IMG 1446Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk im Rahmen der Ambiente verliehen,  Ambiente 2025,  Teil 4

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Bei diesem Preis handelt es sich deshalb um etwas Besonderes, weil es der erste staatliche Preis nach dem 2. Weltkrieg war. Zudem, das wissen heute nicht mehr viele, ist Hessen als Bundesland ja überhaupt erst nach dem 2. Weltkrieg entstanden! Dieser Preis und seine Preisträger werden von den Fachleuten bestimmt.  Und da hat sich in der Auswahl etwas geändert. Für dieses Mal gilt:  Vielseitiger, innovativer und auch jünger denn je zeigte sich das Deutsche Kunsthandwerk in der diesjährigen Ausgabe des traditionsreichen Wettbewerbs.

In einem sehr starken Umfeld konnten sich drei Kunsthandwerker*innen mit ihren besonderen Arbeiten durchsetzen: Den ersten Preis erhielt der interdisziplinäre Designer Fabio Vogel für seine Glasobjekte 105LTR FORMS. Der zweite Platz ging an den Silberschmied Ludwig Menzel für seinen 4-armigen Kerzenleuchter. Mit ihrem Halsschmuck aus Zeichenkarton sicherte sich die Goldschmiedin Lydia Hirte den dritten Rang. Den Förderpreis erhielt die Industrie- und Produktdesignerin Anna Wanitschke, die mit ihren nachhaltigen Bürstensets überzeugte. Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk wurde am 07. Februar 2025 zum 73. Mal im Rahmen der Ambiente, der internationalen Leitmesse für Konsumgüter verliehen.

IMG 1444Feierlich überreicht wurde der mit insgesamt 13.000 Euro dotierte Staatspreis durch Carolin Friedländer, Referatsleiterin beim Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum (Foto oben). In ihrer Ansprache stellt sie Nachhaltigkeit und Facettenreichtum des Kunsthandwerks heraus: „Das Deutsche Kunsthandwerk verbindet Tradition mit Innovation und zeigt, wie durch den Einsatz von verschiedenen Materialien einzigartige Werke entstehen. Jedes Stück erzählt eine Geschichte – von den Händen, die es geschaffen haben, und den Ressourcen, die sorgfältig ausgewählt wurden.“

Zum Wettbewerb 2025 gingen 186 Einreichungen ein und damit noch einmal rund 25 Prozent mehr als im bereits sehr starken Vorjahr. Dazu bewarben sich über alle Disziplinen hinweg spürbar mehr jüngere Künstler*innen und legten sehr überzeugende Arbeiten vor. Julia Uherek (Foto links) , Bereichsleiterin Consumer Goods Fairs bei der Messe Frankfurt, unterstrich den Wert dieser positiven Entwicklungen auch für die Ambiente: „Weltweit wächst bei der jungen Designgeneration das Interesse an traditionellen Fertigungsmethoden und handwerklichem Können. Die konzeptionell starken Gestaltungsansätze, die in diesem Kontext entstehen, bereichern schon heute das Produktangebot der Konsumgüterwelt maßgeblich. Jetzt setzt sich dieser globale Trend auch spürbar im Deutschen Kunsthandwerk fort, was wir sehr begrüßen.“

Alle 25 nominierten Arbeiten des Wettbewerbs zeigt die korrespondierende Ausstellung auf der Ambiente noch bis zum 11. Februar 2025 in der Interior Design Halle 3.1, Stand H63.


Jury 2025

Die Auswahl traf eine fünfköpfige Jury, die viele Facetten des Kunsthandwerks und des Designs repräsentiert. 2025 saßen dieser bei:
· Alexandra Gerlach, Referentin Handwerk, Mittelstand, Handel, Wirtschaftsrecht im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum
· Dr. Sabine Wilp, Präsidentin des Bundesverbandes Kunsthandwerk
· Prof. Matthias Wagner K, Direktor des Museums für Angewandte Kunst Frankfurt
· Peter Philipp Schmitt, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
· Christoph Leuner, Holzgestalter, 1. Preisträger 2024


Preisträger*innen 2025 – Werk und Jurystatement

1. Preis: Fabio Vogel | Glasobjekte 105LTR FORMS

Fabio Vogel (1984) studierte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim (HAWK) und an der Burg Giebichenstein Halle. 2012 machte er sich mit einem Design Studio in der Nähe von Hannover selbständig. Seit 2016 ist er dazu an der HAWK in Hildesheim als Lehrbeauftragter tätig. In seinem Studio entwirft und entwickelt Fabio Vogel Objekte und Inneneinrichtungen: Möbel, Lifestyle Accessoires sowie zeitgenössische Sammler- und Designobjekte, für die er bereits zahlreiche Auszeichnungen erhielt.

Zum Wettbewerb überzeugte er die Jury mit seiner Gruppe von Glasobjekten 105 LTR FORMS. Ausschlaggebend für die Entscheidung war seine besondere Herangehensweise an das Material und der innovative Produktionsprozess: Als Basis für die Formgebung dient Vogel ein feuerfestes Textil, in das heißes Glas eingefüllt wird. So kann während des Prozesses das Material noch per Hand verformt werden. Das Textil wird nachträglich abgestreift und hinterlässt auf der Oberfläche des Glases ein zartes Dekor. Der geglättete obere Glasrand bildet dabei einen starken Kontrast zum restlichen Glaskörper; die Standfläche zeigt einen schönen Faltenwurf und lässt damit Reminiszenzen an das textile Trägermaterial erkennen.


