Serie: Die ORF- Lange Nacht der Museen in Wien am Samstag, 6. Oktober 2012, Teil 3/3

 

Anna von Stillmark

 

Wien (Weltexpresso) – Mit genau 434 873 Besuchern wurde diese lange Nacht so erfolgreich wie nie. Immerhin hat Österreich 8 419 000 Einwohner und auch wenn die Touristen dazukommen (dafür sind dann auch Österreicher auf Reisen), ist das ein toller Schnitt, den andere Länder erst einmal nachmachen müssen. Die Masse besuchte die Kunst in Wien mit 203 355 Neugierigen, wobei Spitzenreiter das Naturhistorische Museum mit 13 009 Besuchern war!

 

Wir aber sind immer noch im Unteren Belvere bei ORIENT & OKZIDENT. Auffällig übrigens die Ruhe mit der die Objekte betrachtet wurde. Da war keine Eile, das nächste Ziel zu erreichen, sondern hier fand eine richtige Auseinandersetzung mit den Bildern an der Wand statt. Aber nach wie vor hatten wir Mühe, überhaupt an die Bilder heranzukommen und fanden es zunehmend spannend, die Besucher zu fragen: „ Welches Bild würden Sie nehmen wollen, wenn ich Ihnen eines schenken dürfte?“ Eine Frage, die jeden überrumpelt, denn die Leute nach ihrem Lieblingsbild zu fragen, bringt wenig, aber die Aussicht eines der Bilder mitnehmen zu dürfen, also zu behalten, setzt bei ihnen sofort ein intensives Überlegen in Gang.

 

Also ich hätte gerne dieses“, sagte der sehr elegante ca. Vierzigjährige und zeigte auf DER GROSSE MARKT IN DER PUSZTA, um 1861 von Johann Gualbert Raffalt. „In unserem Haus ist eine größere Wand völlig leer, da würde das gut passen!“ Keine Frage. Viel Volk auf diesem Bild, das allerdings mit 77x132 Zentimeter nicht mal überdimensioniert ist, denn die Puszta(?)-Pferde sind ziemlich klein und die Marktbesucher auch. Das alles ist erdfarben gehalten, mit einem blauen Himmel fast zur Hälfte bestückt, was die Weite des Horizonts betont.

 

Seine Begleiterin äußerte: „Ach nein, nehmen wir doch lieber dieses und zeigt auf Bernhard Fiedlers DER TEMPEL VON PHILAE“ aus dem Jahr 1863 und aus Triest nach Wien gekommen. Dort sieht man die Winkelmannsche Devise EDLE EINFALT, STELLE GRÖSSE, die uns auf so manchen Bildern die Reste eine untergegangenen Kultur zeigt, die einfach für den Europäer schlechthin in seinem kulturellen Gedächtnis ruht. Zwei andere stellten sich dazu, die unsere bereitwillige Schenkaktion mitbekamen und nun kamen neue Bilder ins Spiel, zum Teil wanderte die kleine Gruppe dazu in andere Räume und auch, als wir schon weitergingen, blieb die inzwischen auf sieben Personen zusammengewürfelte Schar beieinander.

 

Also bringt so eine lange Nacht der Museen auch Bekanntschaften mit sich, viel stärker als tagsüber, wenn die Besucher sich ordentlich durch die Ausstellungen bewegen und einfach nicht so ein Gefühl von Ausnahme haben. In der Tat, es wurde viel mehr miteinander gesprochen.Und leider können wir keine Statistik vorweisen, wie viele Bunde fürs Leben oder wenigstens für Lebensabschnitte geschlossen wurden in dieser Nacht. Wir ahnen nur, es muß sehr viel häufiger passieren, als tagsüber, denn die Leute sind einfach anders beim Kunstbetrachten und Kunstbereden in dieser Nacht, zu der das Glas Wein einfach dazugehört und auch meistens angeboten wird.

 

 

Wir können auch nicht über alles berichten, was wir noch unternahmen. Aber – so wie die Ministerin und ihre Entourage - waren auch wir bis kurz vor Schluß dabei und können das nur empfehlen: den Wien Besuch mit der Nacht der langen Museen zu koppeln. Aber über all das andere, das Bahnorma in der Favoritenstraße 51, Den Asylgerichtshof in der Laxenburger Straße 36, das Alt-Wiener-Schnapsmuseum, die 3. Mann Tour – Kanal, BRENNPUNKT. das Museum der Heizkultur in der Falfattigasse 4, gar das Dehmel-Museum auf dem Kohlmarkt 14, das Krankenpflege-Museum im Wilhelminenspital, Montleartstraße 37 oder Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, können wir nun nicht mehr berichten, das alles müssen Sie selber sehen.

 

Katalog:

 

Orient & Okzident. Österreichische Maler des 19. Jahrhunderts auf Reisen, im Belvedere, hrsg. Von Agnes Husslein-Arco und Sabine Grabner, Hirmer Verlag 2012. Im Vorwort legt Museumsdirektorin Agnes Husslein klar, daß die Freundschaft zwischen den beiden Malern August von Pettenkofen und Leopold Carl Müller Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist. Letzteren kennt man von seinen zahlreichen Ägyptenbildern und erfährt jetzt erst, daß er „ganze neun (!) Mal Ägypten“ bereiste, während Pettenkofen durch seine Bilder der ungarischen Landschaft und seiner Menschen bekannt ist, dicht vor den Toren Wiens also. In Szolnok war in der Puszta Ungarns eine Malerkolonie entstanden, wie überall in Europa, als das Licht und die Natur die Leinwände zu beherrschen anfing.

 

Im Katalog kann man diese Entwicklung an vielen Beispielen verfolgen. Die frühen Reisenden sahen sich als Pioniere und hatten das Dokumentieren ihrer Seherfahrungen zum Ziel ihrer Malerei und der Zeichnungen. Erst weit über die Mitte des Jahrzehnts, als das Reisen schon üblicher wurde, wurden künstlerische Ansprüche wichtiger, wie das Licht beispielsweise eine Ruine beleuchtet und welche Gefühle eine Abendstimmung unter Palmen evoziert. In Essays wird die Ausstellung unterteilt in: „Die Vielfalt der Orientbilder“, „Der Orient als Bildmotiv“, „Das Alte und Neue Ägypten in Bildern des 19. Jahrhunderts“ und „In der Fremde“. Die Bildtafeln sind dann unterteilt in den europäischen Teil: „Orient vor der Schwelle. Österreichische Künstler in Ungarn“ und Dalmatien, wie im Nahen und Fernen Osten und den Weltmeeren und Bilder aus der neuen Welt, die bei unserer Berichterstattung überhaupt nicht vorkamen.

 

Die ab Seite 246 aufgeführten Künstlerbiographien sind wichtig, weil man wenige Künstler von ihnen heute noch kennt, aber ihre Bilder einem immer bekannt vorkommen, weil im 19. Jahrhundert ein Bildtypus geschaffen wurde, der in unser allem kulturellen Bildgedächtnis ruht.

 

www.langenacht.orf.at