Stove Test Stand c JohannHeeNeue Verbundstudie bewertet technische Maßnahmen gegen den Schadstoffausstoß von Kaminöfen

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wie effektiv elektrostatische Abscheider und Katalysatoren den Schadstoffausstoß von Kaminöfen reduzieren und dadurch Mensch und Umwelt schützen, haben Forschende der Goethe-Universität Frankfurt, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und der Universitätskliniken Aachen und Freiburg im Verbundprojekt "TeToxBeScheit" untersucht. Auf Basis ihrer Studie empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, künftig beide Technologien vorzuschreiben, um die Schadstoffbelastung für Mensch und Umwelt zu minimieren. Das Forschungsprojekt wurde durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.

 In Deutschland gibt es Millionen Kleinfeuerungsanlagen: Kaminöfen für den häuslichen Gebrauch, in denen Scheitholz verfeuert wird. Dabei gelangen viele partikuläre und gasförmige Schadstoffe in die Atmosphäre: Ultrafeine Rußpartikel, Kohlenmonoxid, leicht flüchtige organische Substanzen wie Formaldehyd, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und vieles mehr. Die Zahl der freigesetzten Stoffe geht in die Tausende, manche beeinflussen sich gegenseitig und werden dadurch noch gefährlicher.


In Deutschland schreibt die erste Bundesimmissionsschutzverordnung (1. BImSchV) Grenzwerte vor, auf EU-Ebene die Ökodesign-Richtlinie. Um den Schadstoffausstoß zu senken, werden sogenannte Minderungsmaßnahmen an den Kaminen angebracht wie elektrostatische Abscheider oder Katalysatoren. Der E-Abscheider lädt die Partikel im Abgas elektrostatisch auf, so dass sie am Kaminrohr abgeschieden werden. Der Katalysator hilft dabei, dass toxische gasförmige Substanzen zu nicht toxischen reagieren, so werden etwa Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid (CO2) und Wasser transformiert.


Zwar gibt es schon Studien zu Katalysatoren und E-Abscheidern, diese betrachteten aber nur wenige Schadstoffe des Abgases. In der Praxis sind Katalysatoren und E-Abscheider bisher wenig verbaut. Wie effektiv die Techniken wirklich sind, ist bisher unklar gewesen. Diese Wissenslücke konnte das Verbundprojekt "TeToxBeScheit" jetzt schließen.


Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von vier Instituten untersuchten, wie stark Katalysatoren und E-Abscheider einzeln und kombiniert den Schadstoffausstoß reduzieren und welcher Schutzeffekt für Mensch und Umwelt sich daraus ergibt. Das Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe (TEER) der RWTH Aachen koordinierte das Projekt. Es baute den Prüfstand, an dem die Abgas- und Partikelproben genommen wurden, und führte zusammen mit dem Universitätsklinikum Aachen die chemisch-physikalischen Untersuchungen durch. Das Universitätsklinikum Freiburg übernahm die humantoxikologischen und die Goethe-Universität Frankfurt die ökotoxikologischen Untersuchungen. Letztere führte ein Team der Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität unter Leitung von Prof. Dr. Henner Hollert, Dr. Sabrina Schiwy und Marc Wollenweber durch.


Prof. Hollert beschreibt das Besondere an "TeToxBeScheit" so: „Es ist die erste Schadstoffstudie an Kaminöfen mit einem integrierten Ansatz, der weit über die chemische Analyse einzelner Substanzen hinausgeht: Wir haben uns gemeinsam mit den anderen Partnern das Abgas , die emittierten Partikel und die Wirkung der Minderungsmaßnahmen vollumfänglich angeschaut, und zwar nicht nur die chemisch-physikalische Seite, sondern auch die humantoxikologische und die ökotoxikologische, also die Wirkung der Schadstoffe und Schadstoffkombinationen auf Mensch und Ökosysteme. Diese effektbasierte Untersuchung kann auch die nachteilige Wirkung bisher unbekannter Schadstoffe und Schadstoffgemische nachweisen und wurde so in ähnlichen Studien bisher noch nicht durchgeführt.“


Der Umwelttoxikologe und wissenschaftliche Mitarbeiter Marc Wollenweber untersuchte die Schadstoffe aus den Kaminöfen mit Zellkulturen und aquatischen Testsystemen. Denn in der Natur gelangen Schadstoffe auch in Gewässer, wenn sie beispielsweise durch Regen aus der Luft herausgewaschen werden. Diese Auswaschung simulierte er zusammen mit dem TEER und dem Uniklinikum Freiburg mittels Waschflaschen am Prüfstand. Danach schaute sich Wollenweber die Reaktion von drei aquatischen Modellorganismen an: Algen, Wasserflöhe und Fischembryonen.