2. Preis: Ludwig Menzel | 4-armiger Leuchter

Ludwig Menzel wurde 1964 in eine Keramiker-Familie hineingeboren, verfolgte jedoch einen anderen Weg. 1990, nach Abschluss seiner Ausbildung an der Zeichenakademie Hanau, trat er in die Werkstatt des international renommierten Gold- und Silberschmieds Hermann Jünger ein. Zehn Jahre lang lernte er vom Großmeister, bevor er in Berlin seine eigene Werkstatt aufbaute. Hier hat er in den letzten Jahrzehnten seine ganz eigene Ästhetik entwickelt, in der sich ein spielerischer Drang zum Experimentieren und Hinterfragen des Vertrauten durch technische Meisterschaft manifestiert. Seine Werke sind Ausdruck ungezähmter Kreativität, die national wie international Anerkennung findet.

Zum Wettbewerb reichte Menzel einen aus Messing gegossenen Kerzenleuchter ein, bei dem die Kerzen einarmig angehoben werden und dadurch über der Tafel schweben. Das Objekt überzeugte die Jury durch seine besondere dreidimensionale Optik und raue Haptik. Der Guss wird nicht geglättet oder poliert, sondern bewusst scheinbar unperfekt gelassen. In seiner Form mutet der Leuchter surrealistisch an und erinnert an Werke Dalis.


3. Preis: Lydia Hirte | Halsschmuck

Den dritten Preis erkannte die Jury der vielfach ausgezeichneten Schmuckgestalterin Lydia Hirte (1960) aus Dresden zu. Ihre Arbeiten sprechen von einer tiefen Faszination für die Flexibilität und die Kraft des Zeichenkartons. Hirte mag es, den Widerstand zu spüren, der ihr der Zeichenkarton entgegengesetzt. Auf diese Weise kreiert sie skulptural schmückende Gebilde, geprägt von Räumlichkeit, Richtung und Bewegung.

Durch die eigens entwickelte Technik nimmt das eher flexible und weiche Material Papier eine erstaunliche Stabilität an: Hirte schneidet alle Formen von Hand. In der Form gleich, weisen sie leicht unterschiedliche Längen auf. Bemalt mit selbstgemischten Kalligrafie-Tuschen, werden die Streifen lasiert, die Restfeuchte im Ofen entfernt. Zum Bündel gefasst, fixiert die Schmuckgestalterin sie an einer Stelle und beginnt in den Bündelenden Spannung aufzubauen und sie zu bewegen. Dabei tastet sie sich vorsichtig an die endgültige Form heran, um die besondere Dreidimensionalität des Schmuckstücks zu erzeugen. Durch Festzurren mit Perlseide erfolgt die endgültige Fixierung; Abschlussarbeiten machen es als Schmuckstück tragbar.


Förderpreis: Anna Wanitschke | Bürstensets

Nach ihrem Abschluss des Studiums der Philosophie in Leipzig studierte Anna Wanitschke (1991) an der Burg Giebichenstein in Halle Industriedesign. Dort lernte sie das Porzellan kennen und lieben. 2021 absolvierte sie ihren Master im Studiengang Product Design and Design of Porcelain, Ceramics and Glass. Es folgten diverse Praktika, unter anderem in Japan, Schweden und in einem Designstudio in London, sowie erste Designpreise. 2022 gründete sie gemeinsam mit Julia Wende das Studio WENWAN.

Zum Wettbewerb um den Hessischen Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk reichte Anna Wanitschke zwei Bürstensets ein, bei denen sich der Besatz vom Bürstenkörper trennen lässt. Idealerweise wird dieser im Biomüll entsorgt, der Bürstenkörper aber gereinigt und mit neuem Besatz versehen. Wanitschkes reduziert sich hierbei bewusst auf zwei Materialien: Bürstenkörper und Besatz werden durch eine einfache Steckverbindung zusammengefügt, so auf zusätzliches Trägermaterial oder Kleber verzichtet werden kann. Der Körper besteht aus Porzellan und damit aus einem hochwertigen, langlebigen und pflegeleichten Material. Die beiden Bürstenfamilien für Küche und Bad bestehen aus insgesamt neun Elementen. Der Jury gefiel die Arbeit mit ihrer japanischen Anmutung besonders gut. Sie sprach sich einhellig dafür aus, Anna Wanitschke den Förderpreis zuzuerkennen.


Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk

Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen, die Kunsthandwerker*innen in Deutschland erhalten können. 2025 wird dieser zum 73. Mal vergeben. Der Staatspreis wurde ins Leben gerufen, um einen Anreiz für besonders kreative Leistungen zu schaffen. Im Fokus stehen Arbeiten, die durch eigenständige Gestaltungsansätze, Innovation, Beherrschung von Material und Technik sowie ein kohärentes Gesamtbild überzeugen. Seit Gründung wird der renommierte Preis im Rahmen der Konsumgütermessen in Frankfurt verliehen.

Fotos:
Carolin Friedländer, Referatsleiterin beim Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum.
Julia Uherek, Bereichsleiterin Consumer Goods Fairs bei der Messe Frankfurt
©Redaktion

Info:
Ambiente/Christmasworld:
07. bis 11. Februar 2025
Creativeworld:
07. bis 10. Februar 2025