Die CDU vermag es in Schulangelegenheiten nicht, über ihren Schatten zu springen
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die CDU ist eine Partei, die sich nicht auf der Höhe des zeitgemäßen Diskurses der Pädagogik bewegt, sondern sich lieber in den Senken verstaubter Gespenster der Vergangenheit aufhält. Am ersten Schultag gehen Kinder vollmotiviert bis in die Haarspritzen in die Schule. Diese Freude und Begeisterung wird ihnen aber systematisch ausgetrieben.
Einem Konservativen, in der Regel selbst Opfer sanktionierender Schulpolitik, will nicht einsichtig werden, dass Pädagogik nicht ausschließend und strafend, sondern aufsuchend und fördernd ihren Weg gehen muss, nicht also nach dem Motto: 'Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen'. Eine Alternative hierzu besteht nicht. Die Finnen sind über dieses Vorgehen entsetzt. Trennen und einsortieren, für Kinder traumatisch, warum passiert`s? Aus Gründen der Ideologie und des Geldlichen. Im Streit der Siebziger wurde einem konservativen Lehrer mal entgegengehalten, es ginge im Schulkampf doch mehr nur um die Aufrechterhaltung einer 'Klassenschule' als um etwas Qualitativ-Werthaftes: - das mit diesem Einwand in die Diskussion Gebrachte wurde vom Lehrer nach kurzem Drucksen und Zögern bestätigt.
Quasi-religionspolitische Motive der CDU
Auf die sonderbaren religiösen Motive im Pädagogischen kommend: die großen Religionen waren eine Reaktionsbildung auf die Zerstreuung der Menschheit in die Vielheit, eine Antwort auf das unheimliche Phänomen der mit sich selbst zerfallenen Menschheit in den Zeiten der frühen Hochkulturen. Das Christentum hat im Gegenzug das Einzelleben in den Mittelpunkt gerückt, als das Moment einer in tiefster Natur verwandten und zusammengehörenden Gattung gerechtfertigt. Ein Düstervertreter des Christentums war hingegen Augustinus. Wenn es nach ihm ginge, sind Menschen entweder auserwählt, begnadet oder verrucht, verworfen. Dagegen etwas zu machen ist sinnlos, es fruchtet nicht wirklich. Das sei in der göttlichen Ordnung beschlossen (Prädestination). Die CDU ist eine Spätfolgerin dieser negativen Anthropologie des Kirchenvaters Augustinus. Die Sache geht also zurück auf das Mittelalter und dieses wirkt dadurch noch heute fort.
Die Befriedung der entzweiten und zerbröselten Gattung gelingt mit einer CDU einfach nicht. Deswegen haben heutige Kirchenvertreter schon angeraten, dem Akronym das C zu entnehmen, da es irreführe. Das Kürzel CDU erregt ob seiner Haftung an eine strafende Vergangenheitskultur im psychosomatischen System der hiergegen sich Verwahrenden ein Schaudern, leitet reflexhaft die Abwendung ein. Dieses Düstermilieu gibt eine fremde und schaurige Welt ab.
Trennungen und Scheidungen passen nicht zu einer Pädagogik, die sich aus Humanität herleitet. Indirekt ist das Motiv des Sparens und Knapphaltens mit ein entscheidender Grund. Auch wieder also ein Strafen. Trennungen mit pädagogischem Fallbeil gehören nicht dem Kreis des lebendigen Lebens an, sondern fallen in die Akzidenz einer dürftigen Konvention. Pädagogik und Begünstigung gehören seit unerdenklichen Zeiten zum innersten Hegeraum der Förderung des Menschen - durch den Menschen. Diese kennt keine Abgeschriebenen und Minderbewerteten. Ein sozial sensitiver Sloterdijk sprach einst von der Erbrütung neuer Gattungsexemplare durch einen „Gruppenklangkörper“, einer Art „Sozialuteruskonfiguration“, die über ungeheure Zeiträume vor sich ging.
Merkwürdig, dass eine wie auch immer christlich inspirierte Partei die Spaltung in die Jugend treiben will. Der Geist des Christentums besteht im Zusammenführen und nicht im Trennen. Vielmehr müsste sie das sorgsame Abholen begünstigen, auch wiederholt, denn Bildung braucht durchaus der Erklärungen über lange Strecken durch die Erziehenden - die übrigens auch erzogen werden müssen -, bedarf des Einsichtigmachens der Möglichkeiten auf den spezifisch jugendlichen Wegen bei einer sich lange hinstreckenden Erlangung von Mündigkeit und Empathie. Pädagogik ist mit immerwährender Bringschuld verbunden. Auf ungleiche Verhältnisse muss ungleich reagiert werden, im Sinne von kompensierend, in gemeinschaftlicher Auseinandersetzung, nicht durch Auslesen und Sortieren. Das Getöse um den temporären Unterschied ist degradierend für die Urheber und beschämend für die Betroffenen. Besser wäre, das verantwortliche Andersdenken allgemein zu fördern und pädagogisch zu begleiten. Der Mensch ist eine nicht-staatliche Organisation. Bouffier, dem alten Mann, der über die ihm fremde Jugend verfügen soll, fehlt die Kraft, stramm konservative Milieus der Partei in ihre Schranken zu verweisen. Aber konservativ, das ist ohnehin ein Zustand der Nichtvitalität!
