
Maria Skottke-Klein
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung zur 49. PlagiariusVerleihung. Ich freue mich sehr, heute in meiner Funktion als Vizepräsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hier auf der „Ambiente“ den gefürchteten Schmäh-Preis, den Zwerg mit der goldenen Nase, überreichen zu dürfen.
Ich freue mich deshalb, weil ich dadurch mithelfen kann, das Problem der Produkt- und Markenpiraterie mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Denn das ist dringend nötig, meine Damen und Herren.
Gerade in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung ist der Erwerb einer Fälschung nur einen Mausklick entfernt: Warum das teure Original-Fußballtrikot kaufen, wenn der Onlineshop ein scheinbar identisches zum Bruchteil des Preises anbietet? Ist das Originalersatzteil wirklich besser als die günstige Nachbildung? Und dass die Tasche im Internet auf einmal so günstig ist, liegt sicher nur daran, dass der Händler irgendwelche Sonderkonditionen bekommt. Die großen Unternehmen machen ja sowieso schon genug Gewinn!
So rechtfertigen sich viele. Der Kauf einer Fälschung: ein Kavaliersdelikt – wenn überhaupt. Aber ist das wirklich so?
Meine Damen und Herren, in kaum einem anderen Bereich klafft die subjektive Wahrnehmung von Konsumentinnen und Konsumenten und Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien so weit auseinander wie beim Thema Produktpiraterie. Und das auf verschiedenen Ebenen.
Die wirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums ist gerade in Deutschland immens und daher der Schaden, den Produkt- und Markenpiraterie verursachen enorm: Nach Erhebung des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) erwirtschaften hierzulande Branchen, deren Geschäft besonders stark auf Schutzrechten des geistigen Eigentums – also auf Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und Designs – aufbaut, fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts. Ihnen gehören rund ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland an. Laut dem EUIPO gingen deutschen Unternehmen der Bekleidungs-, der Kosmetik- und der Spielzeugindustrie, die besonders stark betroffen sind, durch Produkt- und Markenpiraterie zwischen 2018 und 2021 Einnahmen in Höhe von fast 4 Milliarden Euro verloren. Zudem hat der Handel mit Fälschungen diese Branchen rund 40.000 Arbeitsplätze gekostet.
Betrachtet man die ganze EU, so sind die Zahlen noch alarmierender: 2023 wurden etwa 152 Millionen gefälschte Artikel mit einem geschätzten Wert von über 3,4 Mrd. EUR beschlagnahmt. Der Wert der entdecken Falschprodukte stieg somit um 68% gegenüber 2022.
Meine Damen und Herren, das sind die harten Zahlen. Wirtschaftliche Fakten. Aber damit erreicht man offensichtlich nicht jeden. Besonders verbreitet ist der Kauf von Fälschungen unter jungen Menschen. Ich nehme an, die meisten von Ihnen haben Teenager oder junge Erwachsene im Verwandten- und Bekanntenkreis. Die sogenannte Generation Z nimmt es noch nicht allzu genau mit der Unterscheidung zwischen Original und Fälschung. Im Alter zwischen 15 und 24 Jahren haben 21% der Deutschen nach einer Befragung des EUIPO schon einmal wissentlich online Fälschungen gekauft. Unter allen Deutschen liegt dieser Anteil bei zehn Prozent.
Stellen Sie sich nun vor, Sie erfahren von einem dieser jungen Leute aus Ihrem Umfeld, dass die Person ein gefälschtes Produkt gekauft hat – eine Uhr, ein Fußballtrikot, eine schicke neue Tasche. Angenommen, der junge Mensch lässt sich weder von schwindender Wertschöpfung noch von verlorenen Arbeitsplätzen überzeugen. Für diesen Fall gibt es weitere gravierende Argumente.
Ein aktueller Bericht von EUIPO und der europäischen Polizeibehörde Europol beschreibt, dass die Anbieter von Fälschungen oftmals Teil eines Netzwerks organisierter Kriminalität sind. Verbraucherinnen und Verbraucher unterstützten mit dem Kauf solcher Waren mitunter unbeabsichtigt weitere schwerwiegende Straftaten wie Cyberkriminalität, Geldwäsche und Umweltdelikte.
Sogar internationaler Terrorismus wird über den Handel von Fakes finanziert. So hat beispielsweise laut Medienberichten ein Attentäter des Charlie-HebdoAnschlags vor 10 Jahren (2015) in Paris, gestanden, durch den Handel mit gefälschten Nike-Schuhen aus China 50.000 Euro erwirtschaftet und damit seine Terrorismus-Reisen und die Waffen für das Attentat finanziert zu haben. Überhaupt ist der Handel mit Fakes für Terrororganisationen heute meist lukrativer als der Handel mit Drogen.
Selbst gefälschte Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel bringen kriminelle Banden in Umlauf. Der eben erwähnte Bericht nennt einen Fall, in dem Diät- und Ernährungs-Influencer in Rumänien bei ihren Followern für gefälschte Arzneimittel und Anabolika warben. Glücklicherweise waren die Ermittler erfolgreich und hoben ein geheimes Labor mit mehr als einer Million Tabletten aus.
