bild1Ulrich Tukur und seine Rhythmusboys in Steinau an der Straße

Eva Mittmann

Steinau a.d. Straße (Weltexpresso) - Mit einem Gedicht von Joseph Eichendorff, das die Mondnacht besingt, eröffnet das Allroundtalent, der geniale Schauspieler, Conferencier und Musiker Ulrich Tukur, die Vorstellung im wunderschönen Amtshof des Gebrüder-Grimm-Hauses.
bild4Überaus galant werden wir nun in den folgenden einhundertzwanzig Minuten mit Klavier, Bass, Schlagzeug und unverzerrter E-Gitarre durch die Musikgeschichte der 20er und 30er Jahre geleitet. Tukur wird nimmermüde, fortwährend neue Geschichten zu erfinden zur Entstehung und Vorgeschichte des einen oder anderen angekündigten Titels – eine skurriler als die andere. Man möchte jedes Mal aufs Neue voll Begeisterung ausrufen: „Eine der besten Songankündigungen ever!“

Gleich zu Beginn erzählt er uns eine irre Story von der vermeintlichen Herkunft Neill Armstrongs. Der erste Mann auf dem Mond , dessen Apolloflug zum 50 Jahre Jubiläum heute als Film anläuft, wird in seiner Darstellung als unehelicher Sohn von ‚Satchmo‘ Louis Armstrong und einer besonders hellhäutigen Isländerin geoutet, die sich offensichtlich genetisch durchgesetzt hat. Um diese Theorie zu bekräftigen, erklärt er Island zu einem geographischen Außenposten der USA und Peru, (sprich: den Treffpunkt von Louis und seiner Liebsten) zur Hauptstadt Indianas. Beißend sarkastischer Humor eingeflochten in beiläufige Bemerkungen. Was für eine genial-bissige Anspielung auf Donald Trumps Größenwahnsinn! Schlusssatz der Anekdote: „‘Ne Mondlandung ist schließlich kein Tatort!“


Toll ist auch, dass er persönlichen Bezug nimmt zubild3 seiner hessischen Heimat und im Rahmen der Entstehungsgeschichte von „Night and Day“ den berühmten Glenn Miller schlicht zum Hessen erklärt, der ursprünglich "Gerald Müller" geheißen habe. Ein Slowfox der berühmten „Moonlight Serenade“ von Cole Porter aus dem Jahr 1964 stoppt letztlich unsere Lachsalven. Der Meister der Worte lässt allerdings auch jede Menge Platz für seine Mitmusiker und wagt nur einen vorsichtigen Stepptanz-Versuch zum Song „Everybody loves my baby“ beim Schlagzeugsolo von Kalle Mews. Denn anschließend rockt Bassist Märtens als Mick Jagger die Bühne mit "Let's spend the night together". Bravourös interpretiert.

Es folgt die nicht minder bravouröse Ankündigung eines „Cantione Italiano“. Man sieht förmlich die Wiederauferstehung Marlon Brandos vor seinem inneren Auge in der Rolle des Paten. So brilliant unverschämt echt tönt die raubeinige, knarrend-kehlig rotweingeschwängerte Stimme von Ulrich Tukur: „Guarda de Luna“ heißt der Song und stammt aus der Feder von Fred Buscalione.


20190704 203735kHier werden aber zudem noch Gedichte rezitiert, z.B. „Der Mann im Mond“ von Mascha Kaléko. Rhythmisch-melodiös wird dabei die Lyrik von einem Dreiton-Bass-Ostinato untermalt. Überhaupt wird während des gesamten Konzerts durchgängig die untrennbare Einheit von Musik und Sprache zelebriert und noch dazu in Szene gesetzt. Es ist ja schließlich auf der großen Bühne mehr als nur ein Multi-Talent am Start; nämlich gleich vier auf einmal: Zweimetermann Günter Märtens als Bassist und Schauspieler, Gitarrist Ulrich Meyer als zudem studierter Kulturwissenschaftler und last but not least Kalle Mews als Schlagzeuger, Theologe und zudem noch grandioser Schauspieler. Das ist sehr deutlich zu spüren, als der lange große Märtens sich den kleinen dicken Mews schnappt, der zusehendst glaubhaft eine Marionette verkörpert. So legen die beiden eine kesse Sohle aufs Parkett und Märtens lässt die Marionette an seinem langen Arm baumeln, dass es eine wahre Pracht ist.

Ach, wie schön! Humor pur. Komödiantisches Talent auf höchstem Niveau. Bitte mehr davon!


Fotos :
© Eva Mittmann

Info:
http://rhythmus-boys.de/