Wie Hans Krollmann (SPD) einmal die CDU und hessische Elternvertreter sprachlos machte. Nachschlag 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das fing also mit dem Interview im letzten Jahr an, wo sich Kurt Nelhiebel wünschte, daß doch nach Wolf Biermanns ERMUTIGUNG zur deutschen Einheit auch mal die MOORSOLDATEN im Deutschen Bundestag erklingen sollten als öffentliche Anerkennung des durch Kommunisten geleisteten Widerstands der Nazi-Diktatur gegenüber.
Und dann war dies sogar offizielles Programm der diesjährigen Ehrenstunde im Deutschen Bundestag zur Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee, das LIED VON DEN MOORSOLDATEN. Und was hat Hans Krollmann damit zu tun? Irgendwann erzählen wir das einmal ganz ausführlich, was hier nur im Ablauf geschildert wird. Hans Krollmann (SPD) war u.a. von 1974-84 auch Hessischer Kultusminister. Das waren die Jahre, die als bildungspolitischer Abschwung auf den Aufschwung seines Vorgängers Ludwig von Friedeburg folgten, der mit der Gesamtschule zumindest in Hessen das aus dem 19. Jahrhundert überkommene ständische Drei-Klassen-Schulsystem zugunsten einer demokratischen gemeinsamen Schule abschaffen wollte. Diese Schule sollte jeden fördern, eben auch Kinder der Arbeiterklasse, der, wie es heute heißt: bildungsfernen Schichten. Und vor allem den Lehrplan entrümpeln zu Gunsten von dem, was Heranwachsende brauchen und dem, was in einer Demokratie nötig ist.
Das führte zum Elternkampf derjenigen, die mit mehr Nachwuchs an den Futtertöpfen der Eliten, aber auch der überhaupt Besserverdienenden die Zukunftschancen ihrer eigenen Kinder gefährdet sahen, sich zum Hessischen Elternverein zusammenschlossen, ihre gute Erziehung vergaßen und nicht nur Radau machten, sondern militante Elternversammlungen abhielten, die mit über 5 000 aufgebrachten Eltern nachmachten, was sie von der Studentenbewegung gelernt hatten.
Um die öffentliche Debatte in Hessen, die wirklich aus dem Ruder gelaufen war, auf eine sachlichere Ebene zurückzuführen und sie von Fachleuten austragen zu lassen, hatte der neue Kultusminister Hans Krollmann ein 'ministerielles Hilfsorgan' geschaffen, den sogenannten RAHMENRICHTLINIENBEIRAT. In dem saßen die gesellschaftliche relevanten Gruppen und diskutierten über die Rahmenrichtlinienentwürfe, die für die Gymnasiale Oberstufe Kursstrukturpläne hießen. Dann wurde abgestimmt. Die jeweilige Mehrheit war dann die Empfehlung für den Kultusminister, der diese immer einhielt, schließlich hatte er sich ja dieses Beratungsgremium selbst geschaffen.
Und jetzt geht es los. Großer Aufstand der Eltern bei der Besprechung des Kurstrukturplans Gemeinschaftskunde. Viel zu viel Nationalsozialismus, viel zu viel, viel zu viel...es war eine schreckliche Diskussion, an der sich die einzelnen gesellschaftlichen Vertretungen lautstark beteiligten, nicht aber der Kultusminister, der zuhörte. Als jedoch das Geschrei der Elternvertreter gar zu sehr in Richtung dessen abglitt, was man jederzeit mit Revanchismus und zwar der widerlichsten Art kennzeichnen kann, da fing Hans Krollmann als Versammlungsleiter vorne sitzend ganz leise an zu singen:
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Es wurde totenstill im großen Saal des Hessischen Kultusministeriums. Und nun stockt die Erinnerung. Hatte Krollmann die einzelnen Strophen gesungen oder nur den Refrain wiederholt? Was aber heute noch zu spüren ist, immerhin gehört dies Ereignis in die zweite Hälfte der Siebzigerjahre, das ist die Gänsehaut, die mich befiel, die ich als Vertreterin der hessischen Lehrerinnen diesem Gremium angehörte. Totenstille. Niemand wollte mehr etwas sagen, beantragen etc. Es wurde die vorgesehene intensivere Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in den Kursstrukturplänen der Gymnasialen Oberstufe abgestimmt. Zustimmung. Einstimmig.
