Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - ‚Metal ist the Law‘ ist der Leitspruch eines jeden Metal-Fans, der Metal ist ein Medium der Widerständigen, die aber mit Politik nichts am Hut haben. Es ist eine diebische Freude, das Crowd-Surfing auf dem Fernsehbild - aus der Vogelperspektive betrachtet - serviert zu bekommen, ohne selbst inmitten des Moshing zu sein.
Denn Wacken braucht übermenschliches Durchhaltevermögen über 3 Tage unter 75 000 anderen Fans.Und ein jedes Wacken ist anders, aber der gemeinsame Geist ‚stands strong‘. Diesmal schien es, dass 3sat Probleme hatte, mit den Gruppen klarzukommen; zu vereinbaren, wie lange ein Auftritt übernommen werden kann und welche Stücke. Im laufenden Jahr jährt sich Wacken zum dreißigsten Mal. Es fing ab dem Jahr 1989 mit sehr wenigen tausend Angereisten an, die Professionalisierung, zu der es kam, ist ungemein. Sie wurde in ihren menschlichen Zügen einen Augenblick lang im Film ‚Full Metal Village‘, einem Kleinod des Filmemachens (mit der Macherin Sung-Hyung Cho), herzallerliebst festgehalten (das ist auch schon wieder 12 Jahre her).
Metal bezeichnet: ein treues Herz haben
Ausgewählt aus der großen Zahl der Gruppen wurden für den Mitschnitt des Senders 3sat diesmal Sabaton, Powerwolf, Within Temptation und Hammerfall. Die Australier Parkway Drive seien an dieser Stelle zurückgestellt. Ihre sprechlastigen Lyrics benötigen eine Extrawürdigung.
Sabaton - die mit dem Konzept
Konzeptalben, die einen Problemkreis zum Thema machen, wurden immer wieder versucht. Durchaus auch mit Erfolg. Sie brauchen einen längeren Bogen, einen, der nicht jeder-frau-und-manns Sache ist. Die Gruppen zeigen damit an, dass sie zum langen Atem und großen Bogen fähig sind. Als ein überzeugendes Beispiel für Konzeptalben - sieht man ab von Trivial-Erzeugnissen die, wenn auch gut gemacht, sich um reale bis fiktive Horror-Shows drehen, wie etwa um Damien, Wolf, Jekyll, Frankenstein, Phantom und Dracula; vergl. hierzu stellvertretend Iced Earths Opus ‚Horror-Show‘, mit Matt Barlow on Lead Vocals): - wäre zuallererst auf Grave Diggers ‚Tunes of War‘ hinzuweisen, das die schottische Geschichte aufgreift und mit dem darin enthaltenen Song ‚Rebellion (The Clans are marching)‘ und der ein wenig versteckten Frauenstimme im Chorus, Entzücken hervorruft. Vertreten ist auch das herzzerreißende ‚The Ballad of Mary (Queen of Scots)‘.
Sabaton
Ureigen nach dem Sinn des Konzept-Metal kam die Gruppe Sabaton aus Schweden mit ‚The Great War‘ (ihrem neunten Studioalbum), zum Thema Erster Weltkrieg, dem ungenügend aufgearbeiteten, auf die Bühne von Wacken, um einen Einstieg ins Thema abzuliefern, ohne aber wissenschaftliche Schlüsse zu verbreiten (wie sie selbst feststellen). Es geht darum, das Schreckliche allegorisch nach den Regeln der Kunst aufzuweisen, nicht aber zu bestätigen, das ist angestammter Wille im Metal.
Powerwolf
Sie waren mit ihrem 2018er-Album ‚Sacraments of Sin‘ gekommen. Markus Kavka und Rainer Maria Jilg, die für 3sat in die Auftritte einführten, gaben an, dass Powerwolf über 2 Stunden für ihre Bühnenpräsenz geschminkt wurden und selbstverständlich war das Phantasy-Outfit dem entsprechend auch bombastisch, aber die musikalische Leistung behielt die Vorherrschaft unüberwindbar in Händen.
