Händels Messias bei den Händelfestspielen Halle
Kirsten Liese
Halle (Weltexpresso) - Es ist ein besonderes Erlebnis, den “Messias” in der Hallenser Marktkirche zu erleben, wo Georg-Friedrich Händel getauft wurde und das Orgelspiel erlernte. Die besondere Aura wirkt unmittelbar in die Aufführung hinein, zudem sind die akustischen Verhältnisse vor dem Altar durchaus brauchbar im Vergleich mit zahlreichen anderen Domen und Kathedralen, wo Klänge ineinander verschwimmen wie unterschiedliche Tuschen auf einem Aquarell. Ein bisschen Nachhall gibt es zwar schon, aber der beeinträchtigt nie den transparenten, elastischen, von nur 20 Musikern getragenen Gesamtklang.
Ganz gleich wie oft man dieses berühmte, viel gespielte Oratorium schon gehört hat, dessen „Halleluja“ wohl nahezu jeder mitsummen kann: Einmal wieder konnte man sich an der genialen Musik nicht satt hören. Eine Arie erfrischt immer noch stärker die Seele als die vorige.
Das dankte die Aufführung innerhalb der Händelfestspiele Halle freilich trefflichen Solisten, mit Ausnahme der Mezzsopranistin allesamt Mitglieder des exquisiten Tenebrae Choir. Vor allem was die Tenorpartie angeht, wurde ich bislang selten mit einem vergleichbar geschmeidigen Wohllaut verwöhnt wie hier durch den gebürtigen Neuseeländer Nicholas Madden. Schon bei seinem ersten Einsatz „Comfort ye“, verströmte er soviel Sanftheit und Zärtlichkeit mit seiner Stimme, dass es einem vorkam, die ganze Kirche würde von Licht durchflutet.
Ebenso hätte sich die Basspartie kaum trefflicher besetzen lassen als mit dem Briten Jimmy Holliday, dessen mächtige, gewaltige Stimme auf die entsprechenden Arien wie zugeschnitten wirkte, ganz besonders auf das furiose „Why do the nations so furiously rage together“ („Warum toben die Völker“).
Dank der mit großer Natürlichkeit, Reinheit und Strahlkraft bestechenden Sopranstimme der Britin Katie Trethewey wurden auch zwei der schönsten Arien - „Rejoice“ und „I know that my redeemer liveth“ („Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“) - zu einer himmlischen Offenbarung.
Martha McLorinan brachte in der Altpartie herrliche, schwebende Kopftöne ein, von denen insbesondere das erwärmende Duett „He shall feed the flock“ („Er weidet seine Herde“) profitierte, konnte aber als Mezzosopranistin keine so sonore, füllige Tiefe anbieten wie eine Altistin, was mir persönlich noch besser gefällt. Aber da ist sie in bester Gesellschaft mit anderen Mezzo-Interpretinnen wie Brigitte Fassbaender oder Dame Janet Baker.
Dass Nigel Short als musikalischer Leiter einige Arien kürzte, indem er vom Da Capo nur das Orchesternachspiel übrig ließ, tat dem hervorragenden Gesamteindruck keinen Abbruch, auch wenn man bei einer so wunderbaren Arie wie „He was despised“ („Er war verschmähet“) das Da Capo gerne noch gehört hätte.
Was Shorts musikalische Einstudierung zudem kostbar machte, waren gut gewählte moderate Tempi, selbst in den energetischsten Momenten nie hastig oder gar überhetzt wie in den Interpretationen so mancher Jungspunde. Stets waltete ein Ton des Beseelten und Gefühlvollen über dem Oratorium, und beim majestätischen Halleluja schienen sich gleich Dutzende von Himmelspforten zu öffnen.
Foto:
©