Aktivistischer Investor wählt Aufsichtsratschef ab
Notker Blechner
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Bisher schlugen auf deutschen Hauptversammlungen Aktionäre eher am Buffet zu - bei der Schlacht um Würstchen, Kartoffelsalat und Kuchen. Nun aber werden die Anleger immer rebellischer und attackieren das Management. Bei Stada gelang es erstmals einem aktivistischen Investor, mit Hilfe der Aktionäre den Aufsichtsrat zu stürzen. Wie konnte das passieren?
Die Presse sprach von "Revolution", "Aktionärsaufstand" und "Abend-Dämmerung". Die "Süddeutsche Zeitung" sah gar einen "Kulturbruch". Was war geschehen?
Ein kleiner aktivistischer Investor mit dem schönen Namen Active Ownership Capital (AOC), der nur sieben Prozent Anteile an Stada hält, hatte Aufsichtsratschef Martin Abend in die Knie gezwungen. Mit knapp 56 Prozent der Stimmen wurde Abend auf einer turbulenten Aktionärstreffen im Frankfurter Congress-Center abgewählt.
Premiere in Deutschland
Das war bislang noch keinem aktivistischen Investor in Deutschland gelungen. Zwar hatten einst rebellische Aktionäre den Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, zum Rücktritt gezwungen. Aber das geschah schon vor der Hauptversammlung. Außerdem waren es angelsächsische Pensionsfonds, die den Aufstand wagten.
Die aktivistischen Investoren sind eine ganz neue Gruppe von Aktionären, die erst langsam in Deutschland Fuß fassen. Sie beteiligen sich mit geringen Anteilen an börsennotierten Gesellschaften, die sie für unterbewertet halten, und üben dann Druck auf das Management aus. Dabei mischen sie sich ins operative Geschäft ein und verlangen strategische Änderungen. In den USA spielen aktivistische Investoren eine wichtige Rolle. Besonders gefürchtet ist Carl Icahn. Überall, wo der Investor einsteigt, tut sich was. Icahn zwang Ebay zur Aufspaltung und Apple zur Erhöhung der Dividende.
Was AOC bei Stada vorhat, ist noch nicht ganz klar. Den Aktivisten geht der Umbau des Bad Vilbeler Generika- und Pharma-Herstellers nicht schnell genug.
Vetternwirtschaft und Gehaltsexzesse bei Stada?
Auf der Hauptversammlung attackierten die Vertreter von AOC den Aufsichtsrat von Stada heftig. Die AOC-Gründer Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig warfen dem Kontrollgremium Versagen vor. Sie hätten Vetternwirtschaft und Gehaltsexzesse im Vorstand um den langjährigen Stada-Chef Hartmut Retzlaff zugelassen, der vor kurzem zum Rücktritt gedrängt worden war. "Abend und Oetker seien Teil des alten Systems. "Sie können nicht Teil eines Neuanfangs sein", monierte Schuhbauer. AOC wollte deshalb den kompletten Aufsichtsrat austauschen.
Diese totale Revolution schaffte der aktivistische Investor aber nicht. AOC brachte nur einen seiner vier alternativen Kandidaten für den Aufsichtsrat durch: den ehemaligen Novartis -Manager Eric Cornut. Ansonsten setzten sich die von Stada nominierten Aufsichtsratskandidaten durch.
Oetker soll nun für Frieden sorgen
Zum neuen Aufsichtsratschef kürten die Stada-Aktionäre Carl-Ferdinand Oetker aus der Pudding-Dynastie, bislang Stellvertreter von Martin Abend. Nach der Wahl versuchte Oetker die Wogen zu glätten. Er versprach einen "konstruktiven Dialog mit allen Aktionärsgruppen". Den Umbau will er behutsam vorantreiben. "Wir sind uns einig, dass wir den Weg der Erneuerung konsequent weiter voranschreiten wollen", erklärte er.
Ob Matthias Wiedenfels weiter als Vorstandschef den Konzern leiten wird, ist ungewiss. Auf der Hauptversammlung ging er auf Konfrontationskurs zu AOC. Er warf dem aktivistischen Investor vor, Vorhaben wie den geplanten radikalen Stellenabbau verschwiegen zu haben.
Das Management ist nun gefordert. Wiedenfels und seine Kollegen müssen beweisen, dass sie die MDax-Firma rasch umkrempeln und riskante Auslandsgeschäfte wie in Serbien und Russland abwerfen. Denn sollte nichts passieren, droht die nächste Aktionärsrevolte.
Foto: Hauptversammlung (c) Veranstalter