Eine Tour durch Chalkidiki in Nordgriechenland
Notker Blechner
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wenn das der alte Zeus wüsste… Jahrelang strömten die Touristen in Massen auf die nordgriechische Halbinsel Chalkidiki unweit des Götterbergs Olymp. Inzwischen aber bleiben die Reisenden fern, Strandliegen und Hotels sind an manchen Tagen wie leer gefegt.
Weltexpresso besuchte das vergessene Urlaubsparadies - und stieß auf eine Mischung aus stolzer Geschichte und Krisengejammer. Sarris Dimitris schaut aufs weite Meer und schüttelt verzweifelt den Kopf. "Vergangenes Jahr haben wir das Hotel renoviert, und jetzt bleiben die Gäste aus", seufzt er. Der Inhaber des Hotels Germany in Olympiada an der Ostküste der Halbinsel Chalkidiki bekommt die Reiseflaute in Griechenland schmerzlich zu spüren. "Wir hatten in diesem Jahr deutlich weniger Besucher", klagt er. Vor allem die Briten seien weggeblieben.
"Hier gibt's keine Discos"
Trotzdem hat er seinen unerschütterlichen Optimismus nicht aufgegeben. Er ist sicher, dass die deutschen Touristen bald wieder zurückkehren. Man müsste ihnen nur das Gefühl zurückgeben, dass sie willkommen sind und keine Gewalt zu befürchten haben. Schließlich sei Olympiada einer der letzten Orte, an dem man ursprünglich Urlaub machen könne, versichert Dimitris. "Discos zum Beispiel gibt es hier nicht." Der entscheidende Trumpf in dem beschaulichen Feriendorf sei die Gastfreundschaft. Das Motto des Hotels Germany lautet denn auch: "Sie kommen als Gast und gehen als Freund."
Früher, erzählt Dimitris, "war hier alles Wüste". Manche Einwohner starben, weil sie sich fast ausschließlich von Feigen ernährten.
Billige Kartoffeln übers Internet
So schlimm wird es dieses Mal nicht kommen. In den Läden von Olympiada und der der dreigeteilten Halbinsel Chalkidiki werden längst nicht mehr nur Feigen, sondern eine Vielzahl von Obst und Gemüse angeboten. Allerdings sind die Lebensmittel deutlich teurer geworden. Die Preise in den Supermärkten sind drastisch gestiegen, während die Löhne teils dramatisch gefallen sind. Deshalb kaufen einige Bürger zunehmend lokal ein. In Katerini hat sich die "Kartoffel-Bewegung" gebildet, die übers Internet lokale Produkte wie Kartoffeln billiger anbietet als importiertes Gemüse. Zum Beispiel ein Kilo Kartoffeln für 25 Cent.
Es gibt auch Tausch-Initiativen, wo Lebensmittel gegen Englisch-Kurse oder ein Haarschnitt angeboten werden. Oder überbackene Paprika für Gitarrenunterricht.
"Politiker sind Schweine"
Alle stöhnen über die Krise und den teurer gewordenen Alltag. Schuld sind vor allem Angela Merkel und die griechischen Politiker. Viele Griechen sehen sie als die Sündenböcke für das Desaster. "Politiker sind doch alle Schweine", schimpft Dimitris. Sie denken nur an die Erhaltung ihres Postens. Sie unterwerfen sich Brüssel und lassen sich ein Spardiktat aufzwingen. "Die EU sollte weniger Druck auf Griechenland machen", fordern Bürger wie Frau Solomonidou aus der Stadt Kilkis.
Schließlich sei auch die EU mit verantwortlich für die Krise, kritisiert der Gouverneur der nordgriechischen Region Zentralmazedonien. "Seit 1992 hat Europa viel Geld nach Griechenland gepumpt. Da hat keiner nachgeprüft, ob die Summen sinnvoll eingesetzt werden."
Für viele Griechen dürfte die Krise mit all ihren Einschränkungen um so deprimierender sein, wenn sie die Relikte ihrer stolzen Geschichte sehen. Vor allem in Nordgriechenland, der Heimat von Aristoteles und Alexander dem Großen.
Reise in die Vergangenheit zu Alexander dem Großen
In Pella, der einstigen Hauptstadt des Makedoner-Reiches unter Alexander dem Großen, kann man noch heute den Reichtum und die Üppigkeit der damaligen Epoche bestaunen. Im 2009 eröffneten Museum sind zahlreiche Werkzeuge und wertvoller Grabschmuck - zum Beispiel ein Eichelkranz ganz aus Gold für König Philipp, dem Vater von Alexander - ausgestellt.
