Serie: Die ORF- Lange Nacht der Museen in Wien am Samstag, 6. Oktober 2012, Teil 1/3
Anna von Stillmark und Klaus Hagert
Wien (Weltexpresso) – Italien, dachte man sich, als man bei so sanfter und belebender Abendluft am 6. Oktober durch die Anlage des Belvedere strich. Wirklich strich, denn die weißen blühenden Sträucher neben der Orangerie leuchteten wie ein Zauberwald und das ganze Ambiente hatte etwas Unwirkliches, denn man sah mitten in der Nacht halb ausgezogene Menschen vor sich hinschlendern, alle mit einem glückseligen Lächeln im Gesicht.
Selten konnte sich NATUR und KULTUR auf so angenehme Weise des Nachts paaren, wie hier bei der 13. Nacht geschehen. Womit wir nicht gerechnet hatten, waren ganz einfach die Massen, die ins Obere und ins Untere Belvedere strömten und die sich dann auf den beidseitigen Treppen beim Aufstieg oder Abstieg begegneten. Kein einzelner drängelte, obwohl ja auf ihn in dieser Nacht potentiell noch 677 Museen oder andere offene Stätten warteten. Und was für uns Piefkes auch neu war, das ist, daß diese lange Nacht der 677 Museen gleichzeitig in ganz Österreich stattfindet. Die Idee ist schön, nur leider leider schafft man ja noch nicht einmal die Wiener Angebote, wie dann die niederösterreichischen oder gar die noch weiter weg liegenden Kulturstätten.
Das Belvedere war unsererseits eigentlich abgegrast und wir wollten viel lieber die pittoresken Orte oder solche wie das Bezirksmuseum Floridsdorf (21. Bezirk) oder das der Josefstadt ( 8. Bezirk) oder das von Meidling (12.) oder Währing (18.) besuchen. Wir versprachen uns viel davon, das Bezirksmuseum von einem ehemaligen Arbeiterwohnort wie Floridsdorf mit einem von der feinen Gesellschaft vom 18. Bezirk zu vergleichen. Aber wir hatten die eine Ausstellung im Unteren Belvedere noch nicht gesichtet: ORIENT & OKZIDENT. ÖSTERREICHISCHE KÜNSTLER AUF REISEN. Also hin. Da ging es uns wohl so wie Tausend anderen, die kurz vor Schluß am 14. Oktober nun ausgerechnet am 6. Oktober bis nachts um 1 Uhr, noch diese Ausstellung sehen wollten.
Ein Bild überhaupt richtig vor die Augen zu bekommen, mußte man sich geradezu anstrengen. Bei manchen stand man Schlange. „Warum haben Sie sich das Belvedere und diese Ausstellung ausgesucht?“ fragten wir dreimal uns unbekannte Besucher und bekamen drei verschiedene Antworten. Die ältere Frau, deutlich als Ausländerin zu erkennen, sagte im breitesten Weanerisch (hier auf Hochdeutsch): „ Ich will sehen, ob es Bilder aus meiner Heimat gibt!“ Der sehr junge Mann antwortete: „Ich will Reiseschriftsteller werden, da kommt man herum und da will ich mich über die Länder orientieren.“ Und die junge agile Dreißigerin meinte: „Ach, Österreich war doch immer zur Hälfte der Balkan. Und der Balkan ist schon die Hälfte hin zum Orients. Hier in Österreich und speziell in Wien hängt alles bis heute zusammen und das zeigen ja auch die Bilder.“ Fortsetzung folgt.
Katalog:
Orient & Okzident. Österreichische Maler des 19. Jahrhunderts auf Reisen, im Belvedere, hrsg. Von Agnes Husslein-Arco und Sabine Grabner, Hirmer Verlag 2012. Im Vorwort legt Museumsdirektorin Agnes Husslein klar, daß die Freundschaft zwischen den beiden Malern August von Pettenkofen und Leopold Carl Müller Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist. Letzteren kennt man von seinen zahlreichen Ägyptenbildern und erfährt jetzt erst, daß er „ganze neun (!) Mal Ägypten“ bereiste, während Pettenkofen durch seine Bilder der ungarischen Landschaft und seiner Menschen bekannt ist, dicht vor den Toren Wiens also. In Szolnok war in der Puszta Ungarns eine Malerkolonie entstanden, wie überall in Europa, als das Licht und die Natur die Leinwände zu beherrschen anfing.
Im Katalog kann man diese Entwicklung an vielen Beispielen verfolgen. Die frühen Reisenden sahen sich als Pioniere und hatten das Dokumentieren ihrer Seherfahrungen zum Ziel ihrer Malerei und der Zeichnungen. Erst weit über die Mitte des Jahrzehnts, als das Reisen schon üblicher wurde, wurden künstlerische Ansprüche wichtiger, wie das Licht beispielsweise eine Ruine beleuchtet und welche Gefühle eine Abendstimmung unter Palmen evoziert. In Essays wird die Ausstellung unterteilt in: „Die Vielfalt der Orientbilder“, „Der Orient als Bildmotiv“, „Das Alte und Neue Ägypten in Bildern des 19. Jahrhunderts“ und „In der Fremde“. Die Bildtafeln sind dann unterteilt in den europäischen Teil: „Orient vor der Schwelle. Österreichische Künstler in Ungarn“ und Dalmatien, wie im Nahen und Fernen Osten und den Weltmeeren und Bilder aus der neuen Welt, die bei unserer Berichterstattung überhaupt nicht vorkamen.
Die ab Seite 246 aufgeführten Künstlerbiographien sind wichtig, weil man wenige Künstler von ihnen heute noch kennt, aber ihre Bilder einem immer bekannt vorkommen, weil im 19. Jahrhundert ein Bildtypus geschaffen wurde, der in unser allem kulturellen Bildgedächtnis ruht.
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