Donizettis DIE REGIMENTSTOCHTER als beachtete Premiere an der Nürnberger Oper
Claudia Schulmerich
Nürnberg (Weltexpresso) – Da kommt in Nürnberg in diesen Tagen viel zusammen. Während sich das Germanische Nationalmuseum auf den 50 000 Besucher der seit vier Wochen laufenden Ausstellung DER FRÜHE DÜRER vorbereitet, konnte Gaetano Donizettis süffige Opéra-Comique DIE REGIMENTSTOCHTER ( musikalische Leitung Gábor Káli) ob ihrer mit intelligentem Witz auf die Bühne gebrachten Fassung starken Applaus einheimsen, der noch anschwoll, als Intendant Peter Theiler den Star des Abends, Heidi Elisabeth Meier, mit Blumen und Dank für die sechs Jahre als festes Ensemblemitglied zur letzten Premiere verabschiedete.
Daß sie, die spritzige Marketenderin als die REGIMENTSTOCHTER, nun zur Deutschen Oper am Rhein, nach Düsseldorf geht, deren durch die Politik verursachte schwierige Situation wir gerade beschrieben hatten, zeigt wieder einmal, wie verschränkt und auch wie lebendig die deutsche Opernszene ist – und eben auch, daß die vom Theater Freiburg kommende Sopranistin, ihren Weg macht, denn unabhängig von einzelnen Aufführungen gibt es eine nicht schriftlich fixierte Rangliste von deutschsprachigen Opernhäusern, die Frau Meier gerade mit der nächsten Stufe durchläuft.
Staatsintendant und Operndirektor Theiler, im vierten Jahr seiner Amtszeit, hat allerdings die Oper Nürnberg insbesondere durch Schwerpunktlegung auf ein französisches Repertoire – er ist Schweizer und hat auch in Frankreich künstlerisch gearbeitet – ebenfalls stark nach vorne gebracht, was hohe Abonnetenzuwächse, eine gute Auslastung der Vorstellungen und insgesamt eine hohe Akzeptanz in der Stadtgesellschaft Nürnberg gebracht hat, darüber hinaus aber auch gewichtige Resonanz im bayerisch- fränkischen Umland.
Französisch wurde auch LA FILLE DU RÉGIMENT gesungen, denn den Italiener Donizetti hatte es wie die Deutschen Meyerbeer aus Berlin, Richard Wagner aus Leipzig oder Jaques Offenbach - aus Offenbach hätten wir schon schreiben wollen und hätten damit eine satirische Struktur der Inszenierung des Abends fortgesetzt - , nein, nein Offenbach kam aus Köln, aber alle gingen nach Paris, dem damaligen Mekka der Oper und fortschrittlichen Musiktheaters. 1840 wurde die Uraufführung dieser Oper in Paris für den zuvor erfolgreichen Donizetti erst einmal ein Reinfall, denn seine Gegner, angeführt vom verehrten französischen Komponisten Hector Berlioz hatten den Widerstand gegen den musikalischen Fremdarbeiter durchschlagend organisiert. Aber diese leichtfüßige Soldaten-Volk-Verbrüderung – regelmäßig zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli gespielt - gehörte schnell zu den populärsten Opern, bis1841 hatte sie an ihrem Uraufführungsort schon 55 Vorstellungen und über 1 000 bis zum Ersten Weltkrieg.
Was sich dann in gut zweieinhalb Stunden auf der Nürnberger Bühne (Inszenierung: Andreas Baesler, Bühne: Kaspar Zwimpfer) mit deutschen Übertiteln und auf Deutsch gesprochenen Dialogen ereignet, könnte man als gelungene historisch-philologische Transkription auf unsere Verständnisebene bezeichnen. Aus dem Ort der Oper: Tirol zu Zeiten der letzten napoleonischen Scharmützel und von Napoleon sowie Österreich, Italien und der Schweiz begehrt, bleibt in dieser Aufführung eine unbestimmte Kriegssituation, die man – gemäß den Kostümen (Gabriele Heimann) – so in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vermutet, die sich dann bis in die 50er fortsetzen, aber auch unsere Gegenwart miteinschließen.
Die gesellschaftliche Situation bleibt wie im Original mehrdimensional: da gibt es das einfache Volk, hier in Person des jungen Tonio (Tilman Lichdi), der die „Tochter“ eines französischen Regiments, namens Marie (Heidi Elisabeth Meier), liebt, die vom 21. Regiment, übrigens historisch das von Napoleon, als Findelkind behalten zur Marketenderin gemacht wurde, also der Frau, die für Logistik und Versorgung zuständig ist. Da gibt es aber auch den heimischen Adel, der, verkommen, korrupt und böswillig einem überlebten Moral- und Sittengesetz lebt - in der Oper in Gestalt der drogensüchtigen Marquise von Birkenfeld (Leila Pfister) -, der der eigentliche Gegner von allen ist, weshalb das siegreiche fremde Militär wie eine Befreiungsarmee auch nicht als Volksfeind angesehen, sondern zu der Institution wird, die für das Volk dem adeligen Getue und ihren Pfründen den Garaus macht.
