16. Technischer Kongress des VDA in Hannover

 

Hans Weißhaar

 

Hannover/Berlin (Weltexpresso) – Jede Verlautbarung des Verbandes der Automobilindustrie ist mit einem Zitat ihres umtriebigen Präsidenten Matthias Wissmann verziert, der wenig falsch macht. So auch hier: „Das Ziel der deutschen Automobilindustrie ist der unfallfreie Straßenverkehr!“ Auch im folgenden 'erklärt' Wissmann, 'forscht' er, 'betont' er, 'sagt' er, 'fordert' er.

Deutlicher heißt es dann: „Die deutsche Automobilindustrie ist dabei, Sicherheit im Straßenverkehr völlig neu zu definieren. Die Zukunft liegt in der Vernetzung der Fahrzeuge untereinander, mit der Infrastruktur und dem Internet. Autos kommunizieren über Mobilfunk oder W-LAN miteinander. Wir werden in Echtzeit vor Unfällen gewarnt, können Staus umfahren, Reisezeiten verkürzen und so Umweltressourcen sparen. Unser Ziel ist der unfallfreie Straßenverkehr“, erklärte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), zum Auftakt des 16. Technischen Kongresses des VDA auf dem Messegelände Hannover.

 

Unsere Unternehmen entwickeln die sichersten und zugleich die effizientesten Fahrzeuge. Dieser Erfolg basiert auf der ungebrochenen Innovationsbereitschaft unserer Hersteller und Zulieferer“, sagte Wissmann. Mit über 500 Teilnehmern ist der Technische Kongress des VDA das größte und bedeutendste Technologie-Symposium der Automobilindustrie in Europa. Hochrangige Vertreter von Automobilherstellern, Zulieferern, Wissenschaft und Politik diskutieren am 20. und 21. März 2014 über Fahrzeugsicherheit und Elektronik sowie über Umwelt, Energie und Elektromobilität.

 

Über 27 Milliarden Euro pro Jahr investiere die deutsche Automobilindustrie weltweit in ihre Innovationen, so Wissmann. Alleine 17,4 Milliarden Euro davon entfielen auf den Standort Deutschland. Der VDA-Präsident betonte: „Seit 2009 hat die deutsche Automobilindustrie ihre F&E-Aufwendungen jedes Jahr alleine im Inland um rund eine Milliarde Euro erhöht. Sie leistet damit rund ein Drittel der gesamten industriellen Forschungsinvestitionen in unserem Land. Diese Investitionen zahlen sich aus – die Automobilindustrie ist die innovativste Branche. Das zeigt sich besonders im Bereich der Effizienzsteigerung“, führte der VDA-Präsident aus.

 

Allein im vergangenen Jahr hätten die neu zugelassenen Pkw deutscher Konzernmarken ihren durchschnittlichen CO2-Ausstoß um 3,8 Prozent auf 136 Gramm reduziert. „Unsere Hersteller bieten heute 878 Modelle auf dem deutschen Markt an, die höchstens 130 g CO2 pro Kilometer ausstoßen. Davon bleiben 528 Modelle sogar unter 120 g CO2. Mit diesen Effizienzsteigerungen sind wir Vorreiter beim Klimaschutz. Wir haben bei der CO2-Reduktion viel erreicht – aber klar ist auch: Wir können diese Erfolge nicht beliebig fortsetzen. Noch gibt es Einsparpotentiale, die dieser Technische Kongress aufzeigen wird. Wir werden allerdings in nicht allzu ferner Zukunft die Grenzen dessen erreichen, was technisch machbar ist. Wir müssen deshalb der europäischen Politik vermitteln, dass mit immer neuen Reduktionszielen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie gefährdet wird", sagte Wissmann.

 

Bei der Elektromobilität sei davon auszugehen, dass 2014 fünfstellige Zulassungszahlen in Deutschland erreicht werden können, so Wissmann. „Bis Ende 2014 bringen die deutschen Hersteller 16 Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. Nun kommt es darauf an, dass diese Antriebsart gerade auch im Firmenwagensegment Fahrt aufnimmt. Elektrofahrzeuge müssen noch attraktiver werden. Darum hat die Nationale Plattform Elektromobilität vorgeschlagen, Unternehmen, die Elektrofahrzeuge als Firmenwagen anschaffen, eine Sonderabschreibung zu ermöglichen. Wenn diese gewerblichen Fahrzeuge erst einmal auf der Straße sind, wird auch die private Nachfrage schnell steigen“, erklärte Wissmann.

