till brönnerDas neue Album von TILL BRÖNNER 

Wolfgang Mielke

Hamburg (Weltexpresso) - "Italia" heißt das neue Album, das von Till Brönner im Spätsommer 2025, genau am 5.September herausgebracht worden ist.Ein beachtliches Album, das man noch lange hören wird und immer wieder gerne hören wird, weil es ein Wohlgefühl vermittelt, und das man sicher als Maßstab für die Betrachtung dieses Künstlers noch lange im Kopf haben wird.


Ansprechend aufgemacht: in blauen Versalien das Titelwort "ITALIA", davor elegant dunkel gekleidet Till Brönner, der seine Arme angewinkelt und auf Schulterhöhe gehoben hat, als würde hinter seinem Rücken ein unsichtbares Band von Hand zu Hand laufen - man könnte an einen Expander denken, der erst gehalten, noch nicht mit Kraftanstrengung ausgedehnt wird. In seiner linken Hand hält Brönner seine Trompete, die erst auf den zweiten Blick auffällt. Er selbst wirft auf diesem Bild, das ihn im Gehen, fast Schreiten zeigt, - immer so, als würde er eine Last auf seinen Schultern tragen -, einen Schatten, der nach schräg links wegläuft. Der Schatten ist dunkler als er selbst, könnte ein Scherenschnitt sein. Und unten rechts steht auch in Versalien, aber sehr viel kleiner und, wenn man so will, bescheidener sein Name geschrieben, rechtsbündig und übereinander: TILL und darunter BRÖNNER.
Das Bild liest sich, wie es in unserer abendländischen Ordnung angelegt ist, von links oben nach rechts unten, wobei der intensive Schatten diese Richtung deutlich unterstützt.

 

Die Musik, die man dann hört, macht aber nicht den Eindruck von Kraftanstrengung oder einer geschulterten Last. Was nicht heißt, dass nicht Mühe und Arbeit hinter der Erarbeitung dieses Albums steckte. Aufgenommen wurde es in Rom, Bari, Berlin und Mailand. Natürlich könnte man jetzt von "italienischem Lebensgefühl" schwatzen, aber das Verb sagt schon, dass das sicher nicht stattfinden sollte.

 

Und war wäre das auch für ein "Lebensgefühl"? Capri-Fischer sind hier nicht zu hören! Aber in einem der ersten Lieder, dem 2. "Felicità" ("Freundschaft"), wird von "typisch italienischen" Dingen gesungen, das heißt, das sind die Worte, die man, ohne den Text im einzelnen gleich zu verstehen, sofort heraushört: 'Gelato' – Eis, 'Sole' – Sonne, 'Mare' – Meer, zum Beispiel. Vermittelt wird ein Gefühl von Leichtigkeit – vielleicht ist das allein schon ein Stück Italien? - Das Leichte gehört bekanntlich zum Schwersten in der Kunst.

Manche Stücke, wie das Eingangsstück "Estate" ("Sommer"), hat Till Brönner schon seit Jahren im Programm, oft in unterschiedlichen Besetzungen gespielt. Hier jetzt in einer Art kammermusikalischen Aufmachung. Überhaupt ist diese CD kein laute CD, ganz das Gegenteil von einem Platzkonzert! Man könnte sie sich sehr gut in der Lounge oder Bar eines noblen Hotels vorstellen. Und vielleicht werden sie sich einige schöne italienische Restaurants zulegen. Die Musik hat einen ruhigen, nachdenklichen, beschaulichen Charakter. Dabei spielt Brönner nicht durchweg Trompete, sogar in der Minderzahl: von den 14 Stücken spielt er 10 Stücke mit Flügelhorn. Auch das mag zu dem beruhigenden, gedämpften Klang der Musik beigetragen haben.

Als ich zuerst über Till Brönners Trompeten-Spiel nachdachte, fiel mir der Ausdruck #"etwas aus- oder herauszuposaunen"# ein. Aber #das# ist gerade nicht seine Sache! - Natürlich liest man dann nach, woher dieser Ausdruck eigentlich kommt: Direkt dazu konnte ich nichts finden, aber indirekt, und #das# mag denn auch zur richtigen Lösung führen. - Der romanische, jedenfalls in Italien und Frankreich und auch im englischen Sprachraum gebräuchliche Name für die Posaune ist das Wort: "Trombone". Es bedeutet: "große Trompete". Die Verwandtschaft zur Trompete ist also gegeben. Im Altfranzösischen wurde das Instrument als "Buisine" bezeichnet, was wiederum auf das ältere italienische Wort "Bucina" zurückgeht; im Deutschen als "Busaune" oder "Bosaune" nachzuweisen. Bis zu Luthers Bibelübersetzung! (Immer wieder Luther, der so wichtig für die Beschaffenheit unseres Landes wurde!)