Es sah kurzzeitig ganz gut aus
Sah es bis vor kurzem noch ganz gut damit aus, dass Bouffier seiner CDU auf die Sprünge helfen und sie haurucken könnte, um sie über ihren Schatten springen zu lassen, so tritt jetzt doch wieder der alte Volker in einer überalterten Partei (hängt nicht allein vom Alter ab) aus der Zeit der gänzlich unproduktiven Kochperiode hervor. Das längere Beisammensein und miteinander Arbeiten (maue zwei Jahre, die ohnehin zu einem lebensnahen und praxisorientierten Unterricht hinführen müssten) machen ihm und den Altvorderen ungemütliche Gedanken und Gefühle, die stets verlangte Abgrenzung und Scheidung in der Jugendschar soll bleiben! Das Alte soll in die Jugend hinein reproduziert werden. Dieses Gefühl, für die Distanz zuständig zu sein, ist die alleinige Konstitution der CDU im Pädagogischen, mit Segregieren, Selektieren und Separieren!
Hinzu kommt - wichtig - das die CDU nicht die Partei des am ungeschmälerten Humanitätsideal orientierten Bildungsbürgertums ist, sondern die Partei des Besitzbürgertums, des Besitzbürgermaterialismus, der nach dem 2 Weltkrieg dazu diente, die Schmach des Zusammenbruchs zu überformen durch eine Verbindung von Christentum und Eigennutz; die wiederum ermöglichte, sich zu den besseren Leuten zuzählen zu dürfen. Vor dieser abgelebten, aber sich hartnäckig haltenden Klientel scheint Bouffier gerade wieder in die Knie gegangen zu sein, weil sie noch immer bei Wahlen gebraucht wird. Sie ist es auch, die auf schulischer Trennung besteht.
Omen est Nomen
Schlechtes Omen zu Beginn des Jahres war die Ankündigung: das Land Hessen streiche von 92 Stellen für Schulpsychologen 15 wieder. Letztere waren nach dem Amoklauf von Winnenden 2009 geschaffen worden. Wieder dieses Charakteristikum: die Schwarzklientel widerruft etwas, das sie zuvor schon mal eingesehen und für gut befunden hatte. Der Grund ist zwar auch ein pekuniärer, aber nicht so einfach. Wer die Finanztransaktionssteuer ablehnt, die Krisen verhindern und deren Folgen ausgleichen soll, kann nicht anders. Das lehrende Personal an Schulen kann von der Bedeutung und Unverzichtbarkeit einer fest angestellten Schulpsychologie an jeder Schule ein Lied singen.
Die Hauptschule – ein Auslaufmodell
Die Hauptschule steht faktisch vor dem Aus. Sie ist nur noch ein Residuum. Dennoch will die CDU an ihrer Phobie gegen längeres gemeinsames Lernen und dessen wesentliches Merkmal einer neu zu schaffenden, längerfristig angelegten und pädagogisch und menschlich ergiebigeren Schule festhalten. Um die CDU zum Hüpfen zu bringen hat die Landesschülervertretung das Modell einer Sekundarschule, die einem schon geänderten Ansatz entspricht, ins Spiel gebracht. In diese würden Haupt- und Realschulen überführt, während Gymnasien und Integrierte sowie Kooperative Gesamtschulen bestehen blieben. Aber selbst dieses Übergangsmodell bedeutet für die CDU eine unzumutbare Überanstrengung, weil sie vor den Altvorderen kuscht, denen sie realistischen Wein einzuschenken qua klarem Entschluss nicht aufzubringen vermag. Gleichzeitig fehlt ihr auch die Orientierung auf die Herausforderungen einer neuen Zukunft der Gesellschaft und ein diesbezügliches gesellschaftliches Projekt. Ihre Losung bleibt daher immer noch: 'Spiel nicht mit den Schmuddelkindern'.
Am Ende des Monats Mai 2015 ist die neue Schule und ihr friedliches Arbeiten in Hessen wieder in weite Ferne gerückt. Selbst der konservative Philologenverband, die linke GEW und der Landeselternbeirat deuteten an, dass die bisherigen Vorschläge unzureichend seien. Der Hessische Philologenverband betrachtete gar den 'Bildungsgipfel' als „unterirdische Veranstaltung“. Es braucht eine vollintegrierende Gesamtschule mit Wahlfreiheit am Nachmittag und Rhythmisierung, in die die bisherigen, gegliederten Teile aufgehen, ohne den besonderen Bedarf zu unterschlagen oder zu vernachlässigen. Diese aber erfordert eine neue schulische Philosophie der Nichtdiskriminierung bzw. Nichtausgrenzung von individuellen Lagen und Neigungen. Warum kann auf pädagogischem Gebiet nicht die schlichte Rationalität zum Zug kommen? Warum schaffen das die Skandinavier und 'wir' nicht? Worin liegt das Problem? Es liegt auch am Geld! Die 120 Millionen, die für den G7-Elmau-Gipfel ausgegeben werden, hätten besser angelegt werden können.
Die Desorientierung im Zusammenhang mit der bisherigen Gipfeltätigkeit im hessisch Pädagogischen schließt nun auch einen Stellenentzug für die Schulen ein, um diesen für das Ganztagsangebot, die Inklusion und den Deutschunterricht für Flüchtlingskinder einzusetzen. Der Freidemokrat Greilich spricht von einem „finanzpolitischen Steinbruch“. Einen Tag darauf äußerte Bouffier: „Wir geben die Hauptschule nicht auf, es gibt sie nur nicht mehr“.- Was soll man von solchen Verrenkungen halten? Er konnte sich aber auch wieder nicht verkneifen, die Schule des längeren gemeinsamen Lernens als „Einheitsschule“ zu diffamieren. Ist das nicht politisch 'kindergaden', englisch-international gesprochen? Der hessische Mai 2015, ein pädagogisch vergebener Monat.