m ormDer Professor an der Frankfurter Musikhochschule läßt am 10. Juni seine Kompositionen ertönen

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Portraitkonzert des Komponisten Orm Finnedahl, der seit 2013 als Professor an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK) lehrt, erklingen am kommenden Samstag ab 19.30 Uhr im Kleinen Saal der HfMDK Kompositionen aus den vergangenen 25 Jahren seines Schaffens.

Exemplarisch für die Arbeit in den Kompositionen Orm Finnendahls ist die Auseinandersetzung mit Technologie und die inszenierte Konfrontation von klassischen Instrumenten mit elektronischen Medien.

„In diesem Zusammenhang wird unser Verständnis von Musik, das Selbstverständnis der Interpreten auf der Bühne, unser Verhältnis zur Geschichte und die Auseinandersetzung des Einzelnen in existentiellen Situationen – bisweilen auch ironisch gebrochen – befragt“, so Orm Finnendahl.

Neben einem Podiumsgespräch des Komponisten mit Stefan Fricke vom Hessischen Rundfunk stehen folgende Werke von Orm Finnendahl auf dem Programm:

Wheel of Fortune (1993-95/2011) für Midi-Klavier, Live Elektronik, Video (Christian Fritz, Klavier);
Kommen und gehen (2000) für Geige und Elektronik  (Hannah Walter, Violine);
Fälschung (2002/2003) für Streichquartett, Laptop, 5-Kanal Zuspielung und 4 Ghettoblaster und
Bubbles für Gitarre und PC-Lautsprecher/Uraufführung  (Christopher Brandt, Gitarre).

Neben einem Podiumsgespräch des Komponisten mit Stefan Fricke vom Hessischen Rundfunk stehen folgende Werke von Orm Finnendahl auf dem Programm:

Wheel of Fortune (1993-95/2011) für Midi-Klavier, Live Elektronik, Video (Christian Fritz, Klavier)
Wheel of Fortune ist der englische Titel einer Fernsehquizshow, die sich in den 90er Jahren weltweit ausgesprochen großer Beliebtheit erfreute und die in Deutschland unter dem Namen Glücksrad täglich ausgestrahlt wurde. Die gleichnamige Komposition aus dem Jahr 1993 ist eine Art Theaterstück, in dem die Gegenüberstellung einer sehr dichten Toncollage aus Originalsendungen und dem Pianisten als fiktivem Mitspieler und Beobachter den Ausgangspunkt für verschiedene Reflexionen über das Verhältnis des Einzelnen zu einer von Technologie geprägten Welt bildet. Die elektronische Maschinerie ist dabei in den verschiedenen Teilen des Werkes sowohl Erweiterung und Wunschmaschine, als auch totalitärer Zwangsapparat, der die Verheißungen der Elektronik in ihr Gegenteil verkehrt.
Für die überarbeitete Version wurde die ursprüngliche Toncollage im Jahr 2011 nachträglich durch einen simultanen Videozusammenschnitt von Ausschnitten aus damaligen Glücksradsendungen erweitert.

„Kommen und gehen“ (2000) für Geige und Elektronik (Hannah Walter, Violine)
Die Komposition "Kommen und Gehen" besteht aus drei Teilen, im Konzert erklingen der erste und der dritte Teil: In allen Abschnitten der Komposition bilden Klänge der Geige das Ausgangsmaterial für die Zuspielungen. Diese Klänge werden in einem computergesteuerten Prozess überlagert, bisweilen stark verdichtet und über acht, um das Publikum herum angeordnete Lautsprecher wiedergegeben. Der Prozess ist dabei für alle Teile gleich, so dass der Charakter der entstehenden Klangwelt in erster Linie von den Ausgangsklängen abhängt, obwohl das Ergebnis zumeist sehr weit von ihnen entfernt zu sein scheint. In dieses Spannungsfeld, etwas zu verursachen, das zunächst sehr einfach wirkt, dann aber in einem Automatismus ein kaum kontrollierbares Eigenleben entwickelt, begibt sich die Violine im letzten Teil in einem "Pas de Deux" mit den von ihr angestoßenen Klangbildern in den Lautsprechern. Die Metapher des "Kommens und Gehens" ist dabei durchaus bildlich im Sinne von Naturphänomenen (Meeresbrandung oder Wolkenkonstellationen) oder gesellschaftlichen (sozialen) Prozessen interpretierbar.