Seitdem sprechen wir von der "Posaune". Bei Wikipedia werden 2 Stellen aus Luthers Bibelübersetzung angegeben, in denen die Posaune eine Rolle spielt: Im "Buch der Richter"7,18 heißt es: #"Wenn ich die Posaune blase und alle, die mit mir sind, so sollt ihr auch die Posaunen blasen rings um das ganze Heerlager und rufen: Für den HERRN und für Gideon!"# - Das Instrument war also ein zu lauten Tönen und Melodien nutzbares Instrument, daher für das Militär und angenommene himmlische Verkündigungen nutzbar. - Und die 2. Stelle, aus dem "Zwölfprophetenbuch" "Sacharja" 9,14: #Und der HERR wird über ihnen erscheinen, und sein Pfeil wird ausfahren wie der Blitz, und GOtt der HERR wird die Posaune blasen und wird einherfahren in den Stürmen vom Südland."# - Es sind also nur Auserwählte befugt, dieses Instrument zu blasen! Daher kommt wohl auch der Beigeschmack des Unerwünschten, ja: Unerlaubten, wenn jemand eine Nachricht #"ausposaunt"#.

Das Ausposaunen ist Till Brönners Sache nun gerade nicht. - Wenn ich an professionelle Trompeter denke, fällt mir zuerst Maurice André (1933 – 2012) ein. Der war zu hellen, hohen, strahlenden Tönen fähig, aber ein "Ausposaunen" hätte es bei ihm und gab es bei ihm nur im hoch-künstlerischen Sinne! - Dann fällt mir Louis Armstrong (1901 – 1971) ein, bei dem der Trompeten-Ton durch Einflüsse von Blues und Jazz angereichert war: und auch bei ihm immer ein künsterlisch gegründeter Ton. - Auch Till Brönner (*1971) ist kein wichtigtueder Austrompeter, der nach Beachtung giert: er ist ein Erzähler. Und darin allenfalls zu vergleichen mit Chet Baker (1929 – 1988). Man könnte vereinfacht sagen: Chet Baker ohne das Zerren und die Intensität des Drogen-Einflusses.

Die CD ist so aufgebaut, dass Instrumental-Stücke (6) mit Stücken, die auch oder wesentlich Gesang (8) enthalten, abwechseln. Auch rhythmisch. Dabei ist diese Abwechslung nicht stumpfsinnig und gleichförmig vorgenommen, also nicht eins so, das andere so, sondern sozusagen geballt, was sowohl auf die Vokal-Stücke wie auch auf die Instrumentalstücke zutrifft. So entstand eine sehr gute Mischung; zumal sich auch die Vokal-Stimmen abwechseln: mehrere weibliche und männliche Stimmen sind zu hören, dazu auch gelegentlich Backing vocals. Auch Till Brönner selbst singt drei der Stücke, mit einer fast zarten, zurückhaltenden Stimme.

Till Brönner wird von einer Reihe von Begleitmusikern unterstützt, die aber nicht nur "begleiten", sondern auch selbst solistische Momente haben. Man könnte vereinfacht sagen: diese Leute müssen eben auch bei Laune gehalten werden; viel wichtiger ist aber, dass es so viel spannender auch für Till Brönner ist! #Mit# anderen musizieren! Till Brönner ist nur der #primus inter pares#. Und #inter pares# sagt, dass das alles andere als zweitklassige Musiker sind, die mit ihm zusammenspielen. Das letzte Stück auf der CD heißt berechtigterweise "Arrividerci", - das ist ein schönes nachsinnendes Instrumental-Stück. "Arrividerci" heißt im wahrsten Sinne des Wortes "Auf Wiedersehen". - Und es ist selbstverständlich, dass der Abschied nur ein Abschied bis zum Wiederhören der CD ist ... - Im nächsten Jahr wird es eine "Italia-Tounree" geben, auf die ich gespannt bin!