Wie einfallsreich und fortschrittlich die alten (Nord-)Griechen waren, zeigt sich beim Rundgang über die Ausgrabungsstätte von Dion bei Katerini. Bei den Bädern wurde das kochende Wasser für den Hammam genutzt. Und auch die Toiletten waren schon sehr modern und wurden durch ein Kanalsystem regelmäßig durchgespült. Die Klo-Benutzer kommunizierten am "stillen Örtchen" rege miteinander und machten Geschäfte - im doppelten Sinne des Wortes.
Im Aristoteles-Park in Stagira sind die Erfindungen ausgestellt, die der Philosoph und Wissenschaftler entwickelte. Die Funktionsweise von Panelspiegel, Pendel und Kompass werden dort anschaulich dargestellt.
Klagen statt erfinden
Heute beschwören die Griechen gerne ihre ruhmreiche Tradition. Vom einstigen Erfindergeist ist freilich nichts mehr zu spüren. Man klagt lieber und schimpft auf die ausufernde Bürokratie, die alle Ideen erstickt. "Das ist das Relikt aus über 400 Jahren osmanischer Herrschaft", meint Reisespezialist Anastassios Ossipidis von AK Pegasus Reisen. "Jeder denkt an sich."
Selbst in den zahlreichen Klöstern auf Chalkidiki wird geklagt. Bruder Georgios gibt zu, dass sein Kloster sparen muss, weil "die Leute jetzt etwas weniger spenden". Dennoch schotten sich die Klöster weiter ab und verschließen sich all zu großen Veränderungen. In der autonomen Mönchsrepublik Athos sind nach wie vor keine Frauen zugelassen, allenfalls ein paar weibliche Tiere. Die Mönche lassen nur ein begrenztes Kontingent von Männern als Kurzzeit-Touristen einreisen.
Alte Bergdörfer und malerische Küstenstädte
Die meisten Touristen begnügen sich denn auch mit einer Schiffs-Rundtour an Athos vorbei. Chalkidiki bietet genügend andere Attraktionen an, wo man ausgiebig Halt machen kann. So gibt es malerische Hafenstädte wie Ouranoupoli, die über schöne Strände und ausgezeichnete Tavernen verfügen. Oder (autofreie) Bergdörfer wie Poligiros, deren Altstadtgassen die Besucher verzaubern. In Goumenenisa kann man in der - wenn auch etwas abgelegenen - Kellerei Eftichidis edlen griechischen Wein probieren. Ausspannen kann man in Ressorts mit allem modernem Komfort wie das Dion Palace in Katerini, das direkt am Meer liegt.
Chalkidiki hat Potenzial
Reiseveranstalter wie Ossipidis glauben an das Potenzial von Chalkidiki und eine baldige Rückkehr der deutschen Urlauber. Ossipidis betont mehrfach das gute Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Schwabe mit griechischen Wurzeln ärgert sich, dass die Tui die Halbinsel links liegen gelassen hat und ihre Kunden in andere Urlaubsdestinationen umgelenkt hat.
Auch der deutsche Konsul in Saloniki, Wolfgang Hoelscher-Obermaier, kämpft für die Wiederbelebung des Tourismus und der Wirtschaft in Nordgriechenland, insbesondere Chalkidiki. Mit Konferenzen und Workshops will er den Tourismus ankurbeln, aber auch die erneuerbaren Energien fördern. Zum Dank für seine Bemühungen wurde der Konsul kürzlich von aufgebrachten Demonstranten, die gegen den harten Sparkurs in Griechenland protestierten, mit Wasserflaschen und Kaffeebechern beworfen. Saloniki ist mit einer Quote von 26 Prozent Europas Hauptstadt der Arbeitslosigkeit.
Erste Hoffnungsschimmer
Inzwischen mehren sich die Lichtblicke am griechischen (Urlaubs-)Horizont. Reiseveranstalter wie Tui, Rewe und Thomas Cook sehen Anzeichen für eine Trendwende. Thomas Cook spricht im Hinblick auf die Buchungen für den Sommer 2013 bereits von einer Renaissance Griechenlands. Und auch der scheidende Tui-Chef Michael Frenzel prophezeit für das nächste Jahr ein Comeback Griechenlands auf dem Reisemarkt. Zeus, der allmächtige Herrscher des Olymps, wird's freuen…
Fotos: Ulla Micheline
Info:
Griechenland-Reiseveranstalter AK Pegasus Reisen
http://www.griechenlandreisen.net/
Hotel Dion Palace