Der beklagenswerte Tod des Musikers Manuel Göttsching gibt Anlass zu unkonventionellen Überlegungen
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zunächst sei gesagt, Techno schwebt über allem und vielem, deshalb kann es dazu kommen, dass der nur im weiteren Sinn Berliner Manuel Göttsching, wie er in den Medien verkürzt vorgestellt wird, im Frankfurter Museum für Elektronische Musik keine Themenstätte hat. Dieses Frankfurter Museum aber wirkt entsetzlich museal. Es lebt nicht.
Eigentlich müsste eine Musik, die die Welt erobert hat, ob gnadenlos hart oder feinstrukturiert inszeniert, hier auf die Straße dringen, die im gegebenen Fall Frankfurts aber nur sich auf einen elenden Teil des Abgangs zur B-Ebene der Frankfurter Hauptwache reduziert.
Techno entstieg dem jugendkulturellen Underground
An Darstellungen und Überlegungen zu Techno fällt auf, dass er so eingeführt und gehandelt wird, als ob ihm eine feste Größe eigne. Mit ihm steht aber eine Palette von Vorläufer- und Disco-HandwerkerInnen-Musik im Kontext, die schon länger Einsatz fand, wobei die Ära einer stoßweisen Elektronik das Fundament abgibt. Er gehört sowohl zur Straße als auch in den Untergrund. Er verharrt im jugendlich distanzierten Verhältnis zur Gesellschaft. Er reicht vom ‚Wir sind die Roboter‘ für alle bis zurück in den chart-stürmenden Pingpong-Instrumental von 1970/71, der endlos rauf und runter gespielt wurde. Das war damals Masochismus.
Insonderheit aber ist Techno ungemein handwerklich-technisch in der Mache. Diejenigen, die einer offenen Phantasie mit rumorenden Ideen huldigen und immer wieder sich fragen: wie mach ich das bloß auf der nächsten Location irgendwo auf diesem Planeten, die derart also durch die Welt touren, wissen ein Lied doch auf eine Schwierigkeit zu singen, wie ‚Marusha‘ (ein Artikel zu ihr findet sich auf dieser Web-Site).
Manuel war ein Geist von Subtilität
Der kürzlich in Berlin verstorbene Musiker Manuel Göttsching war ein Freigeist des Techno. Dieser war nicht planbar, er entstieg der Tiefe eines Zeitabschnitts. Manuels Techno war weniger ein Wegbereiter der Club- und Straßenmusik, sein Techno war in der Weite einer geistig-seelischen Landschaften verankert. Mit Fernblick auf die Stadt. Er steigt verhalten an und geht in die Kehre. Das hat er stets meisterlich vollzogen. Ein solcher Techno lässt sich alljährlich auf dem Parkplatz des Burg-Herzbergs-Open-Air hören, bevor das Festival überhaupt startet.
Seine Person verband sich mit dem Projekt ‚Ashra Temple‘; dieser Ansatz geht aber in keinem Etikett auf. Der Name war und betraf ein Programm, das nicht - ohne dass ein Rest bleibt - umrissen werden könnte. Das zeitlich Neue bestand darin, sich der Elektronik zur Verstärkung und Verfremdung der Töne durch die Regler zu bedienen. Damit wird die menschliche Hand erweitert. Zu Beginn der 2010er Jahre vernahm ich Manuel – mit Gitarre in Berlin im Einsatz - das technoide Genre in einem getragenen Ton der feinen Grifftechnik und Phrasierung plausibel machen.
Es braucht nicht betont zu werden, dass das Mischpult, mit all seinen Variationsmöglichkeiten der Musik den i-Punkt aufsetzt und es erst zu sich kommen lässt, wo es nicht lange bleibt. Die Gemeinde der Elektronischen Musik, die weltumspannend ist, war damals auf sommerlich grüner Erde weit hergekommen, machte auf sich aufmerksam. Da wurde keine Clubmusik – der sonst auch ein heiliges Recht gebührt –, sondern eine Komposition entwickelt, die mit virtuosen Umgriffen, größeren und kleineren Wenden sowie lang durchgehaltenen Passagen am Projekt von Aufstieg und Entspannung arbeitete.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Techno viel von Getragenheit hat, ob er nun kompromisslos daherschlägt oder im zurückgenommenen Gestus arbeitet. Ihr Ausdrucksmoment ist dem Da- und Hiersein verschrieben, daher gibt sie einem jungen Publikum den Vorzug. Das in einer kurzen Weile der Augenblicke das sommerliche Berlin besetzt hatte.
Einer der das Portal der Fotos für sich reklamiert
Die Bildersuche über duckduckgo.de und Bilder ergibt eine große Anzahl trefflicher Schnappschüsse von Manuel und bezeigt, dass er seit langem in aller Höhe gehandelt wurde, zuletzt auch in den Elektro-Beats von radioeins.de, wo er detaillierte Aussagen über die Entwicklung seiner Laufbahn im Zusammenhang mit den Bandmitgliedern der diversen Line-ups machte. Über Stunden vermögen die Podcasts Hörerinnen und Hörer zu bannen. Es wird selbstverständlich auch von Manuel Göttsching höchstpersönlich ausgesagt, sofern er nicht doch zögert. Was sein Recht ist.
Eine wahrhafte Kostprobe gibt uns immer wieder das Werk ‚E2-E4‘ von Manuel Göttsching. Hierzu findet sich, mit E2-E4 gesucht, eine Besprechung der zeitgenössischen Umstände und Verhältnisse von E2-E4 in Weltexpresso.de
Suche: https://www.radioeins.de/archiv/podcast/elektro_beats.html
und https://www.radioeins.de/programm/sendungen/elektro_beats/
mit Geburtstagssendung und Radiosendung über Manuel
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