Porträts von Moritz Schmidt-Metzler und Heinrich Roessler in der Reihe „Gründer, Gönner und Gelehrte“ der Goethe-Universität
Hubertus von Bramnitz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zwölf Biographien gab es schon und in dieser Biographienreihe der Goethe-Universität „Gründer, Gönner und Gelehrte“ sind soeben zwei neue Bände erschienen. Warum diese Reihe überfällig war, hat mit der erst vor 100 Jahren entstandenen Frankfurter Stifteruniversität zu tun, die anders als anderswo, nicht aus einer dynastischen Einrichtung kam.
Denn ein Prinz, gar ein König, der stellte sich mit wissenschaftlichen und Kunstinstituten selbst den Lorbeer aus, aber die ehemalige freie und Reichsstadt Frankfurt hatte nur ihre Bürger, von denen manche, die in höhere Ämter aufgestiegen waren und entsprechendes Geld verdienten, ihren eigenen Aufstieg für die Allgemeinheit über Stiftungen an die Stadtgesellschaft zurückgaben. Das ist übrigens bis heute so und stellt ein verbindendes Element von früher und heute dar. Sehr demokratisch dazu. Und das beeinflußte auch die Lehrmeinungen in der Freiheit des Geistes und des Forschens.
Die Historikerin Berenike Seib stellt Moritz Schmidt-Metzler (1838-1907) vor, der als Vorsitzender der Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung wesentliche Vorarbeit für die Gründung der Frankfurter Universität leistete. Der Wirtschaftshistoriker Dr. Jörg Lesczenski porträtiert Heinrich Roessler (1845-1924), der Naturwissenschaftler und Mitbegründer der Degussa AG gestaltete die Frankfurter Sozial- und Bildungspolitik maßgeblich mit und setzte sich ebenfalls vehement für die Universitätsgründung ein.
Moritz Schmidt-Metzler gehört zu den herausragenden Personen der Frankfurter Gesellschaft um 1900, wie die Autorin Berenike Seib, die unter anderem das Archiv des Bankhauses Metzler betreut, anschaulich und facettenreich darstellt. Aus der Kaufmannsfamilie „Tee-Schmidt“ stammend, heiratete er 1863 Mathilde Metzler, deren Namen er fortan führte. Er folgte dem Vorbild seines Vaters und studierte Medizin. Als Laryngologe, Facharzt für Kehlkopf-Erkrankungen, erwarb er sich weit über die Grenzen Frankfurts hinaus einen Namen; so behandelte er auch den deutschen Kronprinzen Friedrich (später Kaiser Friedrich III.) und operierte Kaiser Wilhelm II.
Im gesellschaftlichen Leben der Mainmetropole und bei der Gründung der Frankfurter Universität spielte Schmidt-Metzler eine entscheidende Rolle. Das „Metzlern“ – wie Bismarck die Gabe von Emma Metzler, Netzwerke zu knüpfen, umschrieb – beherrscht auch der Eingeheiratete gemeinsam mit seiner Gattin perfekt. Als Vorsitzender der Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung leistete Schmidt-Metzler wesentliche Vorarbeit für die Gründung der Universität und stellte gleichzeitig wichtige Weichen für die Zukunft der Senckenbergischen Einrichtungen.
Sein Hauptverdienst ist die Verlegung und räumliche Konzentration wesentlicher wissenschaftlicher Einrichtungen an der Viktoriaallee, der heutige Senckenberganlage. Damit wurde die Keimzelle der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität geschaffen. So zählt Schmidt-Metzler zu den wichtigsten Wegbereitern der Goethe-Universität, obwohl er deren eigentliche Gründung im Jahr 1914 nicht mehr erlebten durfte. Weniger bekannt seien dürfte, dass Schmidt-Metzler über 25 Jahre leitende Kirchenämter inne hatte, auch darüber berichtet Berenike Seib ausführlich. Er war u.a. erster Vorsitzender der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Frankfurt. Die Neuordnung des Frankfurter Kirchenwesens, durch die sechs neue Einzelgemeinden und ein synodales Gremien geschaffen wurden, gilt als sein Verdienst.