„Fälschung“ (2002/2003) für Streichquartett, Laptop, 5-Kanal Zuspielung und 4 Ghettoblaster
Hier wird nicht gefälscht, sondern das Fälschen vorgeführt. Finnendahl führt sie als Fiktion des Betrachters vor, der unweigerlich die fremde Kulturleistung vor den Hintergrund des jeweils eigenen Erfahrungshorizontes rezipiert. Die Musik osteuropäischer Blechbläserkapellen, in der sich Einflüsse türkischer Militärmusik ebenso wie der traditionellen Musik der Sinti und Roma wiederfinden, diente ihm als Stoff für eine hybride Komposition, die die Symbol-Besetzung europäischer Kunstmusik, das Streichquartett, mit Live-Elektronik und Zuspielungen von Ghettoblastern verbindet. Dass dieser ausagierte Clash of Civilizations schließlich in der provokanten Erfahrung mündet, dass sich ein extrem beschleunigtes Chopin Nocturne (op.48, Nr.1, c-moll) dem Klangbild einer Galopp-Polka annähert, zeugt von dem distanzierten Verhältnis Finnendahls zur kulturellen Amalgamation. Nicht von Annäherung ist hier die Rede – der Komponist spricht ausdrücklich von "Bemächtigung" und von der "Barbarei" ignoranten Missverstehens in der Geschichte des abendländischen Musikdenkens. (Auszug aus Volker Straebel im Programmheft zur MaerzMusik 2003)

„Bubbles“ für Gitarre und PC-Lautsprecher/Uraufführung (Christopher Brandt, Gitarre)
Der Titel bezieht sich verallgemeinernd auf selbstbezügliche, vorurteilsverstärkende Kommunikationsformen, die sich durch den zunehmenden Gebrauch digitaler Kommunikationsmedien verbreitet haben. Der Internetaktivist Eli Pariser hat hierfür den Begriff der "filter bubble" geprägt, der die Verfälschung bzw. Verengung der Realität durch personalisierte News Streams und Suchen im Internet beschreibt. In diesen Blasen wird dieselbe Information in leicht veränderter Form immer wieder präsentiert und gewinnt dadurch unwiderstehlich an Überzeugungskraft.
Bubbles hieß auch der Affe von Michael Jackson. Ein Arrangement der beiden diente dem amerikanischen Künstler Jeff Koons als Vorlage für eine lebensgroße Porzellanskulptur, die im Jahre 2001 bei Sotheby's für die damalige Rekordsumme von 5.6 Millionen Dollar versteigert wurde.


Über den Komponisten und Musiker

Orm Finnendahl studierte 1983 bis 1990 Komposition und Musikwissenschaft bei Frank Michael Beyer, Gösta Neuwirth und Carl Dahlhaus in Berlin. 1995 bis 1998 weiterführende Studien bei Helmut Lachenmann in Stuttgart. 1988/89 besuchte er das California Institute of the Arts in Los Angeles, 1991 bis 1995 war er künstlerischer Leiter der Kreuzberger Klangwerkstatt. Unterrichtstätigkeit u.a. am elektronischen Studio der TU Berlin und dem Institut für Neue Musik der Hochschule der Künste Berlin, deren Leiter er von 1996 bis 2001 war. In den Jahren 2000-2004 Lehrtätigkeit am Institut für Computermusik und elektronische Medien (ICEM) der Folkwang-Hochschule in Essen. Verschiedene Stipendien und Preise, darunter Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart 1997, Busoni-Preis der Akademie der Künste Berlin 1999, Prix Ars Electronica Linz 2001 und CynetArt Award 2001 in Dresden. Sein Interesse an elektronischen Medien und der durch sie provozierte Versuch einer fortwährenden Neubestimmung des eigenen Selbstverständnisses führte zu Kompositionen, die technologische Hilfsmittel wie Computer, Zuspielbänder und Live-Elektronik einbeziehen. Seit 2000 verstärkte Zusammenarbeit mit Improvisationsmusikern, Tanzensembles und Medienkünstlern.

CD Veröffentlichungen bei Wergo.
2004 bis 2013 Professor für Komposition und Leiter des Studios für elektronische Musik und Akustik (selma) an der Musikhochschule Freiburg. Seit 2013 Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main.


Foto:© Björn Hadem/HfMDK.