Powerwolf entstammen dem Gefilde der Schwert-und-Zauberer-Geschichten, aber bei allem Kult von Eisen und Weihrauch (‚Incense and Iron‘), von ‚Amen and Attack‘ und der ‚Army oft the Night‘, Powerwolf sind die Künder und Garanten der Army der Guten, nicht der Schlechten und Übles-im-Schilde-Führenden. Metallers haben ein großes Herz und sind Randalen abhold, sind die friedlichsten Zeitgenossen außerhalb des Mainstreams, wissen, was die Weltstunde geschlagen hat. Sie sind von Haus aus Apokalyptiker. Herausragend war der abschließende Song ‚Armata strisoi‘, eine Hymne wie selten eine.
Within Temptation
Diese Band lieferte den edelsten Stimmbeitrag, mit ihrer Sängerin Sharon den Adel. Ihre Stimme ist in hohem Grade präsent. Sie fügte sich mit den Instrumenten mehr zur Einheit als die anderen Interpreten des Tages dies vermochten, sieht man von ‚Hammerfall‘ (einer Männer-Gruppe) ab. Den Adels Gesang reicht ins ernste Fach, die Sängerin könnte dort bestehen. Sie hatte nie Gesangsunterricht, sie hat sich selbst geübt. Indessen erinnert ihre Stimme in ihrem typischen Diskant auch an eine Grace Slick (Jefferson Airplane), daher wären Arien wohl nicht ganz so ihr Ding. Aber die Songs ‚Mad World‘ und ‚Mother-Earth‘ (letzteres könnte die Hymne für Fridays for Future werden) - die den Übergang von der Baladeske zur Ballade vollziehen - deuten an, dass Lyrisma und Arie vielleicht doch ihre Sache wären.
Sharon den Adel passt ebenso wie eine Tarja Turunnen (von der Gruppe Nightwish) verständlicherweise ihre Stimme dem harten Wacken-Fach an. Tarja Turunnen ist klassisch geschult. Beide Sängerinnen waren um die Mitte der 2000er Jahre mal gemeinsam in der Dortmunder Westfalenhalle aufgetreten. Within Temptation zählten damals noch als Vorgruppe. Im vergangenen Jahr war Nightwish das Highlight des 29. Wacken-Open-Air. Die Fans schätzen diese Art der quasi übernatürlichen Stimmen, wie ohnedies Metal und Klassik von ähnlicher Bauart sind.
Hammerfall
Ein Ausnahmeteil war es, weil es sich anhörte, als käme es aus der Tiefe ältester Zeit. Es ist souverän durchgezogen wie ein Teil das mit dem Weltauge der Kunst weit zurückblickt in die Zeiten der Königinnen, Elfen, Engeln und imaginären Gestalten (zu denen Drachen wie auch Zauberer gehören), die in Mooren, Wäldern und auf abgelegenen Eilanden beheimatet sind und an die Vorstellungswelt eines Arnold Böcklin assoziieren. Furchtbare Bestien treten dort selbstverständlich regelmäßig in Erscheinung.
Erkenntnistheoretisch war die Stärke jenes genialen musikalischen Wurfs von 1997 die Selbstreferentialität, die überlegene Selbstbezüglichkeit, zu der die Gruppe schon im Erstling fähig war.
Erkenntnistheoretisch war die Stärke jenes genialen musikalischen Wurfs von 1997 die Selbstreferentialität, die überlegene Selbstbezüglichkeit, zu der die Gruppe schon im Erstling fähig war.
Überraschend beim Wacken-Auftritt war, dass Hammerfall einen Dreier aus Musikern, die als 'Hammerfolk' auf die Bühne kamen, einführte. Sie kamen mit mittelalterlichen Saiteninstrumenten, die – durch ein Tastenwerk auf Ton gebracht und gestrichen - das Stück ‚Hammerfolk‘ im Namen des eigentlichen elektronischen Klangkörpers bereicherten. Mal sehen, welchem Genre hiermit zum Leben verholfen wird.
Die Stimme des Sängers Joacim Cans überwölbt den Gruppenkörper, er ist charismatisch ohne sich als klassischer Bühnenheroe zu produzieren, der alles zu überschmettern angetreten ist. Die Songs sind immer auch Programm, ein bisschen Sendung spielt hinein, aber das macht Metal zu der labenden Aufbaumedizin, der er ist: mit ‚Last Man standing‘, ‘Winter is coming‘ (eine Ballade) und dem bekannten ‚Let the Hammer fall‘ vom Album ‚Legacy of Kings‘ (1993).
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