IMG 4134ILM 2021 in Offenbach soll beides erfüllen: Kontinuität in Lederwaren und neuen Schwung nach der Corona-Depression, Teil 1

Claudia Schulmerich

Offenbach am Main (Weltexpresso) – Ausgerechnet die Lederwarenmesse muß nun den Vorreiter spielen. Deshalb ausgerechnet, weil sich die herkömmliche Lederwarenmesse auch ohne Corona einem Wandel gegenüber sieht, von dem man noch nicht weiß, wie er sich auswirken wird. Die Rede ist von der Abkehr, tierische Produkte für den menschlichen Gebrauch zu verwenden, deren Nutzen also durch Menschen aufzugeben, das, was man im Eßbereich vegan nennt, aber auch der Ausdruck für die Nichtverwertung und Nichtverwendung für Leder und Lederwaren ist, was insbesondere durch jüngere Leute strikt befolgt wird.

Aber dann gibt es noch weitere Probleme, denn die Lederwaren – große Taschen, kleine Taschen, Einkaufstaschen, Köfferchen, alle Größen von Koffern, nur die Schuhe sind nicht dabei, auch nicht die Ledermäntel, die es wohl gar nicht mehr gibt – haben eine alte Tradition, eine Handwerkstradition. Seit Urzeiten, genau, seitdem mit dem Auerochsen 1627 das letzte Ur, ein Wildrind, ausgestorben ist, kann man noch mal viele tausend Jahre zurückgehen, eigentlich bis zur Urbarmachung der Erde durch die Menschen, gibt es das Handwerk, das Fell von Tieren für den Menschen zu nutzen. Das Handwerk? Viele Handwerker, den Gerber, den Kürschner, den Sattler, den Schuster, den Feintäschner oder Portefeuiller und wahrscheinlich gibt es noch viel mehr, die mir gerade nicht einfallen. Ein Handwerk zu erlernen, geht in allen Bereichen, auch bei den Lederwaren zurück, in manchen Bereichen sogar dramatisch. Eigentlich eine Schieflage, die ob ihrer Auswirkungen für entwickelte Gesellschaften diskutiert werden müßte, aber nicht wird! Sicher hat dazu auch die industrielle Fertigung der Lederwaren mit dazu beigetragen, die schon seit langem viel billiger produzieren als es ein Lederhandwerker kann.

ilm Aber gleichzeitig war die Entwicklung neuer Modelle immer auf das Entwerfen und Fertigen von Hand angewiesen und wird es auch bleiben, bis aus Prototypen industrielle Dutzendware wird. Das sollte nur ein kleiner Einblick in die Lederwarenindustrie und sein Handwerk sein, dem in den letzten beiden Jahren Corona zusätzlich das Leben, das Verkaufen, das Kaufen, das Gebrauchen. schwer gemacht hat. Auch dies gleich doppelt. Wer im Home-Office sitzt, der braucht keine neue Handtasche, wer nur noch Lebensmittel einkauft, keine neuen großen Taschen für den Einkauf in der Stadt, in Warenhäusern und im Fachhandel, wer nicht mehr verreisen kann, braucht auch keine neuen Köfferchen, von den großen Koffern für den lange nicht mehr möglichen und heute noch für die USA unmöglichen Überseeflug ganz zu schweigen.

Und selbst diejenigen, die etwas hätten kaufen wollen, konnten das ja sehr lange nicht, lange im Jahr 2020 und auch lange im Jahr 2021. Von daher ist eigentlich erstaunlich, daß in beiden Jahren überhaupt so viel verkauft wurde, wie die Umsatzzahlen im nächsten Artikel aufzeigen. Zurück zur Lederwarenmesse, die Fachmesse ILM, in Offenbach, die auf eine 70jährige Tradition zurückblickt. Die Messe Offenbach konnte sich als Weltleitmesse im Bereich der Lederwaren etablieren, aber diese Position muß ständig gesichert werden, wobei wir genauer definieren sollten, was dort ausgestellt und vom Fachhandel geordert werden kann: Taschen- und Accessoires Anbieter und jegliche Form von Reisegepäck und – und das ist eine neue Entwicklung: auch Schuhe sind hinzugekommen und man kann davon ausgehen, daß sie sich auf der Lederwarenmesse etablieren.

Natürlich können Worte die Formen und Farben der Lederobjekte, die auf dem Messegelände in den verschiedenen Hallen ausgestellt sind, nicht wiedergeben. Das muß man schon mit eigenen Augen tun. Man kann sich auch bequem zurücklehnen und die zu festen Zeiten ablaufenden Runway Shows anschauen und dabei eine Menge junger Leute, einige Männer, mehr Frauen, alle in schlichtem Schwarz, die zu etwas aufdringlicher Musik die neuen Modelle der wichtigsten Aussteller vorführen. Schon witzig. Und auch der Nichtfachmann, die Nichtfachfrau sieht auf einen Blick, was angesagt ist: sehr viel Weiß, Erdtöne, aber auch Knalliges. Das zu den Farben. Die Handtaschen bringen Viererlei. Es gibt weiterhin die großen Taschen für Frauen, die über der Schulter getragen auch den Laptop transportieren können, den kleineren Einkauf sowieso. Es gibt die traditionelle Handtasche, also die, die man an den Bügeln an der Hand trägt. Und natürlich gibt es auch die kleine Tasche, die man wie früher die jungen Mädchen schräg über der Brust trägt, also rechte Schulter der Träger und linke Hüfte die Tasche – oder umgekehrt. Und dann – diese Entwicklung wird immer stärker, gibt es die Rucksacktasche, also eine Kombination von Rucksack, mit langen Trägern also, und Tasche mit kurzen Schlaufen.

Auffällig ist der - in meinem Augen - Sieziger Jahre Look bei einigen Taschen mit langen Fransen zum Beispiel. Ansonsten ist Ethno auch durch Flechtwerk und Schnüre vertreten, die in Leder nachgeahmt sind, was den Taschen insgesamt ein weiches, eher rundliches Aussehen gibt. 

Ist Ihnen aufgefallen, seit wann die meisten Rucksäcke dieses viereckige Format haben, das vor ca. 10 Jahren noch extremer ausfiel. Leider konnte beim Rundgang keiner der Hersteller meine Frage nach dem WARUM beantworten. Meine Antwort war nämlich, daß sich die Lederwarenindustrie damit auf die Mitnahme von Rechnern eingestellt habe. Aber das hat mir niemand bestätigt, bleibt für mich aber eine sinnvolle Wahrscheinlichkeit.

Übrigens, Männer tragen auch Taschen. Die Rucksäcke sowieso, aber eben auch große Taschen über der Schulter. Mit flottem Gang.

Daß Messen auch ein Fortbildungsprogramm für den Lederwarenhandel ist, zeigt das umfängliche Vortrags- und Diskussionsprogramm. 

Und daß sich die Lederwarenhersteller längst auf vegane Kunden eingestellt haben, zeigen die Stoffverarbeitungen und andere textile Materialien, die längst bei vielen Produkten das Leder ersetzen. Alles ist möglich. Der Kunde der König. 

Fotos:
©wpo

Info:
ILM, Lederwarenmesse Offenbach auf dem Offenbacher Messegelände vom 4. bis 6. September 2021