 

Deutschland sei das einzige große traditionelle Automobilland, das in den vergangenen zehn Jahren seine Automobilproduktion am Standort noch steigern konnte – auf 5,4 Mio. Pkw. im Jahr 2013 –, während im gleichen Zeitraum die Auslandsproduktion kräftig zugelegt hat. Der VDA-Präsident forderte die europäische Politik auf, den Standort Europa zu sichern. „Deutschland erwirtschaftet rund 30 Prozent der industriellen Bruttowertschöpfung der EU – mehr als Großbritannien, Frankreich und Spanien zusammen. In allen großen westeuropäischen Volkswirtschaften außer Deutschland ist der industrielle Bruttowertschöpfungsanteil von 2002 bis 2012 gesunken. Die Energiekosten sind hingegen innerhalb von vier Jahren um 21 Prozent gestiegen. Es ist höchste Zeit zu handeln, um Europas Industrie als Garant für Wohlstand, Wachstum und Arbeitsplätze zu schützen", sagte Wissmann.

 

 

Grußwort aus Niedersachsen

 

In seinem Grußwort hob Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, die Bedeutung der Automobilindustrie für den Standort Niedersachsen hervor: „Die Automobilhersteller und Zulieferer sind – auch mit ihren großartigen Exporterfolgen – der Motor unserer niedersächsischen Wirtschaft. Die Automobilindustrie steht derzeit vor großen Umbrüchen: Verändertes Konsumentenverhalten, die Verknappung fossiler Energieträger und die Weiterentwicklung der modernen, vernetzten Kommunikation stellen die Branche vor bedeutende Herausforderungen. Wir möchten diese Veränderungen aber als Chance begreifen und den Dialog mit der Industrie weiter vertiefen. Das gilt vor allem für die Zukunftsfelder Elektromobilität, Leichtbau und moderne Informations- und Kommunikationstechnik. Deshalb sehe ich den Technischen Kongress für Wirtschaft und Wissenschaft als eine hervorragende Plattform, um Forschungsergebnisse zu präsentieren, Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Hier stehen die Themen, die uns bewegen, auf dem Programm: Elektromobilität, vernetztes Fahren und die Reduzierung des CO2 -Ausstoßes“, so Lies.

 

 

Thesen und Diskussion

 

Ein Schwerpunkt der Thesen von Prof. Dr. Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Aktiengesellschaft, war die Verschmelzung von Automobil und digitaler Welt: „Die Digitalisierung wird revolutionäre Folgen für das Automobil und für unsere Branche als Ganzes haben. Die Menschen erwarten, dass ihr Auto genauso vernetzt ist wie das Smartphone, dass also beide Welten miteinander verschmelzen. Der Automobilstandort Deutschland muss auch bei dieser Zukunftstechnologie eine Führungsrolle übernehmen: Das perfekte Auto ist effizient, emotional und voll vernetzt.“

 

Dr. Elmar Degenhart, Vorstandsvorsitzender der Continental AG, stellte in seinem Vortrag das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt. „Verkehrsunfälle gehören ins Museum. Das ist keine Utopie mehr. Denn das Auto der Zukunft wird durch einen Schutzmantel aus Fahrzeugdaten und Informationen anderer Verkehrsteilnehmer immer besser Unfälle vermeiden können“, so Degenhart.

 

In seiner Ansprache mit dem Titel „Auswirkungen des transatlantischen Freihandels auf die Fahrzeugsicherheit“ ging Bernhard Mattes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, auf das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU ein: „TTIP bietet die einzigartige Chance, die hohen Standards und Normen gemeinsam weiterzuentwickeln und so einen zentralen Baustein für die Zukunft einer freiheitlichen, internationalen Wirtschaftsordnung zu legen. Vor allem für die Automobilindustrie ergäbe sich eine Lokomotivfunktion für die asiatischen Märkte und durch den Wegfall der Nichttarifären Handelshemmnisse ein enormes Potential für zusätzliches Exportwachstum in die USA sowie signifikante Lieferungen in weitere Staaten.“

 

Die Eckpfeiler

 

Die Themen „Umwelt, Energie und Elektromobilität“ und „Fahrzeugsicherheit und Elektronik“ bilden die beiden Eckpfeiler des 16. Technischen Kongresses des VDA. Zu den Referenten gehören – neben Matthias Wissmann, Olaf Lies, Prof. Dr. Martin Winterkorn, Dr. Elmar Degenhart und Bernhard Mattes – unter anderem: Helmut Matschi, Mitglied des Vorstands der Continental AG, Karl Stracke, President Magna Steyr Fahrzeugtechnik und Engineering, Magna Steyr AG & Co. KG, Prof. Dr. Lutz Eckstein, Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge an der RWTH Aachen, Dr. Eckhard Scholz, CEO Volkswagen Commercial Vehicles, Alessandro Bernardini, PD&E – Innovation Truck & Bus, Alternative Traction & Electrification Director, IVECO S.p.A., Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Arne Schönbohm, Präsident des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland e.V., und Eckard Eberle, CEO Industrial Automation Systems, Siemens AG.

 

Das Tagungsprogramm steht unter http://www.vda.de/de/veranstaltungen/kongresse/technik/tk_2014/index.html

 

 

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