Serie: DIE ELBPHILHARMONIE IN HAMBURG, Teil 5

Helmut Marrat

Weltexpresso (Hamburg) - Und ist auch der Innenraum des großen Konzertsaales unverkennbar ein Zitat der Hans Scharounschen Philharmonie, so ist doch die Hamburger Elbphilharmonie in ihren Formen weicher ausgefallen als die Philharmonie am Kemperplatz in Berlin.

Auch der Klang ist dadurch weicher als in Berlin, ebenso glasklar zwar, aber vielleicht nicht ganz so kristallin. Das hängt auch wesentlich mit den im Innern verbauten Materialien zusammen: Wände und Decken in der Hamburger Elbphilharmonie sind mit etwa 10.000 einzeln gefrästen Gipsplatten verkleidet, die den Klang reflektieren, aber gleichzeitig auch brechen, vertiefen und bereichern. Der zur Weltspitze seines Faches gehörende Akustiker Yasuhisa Toyota (*1952) ist für die akustische Qualität des Baues verantwortlich gewesen.

In der Berliner Philharmonie gab es anfangs viele Unzufriedenheiten mit der Akustik. Man hat da lange herumexperimentiert und schließlich mit unter der Saaldecke aufgehängten Klangschalen diese besondere, höchsten Ansprüchen genügende Akustik erreicht. In Hamburg dient diesem Zweck, wenn man so will, eine einzige große Klangschale, die übrigens auch Hans Scharoun zunächst favorisiert hatte, aber gegen seinen Akustiker Lothar Cremer nicht durchsetzen konnte, "der Reflektor" genannt wird und ein bisschen wie ein flacher, scharfkantiger umgedrehter Pilz aussieht. Seine Tauglichkeit konnte ich während der Renaissance-Stücke deutlich feststellen.

Die Foyers, die rings um den großen Konzertsaal gelegt und gruppiert sind, bieten nicht nur, aber vor allem auch nicht zuletzt, einen beeindruckenden Ausblick auf den Hafen, die Elbe und die angrenzende Speicher- und Innenstadt Hamburgs. Sie dienen dem Flanieren, jeweils, wenn man möchte, einmal ganz um den Innenbereich herum, dabei immer den Blick auf die Lichter des Hafens und der Stadt genießend, den Blick aber auch auf die reich geschlungenen eleganten Verkehrswege, Treppen und Gänge im Innern werfend, mit einem Wein- oder Sektglas in der Hand und vielleicht auch einem schmackhaften Happen, ausgegeben von dem Catering-Unternehmen "Der Blaue Hummer". -Das größte Foyer befindet sich in etwa auf Höhe der Orchestra. Es ist voll gedrängt von Menschen. Ob es groß genug bemessen ist, muss der laufende Betrieb noch erweisen. Ob es ein gesellschaftlicher Treffpunkt werden wird, ebenfalls. Vielleicht werden sich eher kleinere Zwischen-Etagen und -Foyers zu Geheimtipps entwickeln.


Nach der Pause wird der zweite Teil des Eröffnungskonzerts mit dem Vorspiel zu Wagners (1813 - 1883) "Parsival" (1877 - 1882) eingeleitet. Manche meinen, dies sei als ein Gruß an die Bundeskanzlerin Angela Merkel (*1954) zu verstehen, deren Wagner-Liebe allgemein bekannt sei. Vielleicht. Jedenfalls war diese Nummer die schwächste Darbietung des Konzertes. Ohne Kraft, ohne Zug, ohne Geheimnis. -

Es folgte ein Auftragswerk eigens zur Eröffnung der Elbphilharmonie, Wolfgang Rihms (*1952) Oratorium "Reminiszenz", das, auch in seinem Titel, an den Orgelbauer, Musikverleger und Dichter Hans Henny Jahnn (1894 – 1959), der in Stellingen im Norden Hamburgs (seit 1937/38 Stadtteil von Hamburg) geboren wurde und seine letzten Lebensjahre im heutigen Witthüs im Hirschpark in Blankenese verlebte. Der Bezug auf Hans Henny Jahnn an sich war die Überraschung. - Dieses Auftragswerk Wolfgang Rihms ist wo nicht atonal, so doch erheblich dissonant gestaltet. Bemerkenswert dabei der slowakische Sänger Pavol Breslik (*1979), der zwei Gedicht-Texte von zwei mit Jahnn befreundeten Autoren, nämlich von Peter Huchel (1903 - 1981), "Widmung / für Hans Henny Jahnn" und "Schnee" sowie einen von Walter Muschg (1898 - 1965), "Spruch" über das Sterben, und dazwischen ein kurzes Prosastück von Jahnn selbst, das sich ebenfalls mit dem Tod beschäftigt, aus dessen Roman "Fluß ohne Ufer / Das Holzschiff" (1949/1959) in einer an die Renaissance-Monodien erinnernden Art Sprechgesang vortrug. - Während der Text von Muschg und der von Jahnn sich mit Tod und Sterben beschäftigen, handeln die beiden Gedichte von Peter Huchel von Kälte ("Schnee") und Wasser ("Widmung"), in dem es heißt:

            "Singende Öde am Fluss: Wer rief?
              Da mit dem rudernden Fuß des Schwans
              die Nacht nun über dem Wasser naht,
              geh'n Feuer dunkel hinab den Pfad,
              wo einmal der Knabe, im Schatten des Kahns,
              den Mittag neben den Netzen verschlief."

Hier kann man Bezüge zur Neubebauung dieses Hafengeländes als HafenCity sich vorstellen, wobei das 'Schiff der Elbphilharmonie' die Dominante bildet.

Fortsetzung folgt

Foto: (c) Wolfgang Mielke