Dies am Gedenktag zu Auschwitz, der Befreiung der KZ-Häftlinge auch zum Gedenken an Hans Krollmann, der mit dem Lied der Moorsoldaten die Elternschar außer Kraft setzte, die „den Nationalsozialismus“ schulisch für genug behandelt und sowieso vorbei wähnten. Ein Lied sagt mehr als tausend Worte. Hans Krollmann wurde, wie ich jetzt nachlas, auch im letzten Jahr zu seinem 85. Geburtstag in Kassel vom Oberbürgermeister geehrt, weshalb wir dieses schöne Bild haben und aus der Ehrung zitieren dürfen:
„Vorausschauendes Wirken für Kassel“
„Hans Krollmann hat durch sein vorausschauendes Wirken für seine Heimatstadt Kassel viel geleistet.“ Oberbürgermeister Bertram Hilgen würdigte damit im Namen der Stadt Kassel den ehemaligen hessischen Finanzminister und Kasseler Ehrenbürger Hans Krollmann, der am Freitag, 7. November, seinen 85. Geburtstag begeht. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang habe sich Hans Krollmann in seinen verschiedenen Funktionen in außergewöhnlicher Weise erfolgreich für Kassel und seine Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. „Dafür sind wir dankbar, und deshalb gelten ihm unsere allerbesten Wünsche.“
Kasseler Ehrenbürger seit 2010
Und wo wir schon dabei sind, geben wir die Informationen der Stadt Kassel zu Hans Krollmann weiter, die uns völlig neu sind und beeindrucken: 2010 hat die Stadt Kassel Hans Krollmann mit der Ehrenbürgerwürde die höchste Auszeichnung verliehen, die sie vergeben kann. Der Jurist Krollmann war ab 1959 für die Stadt Kassel tätig, zunächst im Rechtsamt und anschließend in der Polizeiverwaltung. 1965 wurde er Polizeipräsident und 1967 zum Kämmerer der Stadt Kassel gewählt. 1969 wechselte Hans Krollmanns auf die Landesebene nach Wiesbaden: zunächst als Staatssekretär, dann als Landtagsabgeordneter der SPD, Umweltminister, Kultusminister und schließlich Finanzminister in der Hessischen Landesregierung.
Seinen reichen Erfahrungsschatz und seine Aufgeschlossenheit neuen Aufgaben und Erfahrungen gegenüber setzte Hans Krollmann auch im ehrenamtlichen Engagement neben und nach seiner aktiven beruflichen Laufbahn sowie vielfältigen Aktivitäten und Projekten ein. "Vor allem ist er zu einem hochgeschätzten Interessenvertreter der Kasseler Kultur geworden", so OB Hilgen. Dem Staatstheater und seinen langfristigen Perspektiven galt dabei seine besondere Aufmerksamkeit. Um den A-Status des Kasseler Orchesters zu erhalten, gründete er den Verein "Bürger pro A". Damit bewirkte er eine breite Solidarisierung der Kasseler Bürger mit ihrem Orchester. Hans Krollmann ist mittlerweile in Anerkennung seines Engagements Ehrenmitglied des Kasseler Staatsorchesters, das ihm zu seinem 85. Geburtstag musikalisch danken will.
Ferner ist der Kasseler Ehrenbürger auch Mitbegründer der Musikschule Kassel und engagierte sich unter anderem im Verein "Gegen Vergessen – für Demokratie" sowie in der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen.
Das Wohl der Stadt Kassel, insbesondere die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, lag und liegt ihm besonders am Herzen. OB Hilgen: "Als politischer Baumeister der Universität – auch bei ihr in Ehrenbürgerwürde - hat Hans Krollmann nicht nur bildungspolitisch, sondern auch infrastrukturell und wirtschaftlich einen Impuls für seine Heimatstadt gesetzt, dessen Bedeutung nicht groß genug eingeschätzt werden kann."
Die Moorsoldaten
(Lagerlied von Börgermoor)
Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Eichen stehen kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Morgens ziehen die Kolonnen
in das Moor zur Arbeit hin.
Graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Heimwärts, heimwärts jeder sehnet,
zu den Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Auf und nieder gehn die Posten,
keiner, keiner kann hindurch.
Flucht wird nur das Leben kosten,
Vierfach ist umzäunt die Burg.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann's nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen:
Heimat, du bist wieder mein.
Dann ziehn die Moorsoldaten
nicht mehr mit dem Spaten
ins Moor!
Text: Johann Esser, Wolfgang Langhoff (1933)
Musik: Rudi Goguel (1933)