Ausstellung nun im Gesundheitsamt Frankfurt mit Begleitbuch
Helga Faber und pia
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diese Ausstellung paßt zur Temperatur der letzten Tage und zu der der kommenden Woche. Heute dagegen ist es kühl, weshalb man gut, statt ins Wasser zu gehen, erst mal schauen und lesen kann. Die 2014 im Karmeliterkloster mit gewaltiger Publikumsresonanz präsentierte kulturhistorische Ausstellung „Baden unter Palmen. Vom ‚Wasserturnen‘ zum Aquajogging“ ist sie jetzt ins Gesundheitsamt umgezogen.
„Äußerst anschaulich und abwechslungsreich wird hier die lange Tradition des Badewesens und der Badekultur in Frankfurt dargestellt“, freut sich die Dezernentin für Umwelt und Gesundheit, Rosemarie Heilig, darüber, dass die Dokumentation nun im Gesundheitsamt zu sehen ist. Das in Kooperation mit dem Institut für Stadtgeschichte und der BäderBetriebe Frankfurt (BBF) entstandene Projekt wird ab Montag, 13. Juli, während der normalen Öffnungszeiten des Amtes in der Breite Gasse 28 im dritten Obergeschoss zu sehen sein.
Zu dieser Neupräsentation ist jetzt auch ein gleichnamiges Begleitbuch erschienen. „Viele Besucher wünschten sich einen Begleitband zur Ausstellung. Dieser ist nun gerade erschienen“, freut sich die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes und Leiterin der Abteilung Infektiologie und Hygiene, Ursel Heudorf. Ausstellung und Begleitbuch geben erstmals wissenschaftlich fundiert, zugleich aber kurzweilig und mit seltenen Abbildungen einen umfassenden Einblick in die lange Tradition des Badewesens in Frankfurt. „Erneut konnten wir damit eine fruchtbare innerstädtische Kooperation realisieren“, betont Evelyn Brockhoff, leitende Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte. Frank Müller von der BBF bezeichnet das Projekt als „Meilenstein, mit dem das Gedächtnis für die Entwicklung der Bäderlandschaft am Leben erhalten werden kann“.
Bäder sind nicht nur Orte des Freizeitvergnügens und des Sports, sondern auch der Gesundheit und sozialen Begegnung. Mit ihrer Architektur und ihren Grünanlagen sind sie wichtige Elemente des Stadtbildes. Frankfurts Bäderhistorie reicht bis ins römische Nida zurück, das mit den Ost- und den Westthermen gleich über zwei imposante öffentliche Badetempel und wohl das erste „Wellnesshotel“ der Region verfügte. Gegen die ausgeklügelte Heiz- und Wassertechnik sowie die künstlerische Ausgestaltung römischer Thermen muten die mittelalterlichen Badestuben, 15 lassen sich für Frankfurt eindeutig belegen, technologisch wie architektonisch primitiv an. Aber sowohl in der Antike als auch im Mittelalter dienten die Bäder als wichtige gesellschaftliche Treffpunkte, in denen Frauen und Männer – teilweise gemeinsam – Stunden verbrachten. Als Vergnügungs- und Entspannungsort ging ihre Funktion weit über die Körperreinigung hinaus. Ab dem 16. Jahrhundert ließen die Angst vor der Syphilis, rigidere Moralvorstellungen und hohe Brennstoffpreise die fröhliche Bäderkultur untergehen. Die Körperreinigung verschwand in den privaten Bereich, sofern sie überhaupt erfolgte. Für Wohlhabende kam die Badereise in Mode.
„Besonders interessant erscheint mir, dass sich seit 1800, angeregt durch neue medizinische Erkenntnisse, Ärzte an der Neugründung öffentlicher Badeeinrichtungen beteiligten und nicht nur das seit dem Mittelalter in Vergessenheit geratene Schwitzbad wieder in Frankfurt einführten, sondern offensiv die Gesundheitspflege propagierten“, erklärt René Gottschalk, Leiter des Gesundheitsamtes. Im 19., besonders aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten sich die Ufer von Main und Nidda zu Frankfurts „Badedorado“ mit vielen bekannten Schwimmstätten wie Mosler, Schecker, Molenkopf oder Dannhof. Während sich private Unternehmer überwiegend dem Betrieb der Flussbäder widmeten, reagierte die Stadt mit einem umfangreichen Bauprogramm von Brause- und Wannenbädern in den Stadtteilen. Angestoßen von einer Stiftung eröffnete das erste städtische Hallenbad 1896.
