Neue globale Geschäftsmodelle verstärken die altbekannte Ausbeutung des Menschen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft setzen möchte, muss dazu keinen Aufstand anzetteln oder gar eine Revolution initiieren.


Es reicht völlig aus, sich EU-Kommission und EU-Parlament gefügig zu machen. Die internationale Wirtschaft, aber auch andere gut organisierte Einzelinteressen praktizieren das seit Jahren erfolgreich.

Bestimmte EU-Kommissare/innen erwecken sogar den Eindruck, die demokratische Stabilität Europas bewusst unterminieren zu wollen - zum Nutzen der Monopolwirtschaft. So führt Cecilia Malmström seit ihrer Berufung in das Amt einen regelrechten Feldzug zu Gunsten von TTIP. Sie schien sich lange Zeit ihrer Sache so sicher zu sein, dass sie selbst die übliche scheindemokratische Transparenz für überflüssig hielt. Der demokratische Widerstand, der sich daraufhin in fast allen Ländern bildete, scheint die Dame und ihre Hintermänner und Hinterfrauen überrascht zu haben.

Ebenfalls aus dem Abseits heraus, also aus der einseitigen Interpretation der europäischen Verträge, hat die Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska der so genannten »Sharing Economy« den Rücken gestärkt und damit Unternehmen wie Uber und Airbnb den formaljuristisch legalen Weg eröffnet, über eine EU-Richtlinie die Gesetze der Mitgliedsstaaten auszuhebeln.

Damit der rechtsstaatliche Anschein gewahrt bleibt, appelliert Frau Bienkowska in öffentlichen Stellungnahmen an die Politik, die Chancen neuer Geschäftsmodelle zu nutzen. Denn es sei falsch, Verbote zu verhängen, wenn der einzige Grund dafür der Schutz bestehender Geschäftsmodelle sei. So verglich sie den Widerstand gegen Uber mit dem Kampf gegen den Buchdruck im Mittelalter.
Dieser Vergleich ist eine Geschichtsklitterung. Denn damals ging es nicht um die Technik als solche, sondern um die mögliche und vom Staat und von der Kirche befürchtete Folge, dass unliebsame Schriften schneller als bisher in Umlauf gebracht werden konnten.

Und insbesondere mit Blick auf Deutschland kritisiert sie, dass es kein einheitliches Vorgehen in den EU-Staaten gebe. Die uneinheitliche Behandlung neuer Geschäftsmodelle schaffe Unsicherheit für herkömmliche Unternehmen, neue Dienstleistungsanbieter und die Verbraucher.

Die Binnenmarktkommissarin scheut sich auch nicht, das bloße Vorhandensein von Geschäftsmodellen bereits als einen Ausweis für deren Legitimität und Notwendigkeit zu betrachten. Und sie entlarvt sich selbst mit Äußerungen wie: »Und sie [gemeint ist die Share Economy] wird nicht wieder verschwinden, egal, ob uns das gefällt oder nicht.«

Die Share Economy spricht zwar von neuen Geschäftsmodellen, sie meint aber die alte Ausbeutung. Tatsächlich schafft sie keine neue Arbeit, sondern sie enteignet die vorhandene, indem sie sie neu verteilt, aber ihre Erträge auf wenige Nutznießer konzentriert.

Im Fall Uber würden die ohnehin mäßig bis schlecht bezahlten Taxifahrer leer ausgehen. Und den meisten Taxibetrieben erginge es nicht besser. An ihre Stellen träten ungeschulte Nebenerwerbs-Chauffeure, die für ein Taschengeld ahnungslose, des Risikos nicht bewusste Passagiere zu einem vermeintlichen Billigtarif kutschierten. Es würde in diesem Geschäftsmodell nur eine gut gefüllte Kasse geben, nämlich die von Uber.

Die sozialen Folgekosten fielen an den Staat, dem Firmen vom Schlage Uber seit jeher Steuern vorenthalten. Uber, aber auch Airbnb, würden, wenn die demokratische Gesellschaft solche sittenwidrigen Begehrlichkeiten zuließe, faktisch vom Steuerzahler mitfinanziert. Es könnte also durchaus sinnvoll sein, Modelle wie die von Uber nicht zu legalisieren und dafür bewährte, das Gemeinwohl stabilisierende, zu unterstützen bzw. unbehelligt zu lassen.

Das EU-Parlament hat Elzbieta Bienkowska offensichtlich nicht für ihre dummen und gefährlichen Sprüche abgestraft, sondern es will die von ihr initiierte Richtlinie offenbar passieren lassen. Und der Beobachter wundert sich auch, dass eine Kommissarin aus dem Mitgliedsland Polen, das sich seiner demokratischen Werte derzeit im Hauruck-Verfahren entledigt, den anderen Staaten Ratschläge in Sachen Demokratie erteilt.
Zugegeben: Frau Bienkowska wurde vom Präsidenten des Europäischen Rats, Donald Tusk, protegiert und der gehörte nicht dem reaktionär-katholischen Regime von Jarosław Kaczyński und Beata Szydło an. Aber ein Musterdemokrat war und ist er auch nicht (ich denke beispielsweise an die Abhöraffäre von 2014).

Unterstützt wird Elzbieta Bienkowska bei ihrem staatsstreichähnlichen Gebaren vom Vizepräsidenten der EU-Kommission, Jyrki Katainen, einem harten Verfechter der Deregulierung.

Übrigens fand der aufmerksame Zeitungsleser und Rundfunkhörer unlängst eine Notiz über das geplante finanzielle Engagement Saudi-Arabiens bei Uber und anderen Unternehmen der Share Economy. Ja, das sind die Brüder und Schwestern im Geiste, die sich in dieser Welt des ungehinderten Profitstrebens zwangsläufig finden. Zumindest solange wir, die demokratischen Bürger, das zulassen.