Wichtig übrigens, um wieder einmal zu verstehen, weshalb der diktatorisch gewordene Napoleon dennoch für viele (Beethoven!) eine so positive Figur blieb und ihn eine Napoleonrenaissance verklärte, weil er mit der Devise der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit tatsächlich die überkommene Adelsstrukur des Militärs aufbrach und die Soldaten - als aus dem Volk kommend auch für dieses eintretend – als eine positive Institution kreierte. Das muß man heute, wo die Begriffe „Soldat“ und „Militär“ eine andere Konnotation haben, zum Hintergrund und Verständnis dieser Oper herausstellen, darf es aber zum Genießen des musikalischen Abends und der hintersinnigen Inszenierung, die manchmal elegant am Klamauk entlangschrammt, gleich wieder vergessen.
Nach der Ouvertüre, wo wir durch die Hörner die Alpen imaginieren und das Plätschern eines Gebirgsbaches sowie Vogelgezwitscher hören, finden wir in einem eleganten Salon, dessen Wände uns allerdings schon vorbereiten, daß demnächst alles zusammenkracht, auf der linken Seite auf einer rotsamtenen Louis-Seize-Sitzbank Karl Lagerfeld rauchend vor, den eine dünne exaltierte Dame, in edlen grünen Samt gehüllt, umschwirrt und umgirrt, während auf der Rechten ein Notar durch das Gedudel aus dem Radio zusätzlich genervt den Ehevertrag aufsetzt, den die Gräfin Birkenfeld für ihr Mündel Marie mit dem alten Herzog von Krakentorp, als der sich Karl Lagerfeld dann entpuppt, abschließen will.
Am Schluß zum Ende des 2. Aktes schließlich sehen wir nämliche Personen in der gleichen Szenerie, zu denen sich Marie und Tonio und der Sergeant Sulpice (Daeyoung Kim) gesellen. Der Ehevertrag, den Marie aus Pflichtbewußtsein schon unterschrieben hat, wird zerrissen, die stockkonservative und nach wie vor süchtige Gräfin zeigt sich sozial und emotional lernfähig, wirft auf einmal alle Standesdünkel des Ancien Regimes von sich, gibt den Liebenden ihren Segen, genauso wie die Soldaten, die sich freuen, daß einer der Ihren eine der Ihren bekommt: Hauptmann Tonio die ehemalige Marketenderin Marie.
Dazwischen liegt die eigentliche Handlung. Am Schluß wissen wir: Marie ist die uneheliche Tochter der Gräfin, aus Liebe mit einem französischen Soldaten gezeugt, was niemand wissen durfte, weshalb das Kind beim Vater aufwuchs, der fiel und Marie so beim 21. Regiment verblieb. Tonio ist ihretwegen Soldat geworden, sie aber glaubte ihn verloren, nahm, von der Gräfin als ihre Nichte bezeichnet, deren Angebot zur standesgemäßen Erziehung, Erbe und Verheiratung an, was zusammenkracht, als Tonio auf einmal wieder vor ihr steht und seine Liebe beteuert. Ihre war er immer geblieben.
Eine solche Geschichte, in der es nicht um die Gemütstiefen von Individuen geht, sondern um die Verkörperung von – allerdings höchst ehrenwerten und individuellen - ideellen Werten durch entsprechende Personifizierungen, kann man heutzutage nur mit einem Augenzwinkern auf die Bühne bringen. Dabei ist die Gradwanderung schwierig. Die Inszenierung bringt immer wieder mehr als komische Zeitbezüge. wenn beispielsweise sich die Gräfin beim Geständnis der Herkunft Maries gegenüber Sulpice wie in einer psychoanalytischen Sitzung auf die Sitzbank legt und dieser hinter ihr im Sessel die Position Sigmund Freuds annimmt. Aber auch Bewegung und Musik sind hervorragend aufeinander bezogen und so kann man am Schluß konstatieren: Donizettis schmissige Musik ist einschließlich ihrer militärischen Anklänge, seligen Walzer und frischen Arien in Nürnberg wohlbehalten und spritzig in der Oper angekommen.
Ein Sonderlob dem Programm!
Vorstellungen am
Vom 20. bis 28. Juli finden in Nürnberg die Internationalen Gluck-Opern-Festspiele statt:
GLUCK, PRAG UND DIE ANTIKE
Info:
Mit freundlicher Unterstützung des Maritim Hotel Nürnberg. Nur ein paar Schritte vom Hauptbahnhof entfernt, liegt das Maritim Hotel geradewegs auf dem Weg zur Oper, die man tatsächlich in einer Minute erreicht. Ein praktisches Argument. Das Maritim verblüffte uns dann ob seines Eingebundenseins in die Nürnberger Stadtgesellschaft, wo es eine Größe für Feiern und Tagen, für Veranstaltungen und Treffen ist. Als Hotel hat es alle modernen Annehmlichkeiten, eine hervorragende Speisekarte, bzw. Buffet, und ist rundherum zu empfehlen.
MaritimHotelNürnberg
Frauentorgraben11
90443Nürnberg
Tel:0911-2363-0
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