Internationaler Hochhaus Preis 2014. Partner: Stadt Frankfurt am Main - Deutsches Architekturmuseum - DekaBank Deutsche Girozentrale, Verleihung am 19.11.2014

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In einer Periode, in der gewachsene, bewährte Großstadtgesellschaften in weltweitem Umfang auseinanderzudriften, wenn nicht zu zerbrechen drohen, erbringen andersförmige, vom Hauptstrom abweichende, auch gelungene Einzelbeispiele der Baulichkeit ein wenig Entspannung in die Diskussion und Debatte um notwendige Lösungen für großstädtisches Wohnen.

 

Wobei allerdings die Regelung der Kostenfrage – was die Finanzierung von Nachfolgeprojekten betrifft – auf eine zeitnahe öffentliche Unterstützung wartet.

 

 

Die Großstädte in gespannter Lage und Verfassung

 

Skandalon unseres Zeitabschnitts ist die Spaltung und Erodierung der Stadtgesellschaften weltweit durch das verhängnisvolle, per Entscheid und Gewolltsein auch der Politik ermöglichte Wirken des von spekulativer Gier getriebenen Finanzmarktkapitalismus. Die Berichte hierüber gelangten ab etwa 2012 in überbordender Anzahl auf den morgendlichen Tisch. Es betraf die großstädtischen Gentrifizierungsprozesse weltweiten Umfangs. Seit 40 Jahren wird zu wenig in die gesamte Breite der Gesellschaft investiert, die Gesellschaften sind im Griff einer selbstreferentiellen Finanzindustrie. Ihr mangelt es völlig an Interessen, die dem Humanitätsideal unserer Gattung verpflichtet wären.

 

Frankfurt soll bei den Einnahmen, die aus dem neu geregelten kommunalen Finanzausgleich stammen, beschnitten werden. Das ist indirekt die Folge der Fehlallokation von Geld. Frankfurter Schulen modern unablässig vor sich hin. Bildung bleibt generell unterfinanziert. Geld marodiert um den Erdball, in den Kummunen aber fehlt es. These: Leute, die über großes Geld verfügen, sind in der Regel kulturlos, sonst würden sie so nicht handeln.

 

Unsummen zirkulieren im Spielcasino des Geldes. Nun hatte sich aber die Bankenfinanzgruppe der Sparkassen - im Zusammenhang mit der Preisverleihung durch die DekaBank auch mit am Werk – nicht so sehr in die abgründigen Tiefen des Finanzdisasters 2007/2008 begeben - nach allem, was wir wissen -, obgleich der Fälle und Beispiele doch einige waren, wie im weiteren Bekanntschaftskreis miterlebt werden konnte.

 

Der Tag der Preisverleihung für den Hochhauspreis 2014 war von vornherein – wie durch Intuition zu bemerken gewesen – ein nicht alltäglicher, weil es sich im gegebenen Fall nicht um einen einfach nur hochwertigen, dem Prestigebedürfnis angestrengter Kreise dienenden Architekturmüll zu handeln schien, um aufgemotzte Kasernen- und Verwahr-Architektur (von Ernst Bloch unter dem Begriff „Militärgeometrie“ subsumiert/Campanellas Stadtutopie lässt üblicherweise grüßen) - insbesondere für Kinder und Jugendliche eine schlimme Sache. Nun wurde klar, dass es um ein gelungenes Beispiel eines Werks der baulichen Kreativität ging, das zum Hautpstrom quer steht..

 

Beton hat keinen guten Ruf, zum Teil zurecht, hängt aber auch durchaus zunächst mit seiner Fehlverwendung zusammen, mit der Form, in die er gegossen wird. Das überwiegend sträflich schlechte Bauen einerseits und die altbiblische Autoflut - die durchgängige Autohalde – andererseits hat die Städte zerstört und machte sie an und für sich unlebbar, kaum des Erlebens wert, von Einzelspots abgesehen. Gleiches gilt auch für die Zerschneidung der Landschaften außerhalb der Städte, die das Landschaftliche abtötet.