Der Wirtschaftshistoriker Jörg Lesczenski, der an der Ruhr-Universität Bochum studiert hat und seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Goethe-Universität ist, hat seiner Biographie von Heinrich Roessler den Untertitel: Naturwissenschaftler, Unternehmer und Demokrat gegeben. Roessler vertrat in Frankfurts Bürgergesellschaft eigene Positionen und scheute sich nicht, Sonderwege zu gehen.
Er war bereits als Schüler der Realschule in Darmstadt, wo er in diesen Jahren bei seinem unbefangenen und frei denkenden Großvater lebte, von den Naturwissenschaften fasziniert. Aus seiner Begeisterung wurde schnell berufliche Leidenschaft. Er promovierte in Chemie und stand seit 1873 an der Spitze der Actiengesellschaft Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals Roessler (ab 1980 Degussa AG). Als Unternehmer gehörte er zu den Pionieren der betrieblichen Sozialpolitik. So gewährte er u.a. den Mitarbeiter ein Mitspracherecht, ein Ergebnis war die Einführung des Acht-Stunden-Tages lange vor dessen gesetzlicher Festlegung.
Er engagierte sich in zahlreichen wissenschaftlichen Organisationen, insbesondere im Physikalischen Verein, um einem breiten Interessenkreis naturwissenschaftliche Kenntnisse näher zu bringen. Eine prosperierende, moderne Gesellschaft brauche Bildung und Wissenschaft, lautete sein Credo. So verwundert es nicht, dass er sich vehement für Gründung der Frankfurter Universität einsetzte. Den Aufsichtsrat der Degussa überzeugte Roessler, der Universität bei Gründung 250.000 Mark für den Ausbau eines chemischen Instituts zu stiften.
Politisch galt Roessler als „Linksaußen“ unter den Frankfurter Liberalen. Zu seinem politischen Selbstverständnis gehörte auch sein leidenschaftliches Engagement für die pazifistische Idee, dies war in Frankfurter Bürgerkreis ebenso ungewöhnlich wie sein Kirchenaustritt im Jahr 1908. Der Naturwissenschaftler schloss sich der monistischen Bewegung an, ein weltanschaulich-philosophischer Versuch, die „reale“ Welt, die Natur und das menschliche Zusammenleben auf ein Funktionsprinzip (z.B. der Energie) zurückzuführen.
INFO:
Das Erscheinen der Schmidt-Metzler-Biographie wurde ermöglicht durch das Bankhaus B. Metzler seel Sohn + Co. KGaA und die Dr. Senckenbergische Stiftung; den Band über Heinrich Roessler finanzierte die Evonik Industries AG.
In der im Frankfurter Societäts-Verlag publizierten Biographienreihe werden Persönlichkeiten der Gründerjahre der Universität vor und nach 1914 ebenso wie die Generation des Wiederaufbaus nach 1945, aber auch Vordenker und Akteure der bildungsbewegten 1960er und 1970er Jahre porträtiert. In ihren Lebensbildern spiegelt sich die wechselvolle deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert. Bisher sind bereits 14 bebilderte Bände erschienen, porträtiert wurden (in der Reihenfolge des Erscheinens): Wilhelm Merton, Otto Stern, Leo Gans und Arthur von Weinberg, Franz Adickes, Fritz Neumark, Friedrich Dessauer, Theodor W. Adorno, Henry Oswalt, Franz Oppenheimer, Leo Frobenius, Ernst Kantorowicz, Max Horkheimer. Weitere Biographien sind geplant, so wird noch in diesem Jahr ein Band über den Archäologen Guido Kaschnitz von Weinberg erscheinen. Anlass für diese Reihe war der 100. Geburtstag der Goethe-Universität im vergangenen Jahr.