist von großer Aktualität, denn viele Fremde, die zu uns kommen, sind hier nicht erwünscht oder werden, wenn sie in Not sind, nicht als Flüchtlinge anerkannt. Nach Eva aus Somalia wollen wir heute Dehab aus Eritrea vorstellen, die lange warten und bangen musste, um den begehrten blauen Asylpass zu bekommen. In unregelmäßigen Abständen werden wir weiter Menschen, die ihrer Heimat entfliehen mußten, vorstellen.“
Leider wird diese Serie noch lange weitergehen, aber sie macht Mut. Denn die Verhältnisse verbessern sich eher, was die Akzeptanz der Flüchtlinge durch die Einheimischen angeht. Darum berichten wir gerne aus Schlüchtern.