 

Für eine Rettung der Stadt kann die Vorgabe nur lauten: wenn schon Beton – ein uraltes Material nebenbei – dann 50/50; die eine Hälfte Beton, die andere Hälfte Grün. Gegen 50 Grün – auch keine Rabatten nur, sondern Dickicht mitinbegriffen - darf nirgendwo verstoßen werden. Wer späte Kindheit und frühe Jugend in aufgegebenen Gartenanlagen, in einem unübersichtlichen Mischgebiet der Wiederaufbauära, im imaginierten Canyon von Sandgruben und in einem Restabschnitt der vulkanischen Wetterau – erkaltet natürlich -, nicht dauernd überwacht, sondern umherstreifend verleben durfte, weiß wovon er spricht und vertritt daher das Konzept 50:50 als Norm, ohne allen Abstrich. Das Erlebte und Ermöglichte wurde unverzichtbar wie nur etwas.

 

 

Die ins Weite geöffnete Tür für eine andere Stadt

 

Zumindest der Ansatz der angedeuteten Konzeption brach sich im Beispiel der ausgezeichneten Hochhausbauten - entstanden in Mailand/Italien – offenbar historisch Bahn. Ergebnis: zwei vertikal mit nicht einfach nur dekorativem, sondern substantiellem, langfristig angelegten Grün ausgestattete Hochhäuser, 80 und 112 Meter hoch. Da das Konzept offenbar durchdacht ist und nicht einfach nur spontan hingeworfen wurde, kann es als 'Prototyp' eines neu getriebenen Zweiges der Architektur in die Geschichte eingehen.

 

Sein Name: 'Bosco Verticale' - er steht für eine „Pionierarbeit für die Bepflanzung“. Der Preis geht an den Architekten wie den Bauherrn gemeinsam: 'Stefano Boeri, Architetti' und 'Manfredi Catella (Hines Italia SGR - Bauherr)', wie das Begleitmaterial zur Einführung verzeichnet. Der Preis - Preisgeld und Preisstatuette - wurden so am 19. November 2014 gegen Abend im Rahmen eines der Bedeutung des Anlasses entsprechenden Festakts in der Frankfurter Paulskirche von den Preisträgern entgegengenommen. Überreicht haben den Preis der Dezernent für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main Prof. Dr. Felix Semmelroth und Dr. Matthias Danne, Immobilien- und Finanzvorstand der DekaBank.

 

In einem Rundgang führte der Kurator Peter Körner in die Ausstellung „Best Highrises. Internationaler Hochhauspreis 2014“ im Deutschen Architekturmuseum ein. Hier waren Brüder und Schwestern aus ähnlichem Geiste wie dem der preislich ausgezeichneten Hochhäuser mit einem prüfenden Auge zu begutachten.

 

Die mit dem Preis zur Auszeichnung gelangten Hochhäuser gehören zum Revitalisierungsprojekt der Stadt Mailand, verbunden mit dem Park „Porta Nuova“, im Norden der Stadt. 'Metro-bosco' heißt das Gesamtprogramm der Verdichtung des Stadtgebiets unter beabsichtigten, nachhaltigen Bedingungen.

 

 

Die beiden Hochhäuser sind nicht einfach so mit Grün versehen, sondern weisen eine eingehend durchdachte, sorgfältig geplante 'Begrünung' auf. Das Wort Begrünung ist eigentlich unzuständig, zu schwach für das, was entstanden ist. Die Hintergrundinformation zur ungewöhnlichen Gestalt der Wohnhochhäuser besagt: „Die um einen zentralen Gebäudekern mit Aufzügen und Treppenhaus angeordneten Stockwerksplatten kragen unregelmäßig über die Fassaden hinaus. Dort bilden sie Terrassen, die mit Pflanzen und Bäumen bestückt sind. So ist jede der 113 unterschiedlich großen Wohnungen mit mindestens einer Terrasse ausgestattet, die wie ein kleiner Wald wirkt: insgesamt 480 große und mittelgroße Bäume wachsen an der Fassade, sowie 300 kleinere Bäume, die mit 11 000 Bodendeckerpflanzen und 5 000 Sträuchern durchmischt sind (dies entspricht einem Hektar Wald)“. (Angaben der Presseinformation)

