Anna Netrebko - ein Film von Christoph Engel und Anca-Monica Pandelea bei 3SAT am 17. Juni um 22 Uhr
Daniel Konrad
Wien (Weltexpresso) - Zwar stammt dieser Film, der wohl den Abend bei 3SAT zu einem Netrebkoabend macht, aus dem Jahr 2014 (Erstsendung: 22.08. ), aber schon damals war sie die anerkannte Sängerin, die erst einmal die berühmteste war, inzwischen aber auch als beste Operndiva der Welt gilt.
Anna Netrebko ist eine Ausnahmekünstlerin - wir hassen das Wort, aber hier paßt es. Der Film zeichnet ihre Karriere nach und gibt Einblicke in ihr Privatleben. Man kann als Zuschauer auch verfolgen, daß sie im Jahr 2014 noch sehr viel schlanker war, was ihre Rollen variabler macht. Der Film beginnt mit IL TROVATORE und ihrer Rolle als Leonore ; die Oper zeigt ein irres Bühnenbild, weil die auf der Bühne hängende Bildersammlung lauter Inkunablen der Malerei versammelt, so auch Die Maria aus dem Grünewaldaltar, aber auch einen Pontormo, Bellini etc. Die Aufnahmen zeigen auch mit Francesco Meli einen stimmlich und darstellerisch völlig anderen Tenor als den heutigen Ehemann der Künstlerin. Und auch Placido Domingo, Jahrgang 1941, singt und spielt mit. Es gefällt, daß die Aufnahmen nicht nur kurz vorbeihuschen, sondern diese Oper die Hälfte dieses Films ausmachen. Dann ist man um so interessierter, wie sie zu einer so guten Sängerin geworden ist, wovon der zweite Teil dann handelt.
Anna Netrebko ist eine einzigartige Vertreterin ihres Metiers: Sie hat der Opernwelt einen großen Dienst erwiesen. Ähnlich wie in den 1990er-Jahren "Die drei Tenöre" (das waren: Placido Domingo, José Carreras und Luciano Paverotti ) hat Anna Netrebko zur Popularisierung der Opernkunst beigetragen.
Am Anfang ihrer Karriere skeptisch beäugt, als ein "Marketingprodukt" einer immer mehr um Einnahmen bangenden Schallplattenindustrie nicht immer ernst genommen, schafft Anna Netrebko es jetzt, auch ihre strengsten Kritiker zu überzeugen.
Der Film dokumentiert diese Entwicklung: vom internationalen Karriere-Durchbruch bei den Salzburger Festspielen 2002 über ihre unkonventionellen Versuche, der Oper die Attraktivität eines Massenprodukts zu verleihen bis hin zu den großartigen Auftritten auf den traditionsreichen Bühnen in New York oder Wien.
Während Anna Netrebko mit sicherem Gespür richtige Schritte und Entscheidungen in ihrer beruflichen Karriere gemeistert hat, entwickelt sich auch ihre Stimme immer mehr zu einer unverwechselbaren "acting voice". Dunkler geworden, opulenter, runder und immer mehr mit der vokalen Energie eines dramatischen Soprans gerüstet. Dieses "Luxusinstrument" ermöglicht es ihr heute, neue Rollen und Charaktere auf der Bühne darzustellen. Was auch zu Veränderungen in ihrem Repertoire geführt hat.
Zu Netrebkos Repertoire-Erweiterung gehört eben auch die Rolle der Leonore in "Il Trovatore". Bei den Salzburger Festspielen 2014 singt sie diese Partie an der Seite von Placido Domingo und Francesco Meli. Der Film zeichnet den Weg dahin und porträtiert eine Künstlerin, die nicht nur eine der schönsten und berührendsten Stimmen der Welt besitzt, sondern mit ihrer großen charismatischen Präsenz auf der Bühne das Publikum in ihren Bann zieht.
Nicht zuletzt setzt sich der Film mit einer Künstlerin auseinander, die nicht nur einen großen künstlerischen Druck auszuhalten hat, sondern auch als Frau und Mutter Alltäglichkeiten bewältigen muss. Die Dokumentation gibt Einblicke in ein Privatleben, das sich vor allem durch Herzlichkeit und innige Freundschaft auszeichnet. Obwohl Anna Netrebko seit Jahren das Leben einer Kosmopolitin führt, bleibt sie in ihrer Seele eine wahrhaftige Russin, was schon hart an die Grenze unseres Verständnisses geht, wenn sie sich für die Wahl von Putin einsetzt.
Aber für eine Russin, die die österreichische Staatsangehörigkeit hat und in Wien lebt, ist das vielleicht schwieriger als für unsereinen. Und sicher muß es in einem Leben, das auf der ganzen Welt stattfindet, auch einen Ort des eigentlichen Zuhauses geben und das ist sicher nicht unwichtig im Vexierbild eines Künstlerlebens, das von Rollenspiel und Bühnenverwandlung lebt.
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