Hier zeigt sich eine weitere Dimension der Gefahr, die mit Produktpiraterie verbunden ist: Wer eine Fälschung kauft, gefährdet unter Umständen auch seine Gesundheit. Sei es, weil ein Kleidungsstück schädliche Stoffe enthält, ein Ersatzteil oder ein Kinderspielzeug nicht geprüft ist oder ein Medikament falsch dosiert wurde.
Ich denke, mit dieser Fülle an Argumenten sollte es möglich sein, einen Großteil auch der jungen Leute davon zu überzeugen, welchen Schaden Produktpiraterie anrichtet. Nein, meine Damen und Herren, Produktpiraterie ist gewiss kein Kavaliersdelikt!
Wir als Deutsches Patent- und Markenamt wirken seit einiger Zeit verstärkt an der Sensibilisierung mit.
Unser Kerngeschäft ist natürlich in erster Linie das Erteilen von Patenten und Eintragen von Marken, Gebrauchsmustern und Designs. Als größtes nationales Patentamt in Europa und fünftgrößtes nationales Patentamt der Welt sind unsere 2.800 Mitarbeiter/innen damit beschäftigt, jährlich rund 59.000 Patente zu erteilen sowie rund 79.000 Marken zu registrieren. Hinzu kommen noch knapp 10.000 Gebrauchsmuster- und circa 29.000 Designeintragungen – nur um ein paar Zahlen zu nennen.
Damit schaffen wir für Sie die rechtliche Grundlage, Ihre Ideen und Erfindungen zu vermarkten und im Falle einer Verletzung durchzusetzen.
Vor einiger Zeit hat der Gesetzgeber unseren Auftrag erweitert: Seit 2022 sind wir offiziell auch dafür zuständig, die allgemeine Öffentlichkeit sowie kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) und Start-ups für das Thema „geistiges Eigentum“ zu sensibilisieren und über die Schäden, Gefahren und Risiken der Produktpiraterie aufzuklären.
Wir nehmen diesen gesetzlichen Auftrag mit viel Engagement wahr und haben bereits zahlreiche Kooperationen mit Schulen und Hochschulen, sowie seit vielen Jahren eine intensive Kooperation mit dem Zoll, um die Konsumenten – insbesondere die jungen – für das Problem der Marken- und Produktfälschungen zu sensibilisieren. Zudem arbeiten wir eng mit unseren Europäischen Partnern zusammen, beispielsweise der Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums, um gemeinsam und grenzüberschreitend das Ausmaß und die Gefahren der Produkt- und Markenpiraterie zu identifizieren und Problemlösungen zu erarbeiten. Hierzulande vernetzen wir die nationalen Strafermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften – zum Beispiel bei einer jährlichen Konferenz. So wollen wir den Informationsaustausch bei der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie verbessern.
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, ist die Ahndung von Produkt- und Markenpiraterie gerade im außereuropäischen Ausland eine große Herausforderung. Hier spielt die Sensibilisierung eine entscheidende Rolle. Wenn die Konsumenten hierzulande Fake-Produkte ablehnen, haben wir unser Ziel erreicht. Denn ohne die entsprechenden Käuferinnen und Käufer gibt es keinen Markt mehr.
KMU und Start-ups, die keine eigene IP-Abteilung vorhalten können, versuchen wir verstärkt mit Hilfe unserer 17 Kooperationspartner auf lokaler Ebene, den Patentinformationszentren, über den Nutzen des Schutzes geistigen Eigentums aufzuklären. Denn immer noch sind in der EU nur 10% der KMU Inhaber eingetragener Rechte und verschenken damit nicht nur bares Geld, sondern können ihre Rechte nicht durchsetzen, wenn ihr geistiges Eigentum verletzt wird. Wir haben für diese Zielgruppe wertvolle Tipps auf unseren Internetseiten zusammengetragen und geben Ihnen in unserer neu erschienen Broschüre „Rechte an geistigem Eigentum durchsetzen“ praxisnah Tipps und Hinweise, wie Sie beispielsweise Verletzungen Ihrer Rechte feststellen können oder was Ihnen im Falle einer Verletzung Ihrer Rechte zusteht. Natürlich dürfen wir als DPMA keine Rechtsberatung durchführen, das obliegt den Anwältinnen und Anwälten. Aber wer sich für fundierte Informationen zu diesem Thema interessiert, ist herzlich eingeladen, nachher bei uns am Messestand, den wir uns mit der Plagiarius-Stiftung teilen, vorbeizuschauen.
Aber nun, meine Damen und Herren, lassen Sie uns zur Preisverleihung kommen: Nur innovative und beliebte Produkte geraten ins Visier der Fälscher. Mein ausdrückliches Kompliment also an die Originalhersteller! Die dreistesten Nachahmer wollen wir jetzt deutlich benennen und herausstellen – und alle geschädigten Firmen ermutigen, die Verletzung ihrer Rechte nicht hinzunehmen.
Foto:
©marketSteel
Info:
Rede bei der Verleihung des „Plagiarius 2025“ im Rahmen der Messe „Ambiente“ am 7. Februar 2025 in Frankfurt am Main