 

Durchgängig ist ein Prinzip der versetzten Anordnung der Terassenbalkone verwirklicht. Die gewonnene Art und Qualität dieser Hochhäuser kann als die zur Zeit innovativste für eine Hochhausgestaltung gelten. Es ist auch ein Wandelbereich für gemeinschaftliche Nutzung mit Anbindung an den Park geschaffen. Der Trend geht also weg vom Kasten hin zum sozialen und naturnahen Gebilde und Gefüge. Wobei die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht als untergeordnet oder nachrangig betrachtet sind. Sie können sich ähnlich wie auf den bewohnten Dächern von Kairo auf einem Etagengelände bewegen.

 

Klug entwickelt sind: das Bewässerungssystem, die Sicherungskonzeption für die bis zu neun Meter hohen Bäume in 100 Metern Höhe, die regelmäßige Pflege und der Schnitt.

 

Selbstverständlich auch, dass diese ausgiebige Bepflanzung Staub und CO2 absorbiert und zur Bildung von Sauerstoff für das Stadtgebiet beiträgt.

 

Das kommende Hochhaus

 

In Anbetracht des zu erwartenden Zuwachses der Städte – auch gesehen in Anbetracht der Tatsache der Völkerwanderungen - dürfte das Wohnen in Hochhäusern unumgänglich und zum Standard werden. Die Losung kann/muss lauten: keine Zukunft ohne Hochhaus - aber das richtige, so fügen wir hinzu! Das spart Fläche, denn der voranschreitende zivilisatorische Flächenverbrauch ist für die relativ kleiner werdende Welt erstrangiges Problem. So etwas wie Riedberg - Frankfurt am Main - gehört dann der Vergangenheit an, die sich in Frankfurt nicht noch einmal wiederholen darf. Der vertikale Wald muss zum zentralen Bestandteil möglichst aller Neubauten werden. Diversität der natürlichen Systeme wird so ermöglicht, erhält Förderung, insbesondere auch unsere im Bestand gefährdeten Vögel. Sie können mit in die Stadt einziehen. Menschen haben Teil an Nestern der Natur, direkt da wo sie leben und wohnen.

 

Das fortschrittliche Hochhaus spart Energie und Ressourcen. Es arbeitet effizienter. Die Energie- und Ressourcenverbrauchswerte können im Verhältnis zu den gegenwärtigen auf ein Zehntel reduziert werden. Das klassisch-amerikanische Hochhaus mit der geschlossenen Hülle und dem hohen Energieverbrauch, diese lebensfeindliche Bewohnweise, zum Arbeiten ebenso fragwürdig, muss zur Vergangenheit werden, die Ära der Wohnmaschine ist zu Ende.

 

Problem aber sind noch die Erstellungskosten der Mailänder Hochhausschöpfung. Sie belaufen sich auf 9000 Euro pro Qm. Der Baukörper hat zunächst Modellcharakter. Die Forschung muss auf günstigere Nachfolger – ermöglicht auch durch verantwortbare Mengenvorteile – bedacht sein. Frankfurt am Main und Berlin könnten vorausgehen. Die Stadtpolitik in Frankfurt bekundet allzu formelhaft ein zentrales Interesse an einer den anderen Städten vorausgehenden nachhaltigen Stadtentwicklung. Es braucht aber ein bundesweites strenges Gesetz für die hoch gesteckten Parameter zukünftigen Bauens, bezogen auf das Unverzichtbare und Notwendige – denn darum geht es. Mickrigkeit ist unangebracht. Das mit 'Bosco Verticale' entstandene Paradigma muss noch vom Odium eines bloß elitären Wohnens befreit werden, sonst bleibt es praktisch Dekoration.

 

Der Mensch und ein Baum - 'mein Freund der Baum' - ein uraltes Thema. Mädchen und Jungen beliebt es, sich ins Baumhaus zurückzuziehen, täte das nicht auch 'Erwachsenen' zuweilen gut? Es gibt Einzelne, die das machen.

