Karl Doemens ist in der FR angetreten, den demographischen Faktor zu bemühen

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Artikel wird zum Lehrstück für die Beschwörung eines Ideologems. Karl Doemens referiert ganz zutreffend und sachgemäß die nicht von der Hand zu weisende Kritik an der Schröderschen Rentenreform, unternimmt dann aber eine Wende zugunsten der finanzindustriellen Säule.

 

Die Hans-Böckler-Stiftung preist in einer Studie zum Thema Rente das österreichische System der Altersvorsorge vor dem deutschen. 'Ein Vergleich zeige, „dass es auch in Deutschland keine Notwendigkeit gab, die gesetzliche Rente zu schwächen und die kapitalgedeckte Riesterrente einzuführen“'.- 'Die Erwartungen an den 2001 unter Gerhard Schröder begonnenen Aufbau einer privaten Altersvorsorgesäule hätten sich nicht erfüllt' (FR 25.01.2016) Wobei hinzugefügt werden darf: der Staat sollte sich aus der privaten Vorsorge heraus halten, es ist eine individuelle Einzelentscheidung.

 

Der Riester-Faktor (=Nachhaltigkeitsfaktor; vor allem das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern abbildend) - der mit erheblichen Kürzungen des Rentensatzes verbunden war - sei 'rückabzuwickeln'. Die Rentensysteme der beiden Länder sind nur bedingt zu vergleichen, auf die Details kommt es an. Immerhin: Die Ruhestandsbeträge differieren zwischen 1050 Euro (hier) und 1560 Euro (dort). 'Durchschnittlich werden damit hierzulande 37,5 Prozent des individuellen Bruttoverdienstes ersetzt. In der Alpenrepublik sind es 78,1 Prozent'.

 

Im zweiten Teil seiner Darstellung unternimmt Karl Doemens die Wendung zum Steckenpferd des Kritikers der gesetzlichen Rente mit dem üblichen Rekurs auf die vielbeschworene demographische Entwicklung. Als Hilfe dient das Drängen der OECD 'auf eine Anhebung des sehr niedrigen österreichischen Renteneintrittsalters...', wofür Deutschland als Vorbild gelte. 'Dringenden Reformbedarf' gebe es im alpenländischen Pensionssystem: 'es stehe „auf schwachen Beinen“', denn es 'sehe...keine Anpassung an die demographische Entwicklung vor'. Tiefere Ursachen für das tatsächlich geschwächte Rentensystem dort und hierzulande bleiben außen vor.

 

Dass eine hierzulande geschrumpfte – und weiter schrumpfende - Rente und Versorgung auch eine Folge der Ungleichgewichtigkeit in der Verteilung des wirtschaftlichen Erfolges oder – was die privaten Ersparnisse angeht – mit der traurigen Lage des Zinses zusammenhängen könnte, bleibt ausgeblendet.

 

Bei der Rente kommt es auf die Gegenwart an

 

Und diese jeweilige Zeit liegt in einer nicht voraussehbaren Zukunft.

 

Am besten fahren wir, wenn die Rente aus dem laufenden wirtschaftlichen Erfolg gezahlt wird. Die Arbeitnehmer haben ihn geschaffen, also sind sie die zu Begünstigenden. Eine zusätzliche Kapitaldeckung ist fragwürdig, wenn sie überbewertet und überbeworben wird. Sie entzieht der laufenden Konjunktur auch Anreize zum Investieren. Dieses Problem haben wir, da wir haarscharf am Rand der Deflation - unter Einschluss von möglicher Rezession - schrammen. Kaufkraft ging verloren. Ein ausdrücklich befördertes System, in Konkurrenz zur gesetzlichen Rente, sollte aus der privaten Zusatzrente nicht gemacht werden, vor allem nicht mit Steuermitteln; aus einer individuellen Entscheidung, wie auch immer, kann sie aber resultieren.

 

Ganz außen vor und ignoriert bleibt aber der folgende Sachverhalt: seit etlichen Jahren fand eine massive Umverteilung von den Arbeitnehmern zu den Unternehmen statt (ist auch der Fall in Japan; mit dramatischen Folgen). Die Unternehmen investieren aber nicht – wie erhofft -, sondern horten, sie beschicken die Finanzmärkte, auf denen mit dem Ertrag der Arbeit spekuliert wird. Daraus folgend hatten wir vor wenigen Jahren den Finanzcrash und eine anschließende Wirtschaftskrise, die noch immer nicht vorbei ist. Es knistert also im Gebälk.

 

Der entscheidende Fehler lag bei Gerhard Schröder. Er diente denen, um deren Anerkennung er sehnlichst buhlte. Unternehmenssteuern wurden gesenkt, Löhne gedrückt, Sozialleistungen gekürzt, menschliche Arbeit entwertet. Abgesehen davon, dass dadurch Kaufkraft verloren ging: entscheidend war, das es zu Beitragsausfällen in den Sozialversicherungssystemen und Staatshaushalten führte, so auch im System der Gesetzlichen Rente. Die Einnahmebasis wurde ausgehöhlt. Nebenbei hat er auch durch ruinösen Lohnunterbietungswettbewerb die Ungleichgewichte im europäischen Maßstab gespreizt und damit die Zerwürfnisse zwischen den Staaten in Gang gebracht. An diesem Punkt stecken wir fest.

 

Schröder hatte das Pech, dass während seiner Regierungszeit das Kapital sich nicht zur Realwirtschaft hingezogen fühlte – das galt als unschick -, sondern sich in die spanische und irische Immobilienblase ergoss. Dieses gemeingefährliche Investieren reichte bis in die Verbriefungen der US-amerikanischen Schrottimmobilienindustrie. Er hatte nicht den Atem abzuwarten. Der Aufschwung ab 2005 – den Angela Merkel abgraste - war nicht den Schröderschen 'Reformen' geschuldet, sondern war Folge der wiederbelebten Weltkonjunktur. Hochwertige Güter wurden erneut nachgefragt. Schröder hat sich in die Hände von Leuten begeben, die ihn gnadenlos abgezogen haben.

 

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