Nach dem Ersten Weltkrieg entfielen die bis dahin strikt verfolgte Geschlechtertrennung sowie die Aufteilung in Klassen. Als erstes beheiztes Freibad eröffnete die Stadt 1925 das wettkampfgerechte Stadionbad. Nun stand klar der Sport im Zentrum des Badens. Zum sozialutopischen Bauprogramm von Stadtbaurat Ernst May in den 1920er Jahren zählten wegweisende Hallenbäder. Allerdings konnte nur das Gartenbad Fechenheim realisiert werden.
Negativ tat sich die Stadt in der NS-Zeit hervor: Früher als andere Kommunen verbot sie Juden den Besuch der Bäder mit Ausnahme des Strandbades Niederrad, das sie der Jüdischen Gemeinde bis 1938 verpachtete. Danach blieb Juden nicht einmal diese Badestelle, da sie fortan als SA-Bad diente.
Der Zweite Weltkrieg setzte auch im Badewesen eine radikale Zäsur. Neben der Zerstörung vieler Schwimmeinrichtungen gab es nach 1945 keine Rückkehr zu den zahlreichen privaten Flussbädern: Umweltverschmutzung, veränderte hygienische Anforderungen und zunehmender Schiffsverkehr verhinderten dies. Die Stadt übernahm nun mit einem umfangreichen, auf Jahrzehnte angelegten Bauprogramm die Verantwortung für eine stadtteilnahe Versorgung mit Frei- und Hallenbädern, die teilweise auch architektonisch stadtbildprägend wirkten.
Auf ein verändertes Freizeitverhalten und die nahezu flächendeckende Ausstattung der Wohnungen mit Bädern reagierte Frankfurt ab Anfang der 1980er Jahre mit Erlebnisbädern. In den 1990er Jahren gerieten die kommunalen, vielfach sanierungsbedürftigen Bäder in eine tiefe Krise. Die Stadt privatisierte zwar trotz vehementer Bürgerproteste das Stadtbad Mitte und schloss das Tillybad, übernahm aber das Farbwerksbad, heute Silobad, und konnte die drohende Schließung weiterer Bäder abwenden. Um den Kommunalhaushalt langfristig von den Defiziten der Bäder zu entlasten und den Bestand zu sichern, überführte Frankfurt seine Schwimmstätten 2003 in die städtische BBF. Parallel dazu ist in Fitnessclubs und Wellnessoasen inzwischen wieder ein beachtliches Angebot privat geführter Schwimmstätten entstanden, die allein den Gesetzen des Marktes unterliegen.
„Ausstellung und Begleitbuch veranschaulichen, welchen Stellenwert unterschiedliche Epochen Hygiene, Erholung, Geselligkeit und sozialer Integration einräumten und welche ästhetischen oder technischen Lösungen sie dafür fanden“, so die Kuratorin und Autorin Jutta Zwilling. Die Frankfurter Historikerin förderte nicht nur unbekannte Schätze aus den Beständen des Instituts für Stadtgeschichte zu Tage, sondern auch seltene Stücke öffentlicher und privater Leihgeber.
Foto:
Strandbad Eschersheim, 17.07.1927, © Privatbesitz.
INFO:
Das 100-seitige, reich bebilderte und mit Karten ausgestattete Begleitbuch ist bei Henrich Editionen erschienen (ISBN078-3-943407-45-7) und im Gesundheitsamt, Kasse im zweiten Obergeschoss, im Institut für Stadtgeschichte, an der Kasse, sowie im Buchhandel zum Preis von 14,90 Euro erhältlich. Die Ausstellung ist zu den üblichen Öffnungszeiten des Gesundheitsamtes von Montag bis Freitag zwischen 8 und 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.