 

Architektur ist Weltverwandlung

 

Architektur verändert die Welt. Nicht, dass eine Gesellschaft aus der Architekturform konstruiert werden könnte, aber es ist unzweifelhaft, dass naturalisierte und humanisierte Bauweisen – geltend für die ganze Stadt und nicht nur einzelne Bauwerke – Stimmung und Lebensgefühl vorteilhaft prägen, die städtische Atmosphäre zu entspannen vermögen. Die Stadt macht heutzutage ungute Stimmung durch einen dauernden Druck der gesteigerten Unnatürlichkeit und durch die Hektik des Verkehrs. Dieser ist zu mindern. Wenige Prozente weniger machen schon viel, z.B. beim Lärm durch Fahrzeuge. Ein verhärmtes Gemüt weitet sich, ein Elementares wird zurückgewonnen, das Gefühl für das Selbst im Großen und Ganzen kehrt verstärkt zurück, tritt aus der Quarantänesituation heraus. Hinzu kommen muss Tempo 30 - für Frankfurt am Main. Das hilft viel – garantiert - auch den Gegnern der Entschleunigung! Diese sind nämlich sehr verbissen. Positive Nebeneffekte wie Verweilenkönnen und Ideen werden sich einstellen.

 

Immer ein Vorbild

 

Das schönste Gebäude der Welt aber ist und bleibt das UN-Hochhaus, auch weil es ein Versprechen auf eine bessere Welt noch immer in sich birgt. Mit diesem Gebäude sind wir ab einem gewissen Zeitpunkt als 'Halbwüchsige' bewusst in die Welt eingetreten, eingenommen von dem Anspruch, die gescheiterte Welt der Alten zu verändern und zu einer besseren zu machen. Heute stehen wir wieder vor einem Scheitern. Es war ein kurzes Zeitfenster nur, nach und nach zunichte gemacht von den Umtrieben einer zerstörerischen Finanzaristokratie. Es ist die weltweit voranschreitende Finanzialisierung, die Unterwerfung der Gesellschaft unter das System des überreichlichen Geldes - Synonym der Entnatürlichung und Dehumanisierung - die in unseren Tagen den traurigen Zenith erreicht, mit noch unabsehbaren Folgen für Mensch und Gesellschaft. Gut möglich, dass das UN-Hochhaus immer noch einen Geist birgt, der sich stets wieder neu aufrichtet und erneuert. Das UN-Gebäude ist das zur Form gewordene Symbol des Weltgeists der Aufklärung und Humanität. Wir vertrauen auf die leider etwas schwach gewordene Hintergrundkraft des aufklärerischen Geistes.

 

 

Info:

 

Der internationale Hochhaus Preis wird seit 2004 alle zwei Jahre von der Stadt Frankfurt am Main ausgelobt. Er wurde begründet gemeinsam von der Stadt Frankfurt, dem Deutschen Architekturmuseum und der DekaBank. Er wird in diesem Jahr zum sechsten Mal verliehen. Kriterien für seine Verleihung sind Nachhaltigkeit, äußere Form und innere Raumqualitäten wie auch soziale Aspekte, die zu zu einem vorbildlichen Entwurf verbunden sind.

 

Er richtet sich an Architekten und Bauherren, deren Gebäude mindestens 100 Meter hoch sind und in den vergangenen zwei Jahren fertiggestellt wurden.

 

Das Deutsche Architekturmuseum hat aus über 800 Hochhäusern, die innerhalb der letzten zwei Jahre fertiggestellt wurden, 26 herausragende Gebäude aus 17 Ländern nominiert. Eine internationale Expertenjury aus Architekten, Tragwerksplanern und Immobilienspezialisten wählte daraus fünf Finalisten.

 

Deutsches Architekturmuseum (DAM), Schaumainkai 43, Tel. 069/212 38844,

'Internationaler Hochhaus Preis 2014', 'Best High-Rises 2014/2015'

Di 11-18 Uhr, Do-So 11-18 Uhr, Mi 11-20 Uhr

 

 

https://www.dekabank.de/db/de/

www.international-highrise-award.com

www.dam-online.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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