Eva Mittmann
Wiesbaden (Weltexpresso) - Im Rahmen des Rheingau Musik Festivals am 30.Juni 2019, Schloss Johannisberg - Im Cuvéehof von Schloss Johannisberg startet am Sonntag um 11:00 Uhr bei Gluthitze dieses außergewöhnliche Konzert unter der Leitung von Jörg Achim Keller. Gleich nach den ersten Minuten kommt Bewegung ins Publikum: Die Zuhörer stehen auf und flüchten sich in den Schatten.
Die Mittagssonne kennt keine Gnade. Direkt unter den Bäumen finden sich die besten Plätze, selbst wenn die Sicht auf die Bühne dadurch eingeschränkt ist – der schweißtreibenden Sonnenglut zu entkommen hat erste Priorität! Kaum ist man den anfänglichen Hitzewallungen entkommen, stellt sich die Kardinalsfrage: „Wie interpretiert eine zarte Frau Lieder, die für eine Stimme geschrieben wurden, die klingt, ...als wäre sie in einem Fass Bourbon getränkt, einige Monate in die Räucherkammer gehängt, dann nach draußen gebracht und mehrmals mit dem Auto überfahren worden?“ So beschrieb nämlich einst recht treffend Musikkritiker Daniel Durchholz die whiskygeschwängerte Stimme von Tom Waits. Doch überraschend einfach die Antwort: Mit Courage und Authentizität!
Man fühlt sich erinnert an Lotte Lenya und ihre nahezu perfekte Interpretation der Musik von Kurt Weill in der Dreigroschenoper. In ähnlicher Weise tauchen nämlich hier und jetzt Elemente aus Jazz, Tango, Blues und Jahrmarkts-Musik auf, bekräftigt noch durch ein starkes rollendes „r“ in der Stimme, wie es in den einschlägigen Balladen so üblich ist. Gleich der Titelsong „A Little drop of poison“ wartet mit Tangorhythmen auf und bei „Just the right Bullets“ umspielen diverse Bläsersoli die hochkarätige Jazzdiva. Bluesklänge dann bei „Going Downtown“ und ein unverkennbarer Chicago-Bigband-sound bei „Moon under bourbon sky“. Swing umfängt uns dann pünktlich zur prallen Mittagshitze kurz nach Zwölf und Tony Lakatos lässt das Saxophon in den Ohren flirren wie Glühwürmchen.
Es folgt eine wilde Klangcollage mit Sprechgesang: „What’s he building in there“. Die blanke Herausforderung an unsere Ohren! Doch gleich im Anschluss daran umschmeichelt in der Ballade „Can’t wait to see my baby“ versöhnlich der Bläsersatz durchgängig die zarte und samten-jazzig-bluesige Stimme von Rebekka Bakken. Der Titel „Broken Bicycles“ stellt die sonnengepeinigte Zuhörerschaft dagegen vor eine harte Prüfung! Mit sanften Glockentönen werden wir befreit: liebevoll lösen Piano und Tenorsaxophon schlussendlich die wilde Klangcollage auf und Heinz-Dieter Sauerborn wiegt uns mit „I wish I was in New Orleans“ zärtlich in Slow-Rhythmen. Als letztes Stück kommt „Downtown“ mit bluesigem Swing daher, getoppt mit einem Trompeten-Solo von Axel Schlosser. Er lässt seine Trompete flüstern, schreien, singen, wispern, den Gesang sehr vorsichtig umspielen, um sich schließlich zu ungeahnten Höhen aufzuschwingen. Welche Stimmung auch immer durch die Kompositionen ausgedrückt werden sollte, Rebekka Bakken hat sie im Kern getroffen.
„Du hast es so gesungen, wie ich es geschrieben habe“, sagte einst Bert Brecht zu Lotte Lenya –
Tom Waits hätte es nun nicht anders ausgedrückt.
Tom Waits hätte es nun nicht anders ausgedrückt.
Fotos:
©: Eva Mittmann
Info:
Matinée am 30. Juni auf Schloss Johannisberg
©: Eva Mittmann
Info:
Matinée am 30. Juni auf Schloss Johannisberg