Im Wasser mit unbehandeltem Rauchgas zeigte sich die Toxizität deutlich: Die Organe der Fischembryonen – eine Alternativmethode zu Tierversuchen mit Fischen – nahmen Schaden, die Wasserflöhe starben, die Algen wuchsen langsamer. Mit vorgeschaltetem Katalysator zeigten sich hingegen keine toxischen Effekte mehr, die Schadstoffbelastung der aquatischen Systeme ließ sich stark reduzieren. Dieses Ergebnis des biologischen Experiments bestätigten die chemisch-physikalischen Messungen. Der E-Abscheider erwies sich dagegen an der Feuerung als weniger effektiv. Erst als das Gerät weiter entfernt von der Feuerung angebracht wurde, sank die Toxizität. Der Grund: Erst im abgekühlten Abgas binden bestimmte Substanzen an Partikel und können so abgeschieden werden.


Bei den humantoxikologischen Untersuchungen am Universitätsklinikum Freiburg unter Leitung von Dr. Manuel Garcia-Käufer kam ein zellbasiertes Lungenmodell zum Einsatz, das die inhalative Wirkung der Abgase bewerten sollte. Das angewandte in vitro-Expositionsverfahren ist das derzeit fortschrittlichste Verfahren dieser Art. Bei den Untersuchungen wachsen die Lungenzellkulturen an der Grenzschicht zwischen Gas- und Flüssigphase und spiegeln somit die Bedingungen in der menschlichen Lunge wider. Die luftgetragenen Schadstoffe strömten von der luftzugewandten Seite über die Lungenzellen, so wie bei der Inhalation von Abgasen. Dann maßen die Wissenschaftler:innen, ob sich durch die (toxische) Belastung der Exposition zum Beispiel das Erbgut veränderte. Das Ergebnis: Auch humantoxikologisch schnitt der Katalysator zunächst besser ab als der E-Abscheider. Das lag auch wieder daran, dass E-Abscheider zwar die Feinstaubbelastung deutlich reduzieren, jedoch nur bedingt gasförmige Schadstoffe aus dem Abgas neutralisieren.


Für Frau Dr. Sabrina Schiwy, Teamleiterin in der Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie an der Goethe-Universität, sind die Katalysatoren folglich auch die „Gewinner“ der Studie. Sie hält die Katalysatoren für „universell wirksam“, sie könnten hochreaktive Substanzen reduzieren, die gasförmig oder gar als feine Partikel in unsere Lungen eindringen. Sie können bereits für wenige Geld, etwa 400 Euro nachgerüstet werden. Die unmittelbare Wirkung der E-Abscheider ist zunächst ökotoxikologisch und humantoxikologisch weniger augenfällig, dennoch sind sie als zusätzliche Minderungsmaßnahme unabdingbar, weil (insbesondere bei chronischer Belastung) gefährliche Feinstaubemissionen um bis zu 95 Prozent reduziert werden. Die E-Abscheider wirken damit in einem Bereich, den die Katalysatoren nicht abdecken. Diesen wichtigen Aspekt fand das TEER bei seinen Untersuchungen heraus.


Im Rahmen der Studie wurde auch die Wirkung der beiden Techniken in Kombination betrachtet. Wollenweber empfiehlt daher, Kaminöfen in Zukunft mit beiden Techniken zu versehen. Dabei sollte der E-Abscheider vor den Katalysator installiert sein, sodass er zuerst die Partikel abscheidet. Die gasförmigen Stoffe nimmt sich danach der Katalysator vor. Doch was bedeuten die Ergebnisse für die 1. Bundesimmissionsschutzverordung, die lediglich Grenzwerte vorgibt? Wollenweber meint: „Wir plädieren dafür, dass Grenzwerte am Stand der Technik für Minderungsmaßnahmen angepasst werden, damit keine Feuerung mehr ohne Minderung verkauft und aufgestellt wird.“



Foto:
Der Kaminofen auf dem Prüfstand: An der RWTH Aachen wurden die Abgase chemisch-physikalisch untersucht.
© Johann Hee


Info:
Abschlussbericht des Projekts zum Download:
Abschlussbericht des Verbundvorhabens "Kombinierte technische und toxikologische Bewertung von Emissionsminderungsmaßnahmen für Scheitholzfeuerungen" (TeToxBeScheit)
https://www.fnr.de/ftp/pdf/berichte/22041118.pdf
Quelle: Universität Frankfurt